Vor kurzem bin ich über einen Artikel in der Ärztezeitung gestolpert, der mir mal wieder gezeigt hat, wie viel Einfluss unsere Gedanken auf unsere Gesundheit haben. Im Artikel ging es zwar nicht um Gedanken bei Schmerzen, sondern um den schädlichen Einfluss auf die Gesundheit und Lebensdauer bei Hypochondern.

Es gibt allerdings auch auf den Verlauf von Schmerzen eine sehr starke Einflussmöglichkeit, über Deine Gedanken.

Warum sind Gedanken so wichtig?

Bereits in meinem letzten Artikel zum Thema Schmerztherapie habe ich erwähnt, dass man davon ausgeht, dass bis zu 70 % des Behandlungserfolgs bei Schmerzen auf dem Placeboeffekt beruhen. Das heißt Deine Psyche und Deine Gedanken bei Schmerzen haben einen extrem großen Einfluss darauf, wie Du die Schmerzen wahrnimmst und auch, ob und wie Du sie loswirst.

Es macht also Sinn, sich auch mit diesem Punkt auseinander zu setzen, um die Behandlung möglichst effektiv zu gestalten.

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch, dass es wenig Sinn macht, negative Emotionen komplett zu unterdrücken. Bei Verletzungen zu fluchen, hat beispielsweise auch einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung von Schmerzen. Wichtig scheint hierbei zu sein, dass Du auch wirklich fluchst und nicht irgendwelche Verniedlichungsformen wie Scheibenkleister oder ähnliches nutzt. (2)

Die Bedeutung von Gedanken wird auch im Film Inception gut zum Ausdruck gebracht: „die kleinste Saat eines Gedanken kann wachsen. Er kann Dich aufbauen oder zerstören.“ (3). Gerade auch beim Thema Schmerzen trifft es dieses Zitat genauer, als Du vielleicht noch denkst.

5 negative Gedanken bei Schmerzen

Meiner Erfahrung nach gibt es hauptsächlich 5 Gedanken bei Schmerzen, die einen starken Einfluss auf den Behandlungserfolg haben können. Diese mögen bei dem ein oder anderen eine andere Gewichtung haben und nicht jeder Schmerzpatient wird mit allen Gedanken konfrontiert. Wenn Dich diese Gedanken bei Schmerzen allerdings quälen und einen Behandlungserfolg verhindern, möchte ich mit Dir meine Ideen teilen, um mit diesen besser umgehen zu können.

„Alles ist kaputt.“

Bei Dir wurde ein Röntgen oder MRT gemacht und der Arzt hat Dir gesagt, dass alles kaputt ist und Du deswegen Schmerzen hast? Der Gedanke setzt sich fest und diesen wieder loszuwerden kann manchmal viel Zeit in Anspruch nehmen. Um kurz den Film Inception (3) nochmal zu zitieren:

„Ein Gedanke! Resistent, hochansteckend; wenn ein Gedanke einen Verstand erst einmal infiziert hat, ist es fast unmöglich, ihn zu entfernen.“

Ich bin aus diesem Grund auch nur eingeschränkt ein Freund von Bildgebung, wenn es sich nicht um akute Verletzungen handelt, bei denen eine Bildgebung auch einen Einfluss auf die Therapieentscheidung hat. Bei chronischen Beschwerden ist der Nutzen aber mehr als fraglich. Das Problem ist, dass Ergebnisse aus der bildgebenden Diagnostik nicht zwingend mit körperlichen Beschwerden zusammenhängen. Wenn aber mal der Gedanke festsitzt, dass Du einen Schmerz nicht loswirst, weil Du Arthrose, einen Bandscheibenvorfall oder was auch immer hast, wird es schwer, Dich vom Gegenteil zu überzeugen.

Da ich dieses Thema schon in einem separaten Artikel behandelt habe, verweise ich an dieser Stelle hierauf.

Das Ziel ist hier unnötige Bildgebung zu vermeiden. Wenn allerdings die Bildgebung schon erfolgt ist, solltest Du hinterfragen (evtl. mit Unterstützung eines Experten), wie der Befund zu Deinen Schmerzen passt oder auch nicht.

„Keiner kann mir helfen“

Wer vermutest Du, ist der Experte, der sich mit Deinem Körper und Deinen Beschwerden am besten auskennt? Kleiner Tipp, Du schaust ihm oder ihr regelmäßig im Spiegel in die Augen.

Ohne Dich funktioniert eine Behandlung nicht. Du spürst, was Dir guttut und was Dir nicht guttut. Vor allem bei chronischen Schmerzen bist Du also der wichtigste Experte, wenn es um Deine Beschwerden geht.

Ein Therapeut kann Dir helfen, Deine Gedanken und Ideen in die richtige Richtung zu lenken. Er hat Übungen für Dich parat oder kann Dir erklären, welche Mechanismen in Deinem Körper ablaufen. Ohne Deine Mitarbeit und Dein Feedback wird er Dir allerdings nicht weiterhelfen können.

Das Ziel ist hier selbst zum Experten zu werden und Deinen Behandler hierbei als Unterstützung zu sehen. Wenn Dein Behandler Dich nicht zu Wort kommen lässt, Deine Erfahrungen nicht ernst nimmt und berücksichtigt, dann würde ich wechseln.

„Ich habe schon alles versucht.“, oder „Nichts hilft“

Ein Gedanke bei Schmerzen, der vor allem bei chronischen Schmerzen auftaucht, ist: „Ich habe schon alles versucht.“ Für Dich als Patient mag das in dieser Situation mit Sicherheit auch so wirken, weil Dir kein weiterer Behandlungsansatz einfällt, der Dir von Spezialisten empfohlen bzw. verkauft wurde.

Bei vielen Patienten ist mir aber schon aufgefallen, dass sie viele hauptsächlich sehr spezielle Methoden getestet haben. Häufig haben sie sich aber nicht mit den Basics auseinandergesetzt. Der Grund? Sie verkaufen sich oft nicht so gut und z.B. den eigenen Lebensstil zu hinterfragen ist nicht immer angenehm.

Stell Dir also mal in aller Ruhe die Frage, ob Du anhand dieser Basics Punkte in Deinem Leben findest, die einen Einfluss auf Deine Schmerzen haben und wenn ja, wie Du sie angehen kannst. Auch hier kann es Sinn machen, sich einen Experten mit an Bord zu holen, der Dich hierbei unterstützt.

Das Ziel ist hier Dich selbst zu hinterfragen, welche Möglichkeiten noch offen sind und mittels eines Schmerztagebuchs herauszufinden, was Einfluss auf Deine Schmerzen hat.

„Ich kann nichts mehr machen.“

Schmerzen können die Lebensqualität extrem einschränken, vor allem wenn Du Hobbys oder sozialen Interaktionen nicht mehr nachgehen kannst und ja, manchmal wird es schwierig, einen Weg drumherum zu finden.

Bei Verletzungen wirst Du manchmal Hobbys, die Dir Spaß machen, für eine Zeit lang sein lassen müssen, wenn Du Deine Schmerzen loswerden willst. Bei einer Operation oder auch konkreten Verletzung lässt sich dieser Zeitraum ungefähr abschätzen, bei chronischen Schmerzen wird es dann herausfordernd.

In dieser Zeit entdeckt man aber oft andere Dinge, die einen Ersatz darstellen können. Sei es eine andere Sportart oder ein neues Hobby.

Das Ziel ist also Dich nicht auf das zu konzentrieren, was nicht klappt, sondern auf das, was Du noch alles machen kannst.

„Alles tut weh“ oder „ich habe die Schmerzen immer.“

Gerade dieser Gedanke bei Schmerzen kann schnell dazu führen, dass wirklich mehr und mehr Bewegungen zu Schmerzen führen, da hier der Noceboeffekt zum Tragen kommen kann. In vielen Fällen kann aber schon eine leichte Veränderung in einer Bewegung dazu führen, dass Schmerzen sich ändern.

Und auch hier macht es oft Sinn, im Verlauf des Tages einfach mal zu beobachten, wie die Schmerzen sich verändern, zum Beispiel mittels eines Schmerztagebuchs. Häufig wird Dir alleine schon durch das Verändern des Fokus auffallen, dass die Schmerzen nicht immer da sind und auch, dass Du vielleicht zwischendurch Phasen hast, in denen Du die Schmerzen überhaupt nicht wahrnimmst.

Diese Erkenntnisse stellen dann einen neuen Ausgangspunkt dar, von dem aus Du weiter herausfinden kannst, wie Du Deine Schmerzen in den Griff kriegst.

Das Ziel ist hier wieder vor allem den Fokus auf die Dinge zu lenken, die funktionieren und die schmerzverstärkenden Faktoren zu reduzieren. Das Schmerztagebuch ist ein nützliches Tool, um hier schneller voranzukommen.

Fazit

Das wichtigste Take-Away ist vermutlich, dass es wichtig ist, die eigenen Gedanken bei Schmerzen regelmäßig zu reflektieren und zu hinterfragen. Viele Annahmen lassen sich hierüber bereits verändern, was wiederum direkt oder auch indirekt einen Einfluss auf das Schmerzerleben hat.

Ansonsten ergibt sich leider sehr häufig ein Kreislauf, der Dir Deine Schmerzen und Einschränkungen eher verstärken wird, als dass er hilft. Das Reflektieren ist eine gute Möglichkeit, aus diesem Kreislauf auszusteigen und ihn umzudrehen. Das kann entweder alleine funktionieren oder in der Zusammenarbeit mit einem Experten, der Dich unterstützt und mit Dir an Deinen Beschwerden arbeitet.

Manchmal ist dieser Experte aber auch nicht der Physiotherapeut oder Osteopath, sondern in manchen Fällen kann Dich hier eine Psychotherapie auch weiter bringen. Wenn Du hier ein Bedürfnis siehst, sprich vielleicht Deinen Hausarzt darauf an oder wende Dich über die 116 117an den ärztlichen Bereitschaftsdienst. Beide Anlaufstellen können Dir hier kompetent weiterhelfen.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat des englischen Schriftstellers Charles Reade, das diese Abhängigkeit von Gedanken bei Schmerzen sehr schön zusammenfasst:

„Wir säen einen Gedanken und ernten eine Tat;

wir säen eine Tat und ernten eine Gewohnheit;

wir säen eine Gewohnheit und ernten einen Charakter;

wir säen einen Charakter und ernten ein Schicksal.“

Quellen

(1) https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Das-kurze-Leben-der-Hypochonder-447120.html

(2) Stephens, R., & Robertson, O. (2020). Swearing as a Response to Pain: Assessing Hypoalgesic Effects of Novel „Swear“ Words. Frontiers in psychology11, 723. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.00723

(3) Nolan, C. (Regie) (2010). Inception [Film]. Warner Bros. & Legendary Pictures

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