Nachdem wir uns im letzten Artikel angeschaut haben, was Stress genau ist, widmen wir uns heute dem entscheidenderen Part, nämlich wie Du Deinen Stress reduzieren kannst.
Kenne Deinen Gegner
Zunächst macht es Sinn, die Faktoren, die für Deinen Stress verantwortlich sind zu identifizieren. Nimm Dir hierfür ruhig ein Blatt Papier, Dein Handy, Laptop oder was auch immer, um diese wirklich aufzuschreiben. Hast Du dies getan, mach als Nächstes zwei Spalten. In die eine Spalte trägst Du die Stressoren ein, die Du direkt bzw. indirekt verändern kannst. Beispiele können hier tägliche Entscheidungen sein, die in Summe Stress aufbauen oder, dass Du überfordert mit der Menge an täglichen bzw. wöchentlichen Aufgaben bist und nicht weißt, wo Du anfangen sollst. Hast Du bei diesem Schritt schon konkrete Ideen, wie Du eine Verbesserung bewirken kannst, schreib Dir diese gerne auf, wobei wir hierzu im nächsten Schritt noch kommen. In die zweite Spalte trägst Du die Stressoren ein, auf die Du keinen direkten Einfluss nehmen kannst. Dein Chef ist ein Choleriker, der teils schon bei absoluten Kleinigkeiten laut rumschreit und ungehalten wird? Dieses Verhalten wirst Du, vor allem, wenn es schon lange besteht, vermutlich nur schwer verändern können. Im nächsten Schritt schau Dir die Spalte mit den Dingen an, die Du verändern kannst. Was fallen Dir für Lösungen ein, welchen Einfluss kannst Du nehmen, um den Stress zu reduzieren oder das Problem aus dem Weg zu räumen? Bist Du zum Beispiel ein Morgenmuffel und kriegst Zuhause kaum die Kurve, um pünktlich zur Arbeit zu kommen und startest somit jeden Tag komplett gestresst? Bereite am Vorabend so viel wie möglich vor, sodass die Anzahl der Aufgaben deutlich reduziert ist. Du bist Dir bei den morgendlichen Aufgaben vor der Arbeit unschlüssig, ob Du alles erledigt hast? Entwickle eine Routine, die jeden morgen gleich ist und spare für Dein noch nicht waches Gehirn Energie ein. Du vergisst ständig verschiedene Aufgaben? Schreib eine To-do-Liste, am besten vor Wochenstart oder auch langfristiger, sobald eine Aufgabe feststeht. Du siehst, es finden sich viele Einflussmöglichkeiten, auch wenn Du ein Problem damit nicht komplett aus der Welt schaffst. Wenn Du aber an meinen Artikel Lass Dich von Perfektionismus nicht bremsen zurückdenkst oder diesen nochmal nachliest, wirst Du sehen, dass Kleinigkeiten oft ausreichen, um viel zu bewirken.
Manches lässt sich nicht verändern
Schauen wir uns jetzt die zweite Spalte an, die Stressoren, auf die Du keinen direkten Einfluss nehmen kannst. Überleg nochmal genau, ob es nicht doch Kleinigkeiten gibt, durch die Du einen gewissen Einfluss nehmen kannst. Bleiben wir beim Beispiel mit dem cholerischen Chef. Du wirst ihn in seiner Art vermutlich nicht ändern können. Vielleicht ist aber die Möglichkeit, wie Du mit ihm kommunizierst, ein Ansatzpunkt. Wechsle, wenn möglich von persönlichen Gesprächen bzw. Telefonaten zu E-Mail-Verkehr. Schriftlich ist es deutlich schwieriger, jemanden anzuschreien und zur Schnecke zu machen. Zumal Du im Fall der Fälle diese Mails aufheben kannst, wenn es wirklich unter die Gürtellinie gehen sollte. Bei den Stressoren, die sich wirklich gar nicht direkt oder indirekt beeinflussen lassen, überleg einmal, ob diese eventuell zeitlich befristet sind. Eine Ausbildung oder auch eine Zusatzqualifikation können einen erhebliches Mehr an Stress bedeuten, allerdings über einen absehbaren Zeitraum und zudem bringen sie Dir langfristige Vorteile. Ruf Dir in Phasen, in denen der Stress steigt, öfter mal vor Augen, dass der Zeitraum überschaubar ist und welche langfristigen Vorteile Du dadurch gewinnst bzw. was Dein langfristiges Ziel ist. Wenn Du dies erstmal angehst, wirst Du schon einen Großteil Deines Stresses reduzieren können bzw. entwickelst selbst einen Lösungsweg. Allerdings wird es nicht alles an Stress wegnehmen können, sodass wir zum nächsten Punkt kommen, nämlich:
Ventile zum Stress ablassen
Versuch Dir mal einen alte dampfende Teekanne vorzustellen. Wenn das Wasser kocht, beginnt ein charakteristisches Pfeifen, durch den entweichenden Druck. Würde dies fehlen und die Kanne wäre komplett verschlossen, würde Sie durch den entstehenden Druck explodieren. Deine Gesundheit kannst Du Dir in Bezug auf Stress ähnlich vorstellen. In den vorherigen Schritten haben wir uns angeschaut, wie Du den Druck reduzieren kannst, den Herd quasi runterdrehst. Jetzt wollen wir uns anschauen, wie Du mehr Druck entweichen lassen kannst. Es gibt sicher zig Übungen, um Stress zu reduzieren und zu entspannen. Über jede einzelne kann man mehr als nur einen Artikel schreiben, weswegen ich versuchen will, mich hier kurzzufassen und nur die wesentlichen Punkte nenne, die Dir die Umsetzung ermöglichen.
