Wir haben uns bereits angeschaut, was Schmerzen sind und auch, was Du gegen Schmerzen tun kannst. Allerdings ist ein wichtiger Baustein noch ein wenig offen geblieben, nämlich was der Sinn von Schmerzen ist.

Und falls Du jetzt denken solltest: „Es tut weh, was interessiert mich denn, was der Sinn dahinter ist. Ich will die Schmerzen loswerden!“ Hab bitte etwas Geduld, auch in diesem Fall wird Dich der Artikel und das Vergrößern Deines Wissens weiterbringen.

Was ist der Sinn von Schmerzen?

Hierzu schauen wir uns nochmal kurz die Definition der IASP (Internation Association for the Study of Pain) an:

Schmerz ist eine unangenehme, sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschäden einhergeht.

Wichtig, um den Sinn von Schmerzen zu verstehen, ist vor allem der letzte Abschnitt, die tatsächliche oder potenzielle Schädigung.

Schmerz als Warnsignal

Schmerz soll Deinen Körper davor bewahren, dass eine Schädigung eintritt bzw. zu stark wird. Eines der typischsten Beispiele ist, wenn Du auf einen heißen Herd packst. Die Hitze würde die Hand Stück für Stück schädigen, je länger Du sie auf der Platte lässt, desto schlimmer.

Schmerzverarbeitung funktioniert sehr schnell, sodass Du Deine Hand in dem Moment schlagartig wegziehst, wenn die Wahrnehmung des Schmerzes im Gehirn ankommt. Darüber Nachdenken tust Du erst im Nachhinein.

Wäre es andersherum und jeder einzelne Schritt würde eine bewusste Verarbeitung benötigen, wären im Falle der Herdplatte, die Verbrennungen deutlich heftiger, da deutlich mehr Zeit vergehen würde.

Ähnlich ist es auch, wenn andere schädigende oder potenziell schädigende Einflüsse von Deinem Körper erkannt werden. Du siehst, der vermutlich wichtigste Sinn von Schmerzen ist das Warnsignal und somit die Schutzfunktion.

Lernen durch Schmerz

Den Spruch habe ich zunächst in einem ganz anderen Zusammenhang gehört, nämlich bei meinem Wehrdienst. Da Schmerz ein sehr intensiver und einprägsamer Reiz ist, entsteht hierdurch auch ein starker Lerneffekt.

Wenn wir bei unserem Beispiel bleiben, dann wird klar sein, dass man nicht mehrfach hintereinander auf die Herdplatte langen wird, sondern aus der schmerzhaften Erfahrung des ersten Mals gelernt hat.

Auch dieser Mechanismus ist an sich sinnvoll, da er er einen deutlichen evolutionären Vorteil mit sich bringt und so einen weiteren wichtigen Sinn von Schmerzen darstellt. Leider kann genau dieser so sinnvolle Effekt manchmal auch nach hinten losgehen. Was sich vielleicht am Beispiel von Sportverletzungen vielleicht am verständlichsten erklären lässt.

Stell Dir mal vor, Du hast beim Bankdrücken ab einem bestimmten Gewicht immer wieder Schmerzen in der rechten Schulter. Du vermeidest Bankdrücken mit diesem Gewicht für einen längeren Zeitraum. Wenns gut läuft, gehst Du zu einem Therapeuten, der Dich nach einer gezielten Untersuchung berät bzgl. Deines Trainings und mit Dir einen Plan erarbeitet, wie Du die betroffenen Strukturen wieder belastbarer kriegst. Vielleicht lässt Du sogar Bankdrücken für einen bestimmten Zeitraum komplett sein und arbeitest nur über ergänzende Übungen.

Du folgst diesem Plan und nach einiger Zeit werden die Strukturen immer belastbarer. In Absprache mit Deinem Therapeuten steigst Du langsam mit dem Bankdrücken wieder ein, natürlich erstmal mit reduziertem Gewicht, um Dich langsam wieder dran zu gewöhnen.

Langsam näherst Du Dich wieder dem Gewicht, das Dir Schmerzen bereitet hat. Was denkst Du, wie locker Du an dieses Gewicht rangehst? Wirst Du Dich unbekümmert auf die Bank legen, das Gewicht nehmen und einfach trainieren, weil Du weißt, dass alles wieder belastbar ist?

Oder wirst Du extrem feinfühlig darauf achten, wie sich Deine Schulter anfühlt?

Prinzessin auf der Erbse

Ich vergleiche dieses Problem immer ganz gerne mit der Prinzessin auf der Erbse. Die Erwartungshaltung und die Vorsicht sorgen dafür, dass Du extrem sensibel wirst, für einen Bereich, der Dir Probleme gemacht hat.

Bei der Wiederaufnahme des Trainings nach der Pause tritt meist folgende Kombination aus Problemen auf:

  1. Du bist nervös, ob die Schmerzen auftreten. Über diesen Mechanismus wird leider auch die Schmerzwahrnehmung nach oben geregelt. Stell es Dir ein bisschen wie das Einstellen einer Alarmanlage auf ein sensibleres Level vor.
  2. Zum Teil kann es auch vorkommen, dass die Bewegung in Deinem Gehirn einfach zu stark mit dem Schmerz verknüpft ist, dass entsprechende Areale gemeinsam feuern und aktiv werden.
  3. Auch wenn Du Dich über andere Übungen wieder herangearbeitet hast, ist es nach einer längeren Pause wieder eine ungewohnte Bewegung. Die betroffenen Strukturen müssen sich auch hieran wieder gewöhnen und eine entsprechende Belastbarkeit aufbauen.
 
Diese drei Punkte, vor allem die ersten beiden, sind evolutionär gesehen nicht dumm, sondern sie zeigen wieder einen bekannten Sinn von Schmerzen auf, Dich vor körperlichen Schädigungen zu bewahren.

Schmerz nutzen

Schmerzen können aber auch im Training bzw. der Therapie genutzt werden, um sie mittel- bis langfristig loszuwerden. Klingt erstmal seltsam, aber lass es mich kurz erklären:

Manchmal kann es vorkommen, dass der Schmerz über eine ungünstige Technik im Sport ausgelöst wird. In diesem Falle ist der Schmerz ein sehr effektiver Mechanismus, Dich an die für Dich bessere Technik zu erinnern.

Ein weiterer Benefit ist, dass der Schmerz Dich davon abhält es weiter zu übertreiben. Gerade bei (ehemaligen) Leistungssportlern ist es meiner Erfahrung nach leider oft eine der wenigen Möglichkeiten, die wirklich greifen.

Wie Du vielleicht schon herausgelesen hast, bin ich mittlerweile kein großer Fan mehr davon, eine komplette Sportpause einzulegen. Das kann zwar in manchen Fällen Sinn machen und je nach Verletzung ist es unumgänglich, oftmals werden über die oben genannten Mechanismen die Prozesse dadurch eher langwieriger.

Vielfach macht es eher Sinn, mit angepasster Last bzw. ergänzenden Übungen die Belastbarkeit des Körpers zu steigern. Der Vorteil, wenn leichte Schmerzen im Training Platz haben und nicht gänzlich tabu sind, dass wir eher erkennen werden, wie Deine Fortschritte sind.

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