Meditationen und andere Varianten, die langfristig eingesetzt werden sollten
Eine Möglichkeit wäre Meditation, in Ihren unterschiedlichsten Versionen. Zu Beginn würde ich auf jeden Fall geführte Meditationen empfehlen. Entweder über Apps wie Headspace oder 7 Mind, oder aber über geführte Meditationen auf YouTube oder Spotify (z.B. den Podcast Mindlook). Eine andere Möglichkeit ist, über die Atmung zu arbeiten. Dies hat den Vorteil, dass Dein Kopf eine konkrete Aufgabe hat, mit der er beschäftigt ist. Such Dir ein bequemes Plätzchen, an dem Du gemütlich sitzen oder liegen kannst. Versuche nun den Weg der Atmung in Deinem Körper nachzuspüren. Stell Dir vor, wie die Luft durch Deine Nase oder Deinen Mund in Deinen Körper einströmt, ihren Weg in Richtung Lunge nimmt und die Bewegung sich im ganzen Körper ausbreitet. Eine weitere praktische Entspannungsmethode, die über die Muskulatur arbeitet, ist die progressive Muskelentspannung nach Jacobson. Hier wird peu à peu die Muskulatur im gesamten Körper nacheinander angespannt und danach bewusst locker gelassen. Für das Lockerlassen wird mindestens die doppelte Zeit der Anspannung genutzt. Ziel ist es, den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung wieder spüren zu lernen und bewusstes Lockerlassen zu erlernen.
Zu langweilig?
Etwas rabiater ist die Möglichkeit des kalten Duschens. Auch hier kannst Du sehr gut lernen bewusst lockerzulassen und aufkommenden Stress bzw. Panik zu kontrollieren. Denn nur wenn Du locker lässt, kannst Du es länger unter der Dusche aushalten ohne Dich zu sehr zu quälen. Du musst auch nicht direkt zu Beginn die Dusche auf eiskalt stellen, taste Dich ruhig peu à peu ran. Auch ist es bei den ersten Malen empfehlenswert den Kopf auszulassen, denn dieser ist meist am unangenehmsten. Der typische Reflex, wenn Dich das kalte Wasser trifft, ist häufig, die Luft anzuhalten und sich zu verkrampfen. Versuche lockerzulassen, atme weiter, so ruhig Du kannst und entspanne Deine Muskulatur. Langfristig gesehen hilft es Deinem Körper auch, wenn Du trainierter bist und regelmäßig Sport machst, der Dich fordert. Wichtig ist, dass Du Deinem Körper die benötigten Regenerationsphasen zugestehst. Kurzfristig ist der Sport zwar ein Stressor, mittel- bis langfristig hilft diese Konfrontation Deinem Körper allerdings dabei resilienter gegenüber Stress zu werden, ähnlich wie das kalte Duschen oder aber auch Konfrontation mit anderen Stressoren. Ich wiederhole es allerdings gerne nochmal, wichtig ist danach allerdings die nötige Regeneration, sodass es sich um Eustress und nicht um Disstress handelt.
Übung mit direkterer Wirkung
Du willst eine schnelle Lösung zum Herunterkommen und die langfristigen Übungen bauen eher Stress auf? Kein Problem, hier sind zwei Atemübungen, die auch relativ schnell funktionieren. Eine Möglichkeit ist das sogenannte Box Breathing. Hierbei atmest Du 4 Sekunden ein, hältst 4 Sekunden die Luft an, atmest über 4 Sekunden aus und hältst wieder die Luft an. Das ganze dann als Zyklus, bis sich die Entspannung einstellt und Du merkst, wie Du lockerlassen kannst. Eine andere Atemtechnik für akute Stresssituationen bzw. um schnell den Stress zu senken, ist die Double Inhale – Slow Exhale Methode. Hierbei atmest Du mit einem ersten Atemzug zu ca. 90 % ein, hältst die Luft kurz an, ziehst schnell die restliche Luft in Dich hinein und atmest dann langsam aus. Auch die weiter oben genannten Übungen lassen sich, mit etwas Training, in akuten Stresssituationen nutzen. Hierfür ist es empfehlenswert, die Übung nach dem immer gleichen Ablauf zu absolvieren. Dein Körper wird so peu à peu konditioniert, sodass es nach etwas Training ausreichen kann, den Anfang Deiner Entspannungsroutine durchzuführen und Dein Körper sich denkt: „Hey, das kenne ich schon. Ich fange mal an, runterzufahren.“
Objektivierbarkeit
Möchtest Du das ganze für Dich objektivierbarer machen und kannst selbst noch nicht unbedingt einschätzen, wann Du entspannt bist und wann angespannt, kann es manchmal helfen zusätzlich mit Herzratenvariabilitätsmessungen (HRV) zu arbeiten. Dieser Wert zeigt grob gesagt, ob eher eine Dominanz des Sympathikus oder des Parasympathikus vorliegt bzw. wie entspannt Dein Körper ist. Du benötigst hierfür lediglich einen passenden Pulsgurt (z.B. Polar H9 oder H10) und eine App, mit der Du die Messung durchführst, wie z.B. Elite HRV oder SweetBeat HRV. In einem späteren Blogbeitrag werde ich auf das Thema HRV Messungen nochmal etwas genauer eingehen. An dieser Stelle verweise ich erstmal auf die Anleitung in der App. Orientiere Dich am HRV Wert während der Messung und beobachte, wie Du diesen verändern kannst.
Verändere Deinen Fokus
Ein weiterer Stressor, der vor allem die letzten Jahre erst richtig an Bedeutung gewonnen hat und vermutlich auch mehr an Bedeutung gewinnen wird, ist Social Media. Diese Kanäle können nützliche Tools sein, die Dir Inspiration bringen und Dein Wissen erweitern. Andersherum können sie aber auch dazu führen, dass Du Dich schlecht fühlst, wenn Du Dich mit den falschen Personen vergleichst und zum Beispiel bei Posts nicht daran denkst, dass vieles an Optik auch durch Filter teils massiv verändert wird. Hierzu gab es in letzter Zeit vermehrt massive Kritik, dass gerade bei Kindern und Jugendlichen ein vollkommen unrealistisches Körperideal hervorgerufen wird, was zu Essstörungen und ähnlichen Problemen führen könnte. Such Dir also zwei bis drei Personen raus, die in den Bereichen, in denen Du Dir Ziele gesetzt hast, als Vorbilder dienen können und versuch es dabei zu belassen. Auch wenn Du merkst, dass Dir Posts von Personen aus Deinem Freundes- oder Familienkreis nicht guttun, ändere etwas daran. Geh in die Einstellungen und ändere, wer Dir in Deinem Newsfeed angezeigt wird und wer nicht. Wenn Dir das nicht hilft, folge der Person einfach nicht mehr. Auch kannst Du Dir überlegen, ob Du wirklich immer die Nachrichten schauen musst und Dich ca. 15 Minuten (Tagesthemen) mit größtenteils negativen Nachrichten berieseln lässt, die häufig Dein persönliches Leben nur sehr bedingt tangieren.
Achtsamkeit
Ändere Deinen Fokus aktiv hin zum positiven, indem Du ein Achtsamkeitstagebuch führst. Schreib Dir zum Beispiel jeden Abend 3 positive Dinge auf, die an diesem Tag passiert sind. Oder schreibe auf, wofür Du dankbar bist. Es gibt unzählige Möglichkeiten. Wenn Dir nichts einfallen sollte, gibt es auch vorgefertigte Bücher, in denen Du Fragen beantwortest. Alternativ kannst Du auch Dein Smartphone nutzen und Dich im entsprechenden App Shop mal danach umsehen.
Leg los
Um Dich jetzt nicht mit einer unzähligen Auswahl an Übungen zu stressen, beende ich den Post an dieser Stelle. Die oben aufgeführten Methoden sind die, mit denen ich bis jetzt die besten Erfahrungen bei Patienten bzw. mir selbst gemacht habe. Wie in dem Beitrag Warum wenige konkrete Empfehlungen? bereits erwähnt, möchte ich Dir ein Buffet anbieten. Dieses Buffet soll Dich allerdings auch nicht mit zu viel Auswahl überfordern und vom Handeln abhalten.

4 Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner