5 Gründe, warum Osteopathie effektiver ist als ein Schmerzmittel
Ein spannendes Phänomen, was ich immer wieder sehe ist, dass Patienten mir nach einer Behandlung erzählen, dass die Behandlung Schmerzen stärker gelindert hat, als die vorherige Nutzung eines Schmerzmittels. Das klingt im ersten Moment seltsam und ich würde auch nicht behaupten, dass ich magische Hände habe. Aber wie kann es dann zu so einem Phänomen kommen? NA ja, es gibt ein paar einfache Erklärungen, warum Patienten nach einer Behandlung schmerzfreier rausgehen, als wenn sie vorher nur ein Schmerzmittel genommen haben. Wir schauen sie uns gemeinsam an und dabei wirst Du erkennen, dass Du einen Teil davon auch selbst umsetzen kannst, um Deine Schmerzen bereits alleine zu lindern. Entzündung vs. Schmerz Vermutlich eines der am häufigsten genutzten Schmerzmittel auf dem Markt ist Ibuprofen. Und gerade hierbei, aber auch bei anderen Medikamenten aus dieser Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist die Herausforderung, dass sie hauptsächlich über eine Entzündungshemmung Schmerzen lindern. Das funktioniert dann auch bei Schmerzen, die im Rahmen einer Entzündung auftreten, oft gut bis sehr gut. Allerdings sind nicht alle Schmerzen durch eine Entzündung bedingt. Es gibt auch viele weitere mögliche Ursachen für Schmerzen, wie Überlastungen (z.B. das Läuferknie) oder chronische Schmerzen, die oft keinen Zusammenhang zu einem Gewebeschaden mehr zeigen. In diesen Fällen wirst Du dann auch über eine Entzündungshemmung wenig schmerzlindernde Effekte erzielen können und vor allem dann können die 5 folgenden Ansätze einer Behandlung eine bessere Wirkung entfalten, als das Schmerzmittel. Allerdings können sie das teilweise auch bei entzündlichen Prozessen. Ruhe Behandlung In der Behandlung Du Zeit zur Ruhe zu kommen, bei mir im Normalfall eine ganze Stunde. Wann nimmst Du Dir sonst bewusst diese Zeit für Dich und kommst zur Ruhe ohne irgendwelche Ablenkungen? Dass Stress eine stark Schmerz steigernde Wirkung haben kann, ist ein Punkt, den wir uns bereits mehrfach angeschaut haben. Zur Erinnerung Stress stellt die Alarmanlage Deines Körpers sensibler ein, sodass Reize schneller als Schmerz wahrgenommen werden können. Wenn Du jetzt überlegst, wie Du das ganze selbst umsetzen kannst, ganz einfach: Komm zur Ruhe und sorg dafür, dass Dein Stresslevel möglichst gering ist. Vermeide zusätzliche Stressoren und entspanne Dich. Du kannst, wie in einem anderen Artikel bereits erwähnt, alleine über die Auswahl Deines Fernsehprogramms einen Einfluss auf Dein Stresslevel nehmen. Schau Dir vielleicht nicht den nächsten Horrorfilm oder Thriller an, sondern eine entspannte Komödie, natürlich kannst Du auch den Fernseher ganz auslassen und einen Spaziergang im Wald machen. Das wird zum einen Deiner Stimmung guttun und ein Spaziergang kann auch für sich eine schmerzlindernde Wirkung haben. Zusätzlich kannst Du natürlich auch Entspannungsübungen machen, ein paar Anregungen findest Du nebenstehend. Berührung Auch wenn aktive Behandlungen in den meisten Fällen langfristig besser Beschwerden lindern, als passive Maßnahmen, so ist doch die Berührung durch einen anderen Menschen etwas, was zu einer starken Schmerzlinderung führen kann. Mit am schönsten lässt sich das immer beobachten, wenn sich kleine Kinder verletzen. Die Eltern streicheln oder pusten über die verletzte Stelle, nehmen das Kind vielleicht kurz in den Arm und zack sind Schmerzen wie weggeblasen (das Aua, was davon fliegt). Die Wirkung von Oxytocin und wie es auf vielfältige Weise zu einer Reduktion von Schmerzen führen kann, haben wir uns bereits in einem früheren Artikel angeschaut. Diese schmerzlindernden Eigenschaften zu nutzen, ist häufig relativ einfach. Nähe in der Partnerschaft, sei es kuscheln, streicheln oder auch Sex. Alles hat schmerzlindernde Eigenschaften. Aber auch wenn Du nicht in einer Partnerschaft bist, gibt es einfache Möglichkeiten und bevor Du drüber nachdenkst, ja auch Selbstbefriedigung kann eine Möglichkeit sein. Ich denke aber zunächst an andere Dinge, wie beispielsweise Faszienrollen (ja, die kann man auch sanft nutzen!) oder Massagegurte. Kontrollgefühl Ein weiterer großer Vorteil ist, dass Du in der Behandlung merkst, dass Dein Schmerz kontrollierbar ist. Im Rahmen von Triggerpunktbehandlungen gibst Du beispielsweise vor, wie intensiv die Behandlung sein soll und darf. Wird es Dir zu viel, kannst Du Stopp sagen und ich passe die Intensität sofort an. Auch wenn wir uns gemeinsam anschauen, wie beweglich ein schmerzendes Gelenk ist, gibst Du vor, welche Bewegungen in Ordnung sind und welche nicht. Zudem wirst Du vielfach feststellen, dass der Schmerz sich auch verändert, wenn Du wirklich locker lassen kannst und das Gelenk passiv durchbewegt wird. Also die Spannung der Muskulatur, die Dein Körper vielleicht als Schutzspannung gedacht hat, sorgt dafür, dass es schmerzt und nicht eine Verletzung oder Überlastung. Du selbst kannst das auch zu einem gewissen Grad ausprobieren. Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, die Bewegung, die sonst Deine Schmerzen auslöst, durch kleine Veränderungen so zu modifizieren, dass der Schmerz weniger wird oder sogar verschwindet? Wenn ja, hast Du auch direkt einen weiteren Behandlungsschritt gefunden. Hierbei ist es dann auch egal, ob Du nur den Bewegungsweg etwas verkürzt oder die Bewegung tatsächlich anders als gewohnt durchführst. Die Hauptsache ist, dass Du Deine Schmerzen reduzieren kannst. Schmerzhafter Bereich wird von Fachkraft begutachtet und Ungewissheit wird zu Gewissheit Unsicherheit kann ein deutlicher Stressor sein und somit auch die Schmerzwahrnehmung erhöhen. Du weißt nicht sicher, ob ein Gewebeschaden vorliegt und Du etwas verschlimmerst, wenn Du Dich weiter bewegst. Sollst Du jetzt eine komplette Pause machen oder kannst Du dosiert weitermachen, vielleicht sogar leicht in den Schmerz reinarbeiten? Vielleicht hast Du auch schon bei Google nachgeschaut, was eine mögliche Ursache sein kann, für Deine Schmerzen und bist bei zig Diagnosen gelandet, die eine schlimmer als die andere. Hab ich schon mal erwähnt, dass Du nicht googeln solltest, nach Beschwerden? Wenn Du wirklich unsicher bist, such Dir den Rat eines Experten und mach zeitnah einen Termin aus. Du wärst nicht der erste, von dem ich mitbekomme, dass eine Gewissheit (selbst wenn etwas geschädigt sein sollte) zu einer Reduzierung der Schmerzen geführt hat. Es hört sich jemand die Probleme an und geht darauf ein Der letzte Punkt klingt vielleicht am banalsten, ist aber meiner Meinung nach einer der wichtigsten Punkte. Du kannst Dir wirklich mal alle Deine Sorgen, Probleme und Ängste von der Seele reden und Dir hört jemand zu und geht darauf ein. Eine kleine Patientenanekdote und warum man sich manchmal „auskotzen“ sollte findest Du im Podcast bzw. auf YouTube.
7 Lektionen meiner einjährigen Nichte zur Behandlung von Schmerzen
Vor kurzem hat meine einjährige Nichte das Wochenende bei mir und meiner Freundin verbracht. Tagsüber war eigentlich alles sehr unkompliziert, vor allem aber die erste Nacht war nicht sonderlich angenehm, da die Kleine sehr viel gebrüllt hat. In der zweiten Nacht wurde es dann deutlich besser. Vielleicht wunderst Du Dich jetzt, was eine einjährige mit Schmerzen zu tun hat, keine Sorge ihr geht es gut und es ist auch nichts passiert. Aber das wirst Du im Artikel vermutlich sehr schnell nachvollziehen können. Auch wenn es ein sehr schönes Wochenende war und uns Sonntagabend, als die Kleine wieder Zuhause war, ihr Toben und Spielen gefehlt hat, so lassen sich anhand des Wochenendes 7 Lektionen zur Schmerztherapie (aber auch allgemein Behandlung vieler anderer Beschwerden) herleiten und sehr gut erklären. Die ersten drei Lektionen waren übrigens bereits Inhalt meines wöchentlichen E-Mail-Newsletters, wenn Du dazu noch nicht angemeldet bist, findest Du hier die Möglichkeit dazu. 1. Lernen aus Fehlern Die erste Nacht war deutlich unruhiger, als die zweite. Was auch unter anderem daran lag, dass wir beim Schreien nicht immer direkt verstanden haben, wo das Problem lag und länger überlegen mussten, ob die Windel voll ist, sie schlecht geträumt hat oder was sonst nicht gepasst hat. In der zweiten Nacht war uns dann einiges klarer und wir konnten aus den Fehlern der ersten Nacht lernen, die Reihenfolge der Probleme war tatsächlich sogar gleich. Der Schlaf war somit deutlich ruhiger und erholsamer. Gedanken hatten wir uns am Morgen nach der ersten Nacht dazu gemeinsam gemacht, indem wir die Nacht kurz rekapituliert haben. Auch wenn im Falle Schmerzen es zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommt, würde ich immer rekapitulieren, ob Dir irgendetwas auffällt, dass Du anders als sonst gemacht hast, was ein Auslöser für die Beschwerden sein könnte. War vielleicht etwas zu viel, hast Du schlecht geschlafen in der Nacht zuvor oder hast Du mehr Stress als sonst? Vielleicht solltest Du Dich bei sportlichen Aktivitäten auch einfach wieder mehr aufwärmen und nicht aus der kalten heraus Vollgas geben. All das können Gründe sein, die möglicherweise zu einer Verschlechterung geführt haben. 2. Teamwork Ganz ehrlich, alleine hätte ich das Wochenende und vor allem auch die Nächte nicht so gut hinbekommen, wie mit der Unterstützung meiner Freundin. Jeder von uns hatte andere Ideen, woran es lag, dass die Kleine am Meckern war. Bei manchen Dingen war es auch gut, dass jeder einen Teil der Aufgaben übernahm. So habe ich zum Beispiel meistens die Kleine aus dem Bett genommen, um sie schon mal zu beruhigen und meine Freundin besorgte in der Zwischenzeit Dinge wie Wickelzeug oder ähnliches. Natürlich geht das alles auch alleine, irgendwie. Auch bei Schmerzen kann man oft erstmal versuchen das ganze alleine hinzubekommen. Mit Unterstützung klappt vieles allerdings deutlich schneller und oftmals auch einfacher. Gerade wenn ein Therapeut schon Erfahrungswerte hat, kannst Du deutlich davon profitieren und auch beim Rekapitulieren von Beschwerdeauslösern, ist es oft sinnvoll, sich den Blick von außen dazuzuholen. 3. Plan für Notfälle Hätten wir alles selbst herausfinden müssen, mit der Kleinen, wär das Gemecker vermutlich noch deutlich stärker und häufiger am Wochenende gewesen. Da ich allerdings sehr detaillierte Listen zu den wichtigsten Punkten bekommen habe von meiner Schwägerin, unter anderem Tipps woran nächtliches Jammern liegen könnte, war es ausgesprochen einfach, da wir in den Akutsituationen einfach nachschauen konnten. Es kann auch bei verschiedenen anderen Beschwerden, wie zum Beispiel bei Schmerzen, sehr hilfreich sein, einen Notfallplan parat zu haben, auf den man ohne nachzudenken zurückgreifen kann. Wichtig ist nur, diesen schnell zur Verfügung zu haben und dann auch daran zu denken. In der ersten Nacht, hatten wir ehrlicherweise nicht daran gedacht, sondern erst, als am nächsten Tag wieder Ruhe eingekehrt war. Auf so einen Plan gehören dann vor allem Maßnahmen, die Du ergreifen kannst, um eine Situation abzufangen und Schmerzen oder andere Beschwerden zu beruhigen. Seien es konkrete Dehnübungen, Entspannungsmethoden oder andere Maßnahmen, aus dem Bereich der Schmerztherapie. Für mich persönlich wäre es auch nicht unwichtig, die bisher bekannten Trigger für Schmerzen dort mit aufzuführen, um schneller einordnen zu können, woran es lag, dass die Schmerzen aufgetreten sind. Dieses mehr an Ruhe und Kontrolle hilft oftmals auch indirekt den Stress zu senken, sodass Schmerzen weniger werden können. 4. Quengeln vs. Schreien Auch wenn ich anfangs mit der Aussage: „Du hörst es, wenn die Kleine wirklich etwas hat.“ nicht viel anfangen konnte, so habe ich schnell gelernt, worin der Unterschied zwischen einem unzufriedenen Quengeln und wirklichem Schreien ist, wenn irgendetwas nicht stimmt. Ähnlich kann das auch bei Schmerzen sein. Wenn Du zum Beispiel nach einer Verletzung wieder ins Training einsteigst, tut es anfangs eher mal leicht weh oder zwickt in dem Bereich, der verletzt war. Das liegt einfach daran, dass Dein Körper Dich davor bewahren will, dass der gleiche Bereich wieder verletzt wird. Ähnlich kann es auch allgemein im Training sein, vor allem wenn Du sehr intensiv trainierst. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo es unangenehm wird und eine gewisse Art von Schmerzen auftritt. Dieser unterscheidet sich allerdings meist deutlich von einem Verletzungsschmerz. Gerade im Training, vor allem auch beim Wiedereinstieg nach Verletzung, würde ich deshalb sowohl das Anstrengungslevel einstufen als auch das Schmerzlevel. Hiermit kannst Du im Laufe der Zeit lernen, Schmerzen und Anstrengung besser zu unterscheiden und somit einzuordnen, über welchen Schmerz (Anstrengungsschmerz) Du hinweggehen kannst, weil es mehr ein Quengeln ist und wann Du aufhören solltest, weil wirklich etwas weh tut (Schreien). 5. Langsam steigern (Eltern vs. Onkel) Mein Bruder und meine Schwägerin sind im Umgang mit der Kleinen, deutlich routinierter als meine Freundin und ich, vor allem als ich (so ehrlich will ich sein). Vieles fällt ihnen deutlich leichter und es wirkt deutlich entspannter, auch wenn die Kleine mal was hat, ist es leichter die Ruhe beizubehalten. Gewisse Erfahrung muss man einfach sammeln, um sich an Dinge zu gewöhnen. Ähnlich wie bei Schmerzen, vor allem nach Verletzungen. Wenn Du beim Wiedereinstieg direkt wieder Vollgas gibst, wirst Du mit hoher Wahrscheinlichkeit auch genauso schnell wieder verletzt sein. Du musst Dich langsam steigern, und Deinem Körper und auch dem Warnsystem Schmerz Zeit geben,
Berührung in der Behandlung oder wie wirkt Oxytocin
Auch wenn es in vielen meiner Blogbeiträge anders wirken kann, so denke ich dennoch, dass Berührung in Behandlungen eine unglaublich wichtige Rolle spielt und einen entscheidenden Teil des Behandlungserfolgs ausmacht. Diese Wirkung lässt sich vor allem durch das Hormon Oxytocin erklären, was in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Da ich Dir mit diesem Blog aber hauptsächlich vermitteln möchte, wie Du Kontrolle über Deine Gesundheit erlangst und diese nachhaltig verbessern kannst, liegt der Schwerpunkt der Artikel natürlich bei Möglichkeiten hierzu. Um allerdings auch dieses Thema nicht zu sehr zu vernachlässigen, schauen wir uns heute mal an, welche positiven Effekte Berührung haben kann. Zumal die Effekte nicht nur bei therapeutischen Interventionen zum Tragen kommen, sondern auch bei anderen Berührungen. Effekte von Berührung Berührung hat unglaublich viele Effekte. Wenn Du Dich mal erinnerst, wenn Du Dich als Kind verletzt hast und von Deinen Eltern in den Arm genommen, gestreichelt wurdest und über die verletzte Stelle darüber gepustet wurde. Wie schnell waren die Schmerzen dann weg? Man könnte jetzt meinen, dass hier der Placeboeffekt so wirkt, dass das Gehirn einfach abgelenkt wird. Es wird allerdings auch Oxytocin ausgeschüttet, durch die sanften Berührungen, was vermutlich eine viel wichtigere Rolle spielt. Die schmerzlindernden Effekte sind es auch, die ich in Behandlungen viel nutze, wenn auch anders, als Deine Eltern. Das Spannende ist hierbei, dass sowohl sanfte als auch schmerzhafte Techniken einen schmerzlindernden Effekt haben können (1, 2, 3). Es gibt aber noch viele weitere Effekte, die durch Berührung hervorgerufen werden können, wie zum Beispiel eine Steigerung des psychischen Wohlbefindens (1, 3), eine Stärkung des Immunsystems, eine Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz (1). Aber wie kommt es dazu? Warum ist Berührung so eine Wunderpille? Vieles in diesem Bereich ist ehrlicherweise noch nicht abschließend geklärt, aber diese Aussage ist im medizinischen Bereich ja keine Seltenheit. Das Hormon Oxytocin scheint für viele dieser positiven Effekte aber eine wichtige Rolle zu spielen. Das Kuschelhormon – Oxytocin Wie bei jedem Hormon, so hat auch Oxytocin viele Wirkungen im menschlichen Körper und wird auch zu den Glückshormonen gezählt. Medizinisch wird es vor allem in der Geburtshilfe genutzt, da es für das Auslösen der Wehen verantwortlich ist (4,5). In diesem Zusammenhang wurde es auch von seinem Entdecker Henry Dale 1906 zunächst beschrieben (4). Später könnte er eine weitere wichtige Funktion ausmachen, nämlich der Einfluss auf die Milchsekretion beim Stillen (4, 5). Uns interessieren aber an dieser Stelle ein paar andere Funktionen, die Oxytocin noch hat, die für die Behandlung relevant sind. Stresssenkung So scheint Oxytocin beispielsweise einen dämpfenden Effekt auf die HPA-Achse, auch Stressachse genannt, zu haben (4). Hierunter wird ein hormoneller Regelkreis verstanden, zwischen Hypothalamus (wichtige Steuerzentrale im Gehirn) Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) Nebennierenrinde (Produktionsort wichtiger Hormone, wie Cortisol) Hemmung Cortisol Das Stresshormon Cortisol erfüllt zwar viele wichtige Aufgaben im menschlichen Körper, vor allem auch in Notsituationen, allerdings kann es in der falschen Situation zu ungewünschten Effekten führen. So hat Cortisol zum Beispiel auch eine entzündungshemmende und auch eine immunsupprimierende Wirkung. Die Bedeutung von Entzündungen haben wir uns beim Thema Sportverletzungen und auch Narbenbildung schon angeschaut, von daher an dieser Stelle nur kurz: Sie ist essenziell für die Wundheilung. Wenn die Ausschüttung des entzündungshemmenden Cortisols verringert wird, kann eine Wundheilung auch wieder „normaler“ ablaufen. Ebenso ist es bei der Regulation des Immunsystems. Aus diesem Grund wundert es Dich jetzt auch vermutlich nicht mehr, dass Oxytocin auf die Wundheilung und auch das Immunsystem einen positiven Einfluss nehmen kann. (1, 4) Die Reduktion von Stress und Ängsten durch Oxytocin lässt sich auch über die verminderte Ausschüttung des Stresshormons Cortisol erklären. Über den Einfluss auf die HPA Achse und somit auch das vegetative Nervensystem, lässt sich zudem erklären, wieso es den Blutdruck und auch die Herzfrequenz beruhigen kann. Schmerzstillende Wirkung Wenn Du schon einige Artikel von mir gelesen hast, dann wirst Du vermutlich schon erahnen, dass auch eine Reduktion von Stress den Schmerz bereits lindern kann. Da Schmerz ein Warnsignal ist, was uns vor Schäden bewahren soll, ist dieses Warnsignal in stressigen Situationen, in denen der Körper eine Schädigung vermutet, natürlich noch weiter hochgefahren. Wenn wir jetzt den Stress reduzieren, wird der Körper weniger mit einer Schädigung rechnen und das Alarmsystem dementsprechend herunterfahren. Die Konsequenz: Schmerz wird weniger intensiv wahrgenommen. Allerdings scheint Oxytocin auch eine direkte schmerzlindernde Funktion zu besitzen (3, 7). Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle aber auch, dass zusätzlich Endorphine vom Körper durch sanfte Berührungen ausgeschüttet werden. Diese mächtigen körpereigenen Schmerzmittel haben wir uns in früheren Artikeln bereits angeschaut. Weitere Effekte Spannend finde ich zudem, dass Oxytocin auch einen Einfluss auf das Körpergewicht zu haben scheint, über eine gesteigerte Fettverbrennung (4). Zudem hat Oxytocin auch einen massiven Einfluss auf das Verhalten und scheint nach der Geburt einen Einfluss auf postpartale Depressionen (Wochenbettdepressionen) und auch die Bindung zwischen Mutter und neugeborenem Kind zu haben (4, 5). Aber auch in Beziehungen scheinen Gefühle wie Liebe, Vertrauen und Ruhe unter anderem durch Oxytocin gesteuert zu werden. (4) Spannend ist aber, dass es nicht nur unmittelbar positive Eigenschaften hat, sondern auch dazu führen kann, dass sich eine Gruppe von anderen deutlicher distanziert und abgrenzt. Wie kannst Du das Nutzen? Oxytocin wird vor allem bei angenehmen Berührungen ausgeschüttet, sodass auch verschiedene Formen von körperlicher Berührung mit Dir vertrauten und sympathischen Personen zu einer Ausschüttung und somit den zuvor besprochenen Wirkungen führen kann. Zum Beispiel Umarmungen oder auch beiläufige Berührungen, wie sie sich in einem vertrauten Gespräch ergeben können, sind hier Möglichkeiten. Besonders gut funktioniert natürlich Zeit mit dem Partner und sei es nur, wenn man auf der Couch kuschelt und einen Film schaut. Es gibt aber viel mehr Ausschüttungsmöglichkeiten für Glückshormone, zu denen Oxytocin auch gezählt wird, da es generell bei angenehmen Sinneswahrnehmungen ausgeschüttet wird, wie Essen, Gerüche, Klänge oder auch zum Beispiel beim Singen (4). In diesen positiven Momenten werden auch Endorphine ausgeschüttet, die wir uns oben schon angeschaut haben. Diese kannst Du, im Gegensatz zu Oxytocin, übrigens auch durch Sport nutzen, wo sie eine teils unglaubliche Wirkung entfalten. https://youtu.be/YxTJtzdwsgY Zum Podcast Quellen (1) https://www.quarks.de/gesundheit/darum-sind-beruehrungen-so-wichtig/ (Zugriff am 10.04.2024) (2) https://www.physiomeetsscience.net/warum-eine-schmerzhafte-behandlung-kurzzeitig-schmerzmodulierend-wirken-kann-nicht-das-gewebe-das-nervensystem-ist-wohl-entscheidend/ (Zugriff am 04.04.2024) (3) https://www.physiomeetsscience.net/die-positiven-effekte-von-beruehrung-in-der-therapie/ (Zugriff am
HWS Syndrom – ist das schlimm?
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich kein großer Freund von Syndromen als Diagnose bin? Auch wenn viele Patienten das Gefühl vermittelt bekommen, dass sie mit einem Syndrom eine genaue Diagnose ihrer Probleme hätten, so ist das nicht der Fall. Das HWS Syndrom bildet hier keine Ausnahme. An sich ist das HWS Syndrom nämlich ein Sammelbegriff für verschiedener Diagnosen, die von der Halswirbelsäule ausgehen oder die Halswirbelsäule betreffen. In diesem Artikel kannst Du erfahren, was die „Diagnose“ HWS Syndrom eigentlich bedeutet, welche Symptome auftreten können und was das für die Behandlung bedeutet. Zudem erfährst Du, was mein Problem mit Syndromen ist und auch, warum ich diese und ähnliche Diagnosen trotzdem selbst häufig nutze. Was ist eine Diagnose? Das Wort Diagnose kommt vom griechischen Wort diágnosis, was auf Deutsch soviel heißt wie Unterscheidung oder Entscheidung. Sie stellt das Ergebnis der Feststellung einer Krankheit dar. (1,2) Die Diagnose bildet somit den Abschluss bzw. das Ergebnis der Untersuchung und führt uns zu einer entsprechenden Behandlung der Problematik. Je genauer die Diagnose gestellt werden kann, desto konkreter lässt sich auch eine Behandlung planen. (1,2) Wenn Du jetzt überlegst, wie schnell oft eine Diagnose gestellt wird, wenn Du beim Hausarzt oder auch Orthopäden bist, was denkst Du, wie genau kann diese Diagnose sein? Als kleine Zusatzinfo für diese Überlegung: Im Durchschnitt verbringen Patienten in Deutschland ca. 7,6 Minuten beim Allgemeinmediziner. (3) Überleg einfach mal kurz, was Du in 7 Minuten erledigen kannst. Denkst Du, es ist realistisch, Dir in dieser Zeit ein Problem schildern zu lassen, eine Untersuchung durchzuführen und dem Patienten zu erklären, was sein Problem ist und welche Behandlung dementsprechend die richtige ist? Ich persönlich halte das in vielen Fällen für sportlich und brauche deutlich länger. Selbst in den USA liegt die durchschnittliche Zeit beim Allgemeinmediziner übrigens bei 21,1 Minuten (3) und das obwohl (vielleicht auch gerade weil) dieses Gesundheitssystem oft als weniger sozial als unseres beschrieben wird. Was ist das HWS Syndrom? Das HWS Syndrom ist, wie viele Syndrome, eine Sammelbezeichnung für Beschwerden. In diesem Falle von Beschwerden, die die die Halswirbelsäule betreffen oder die von der Halswirbelsäule ausgehen. Hierbei kann es sich um orthopädische oder auch neurologische Symptome handeln. (4) Eigentlich ist es üblich, dass die Diagnose HWS Syndrom als Ausschlussdiagnose genutzt wird, wenn keine größeren Schäden, wie ein Bandscheibenvorfall oder andere konkrete Diagnosen vorliegen. Da es allerdings keine exakte Definition gibt, ist es per se eine schlau klingende Beschreibung von Beschwerden, die von der Halswirbelsäule ausgehen oder diese betreffen. In manchen Fällen kann es auch eine Verlegenheitsdiagnose sein, weil man nichts Konkretes gefunden hat, was die Beschwerden auslöst, die Ursache aber im Bereich der Halswirbelsäule zu liegen scheint. Was kann alles eine Ursache sein? Wenn wir uns mal auf DocCheck (ähnlich Wikipedia für den Medizinbereich) anschauen, welche Ursachen aufgeführt werden, für ein HWS Syndrom (4), dann finden wir hier eigentlich fast alles von harmlosen bis hin zu zeitnah behandlungsbedürftigen Gründen. Kursiv geschrieben findest Du meine Ergänzungen: Degenerative Veränderungen der HWS (Spondylose, Osteophyten) Schleudertrauma (HWS-Distorsion) Funktionelle Verspannung der Nackenmuskulatur Zervikaler Bandscheibenvorfall (selten) Tumoren Wirbelsäulenoperationen Facettensyndrom (ausgelöst durch die kleinen seitlichen Gelenke der Wirbelsäule) Segmentale Dysfunktionen („Blockierung“) Osteochondrose (diverse Verschleißerscheinungen) Ich persönlich würde aber auch Gründe wie Stress hier mit aufnehmen. Denn gerade bei Stress kommt es zu einer veränderten Schmerzwahrnehmung und vermehrten Verspannungen im Nackenbereich. Auch Unfälle oder Überlastung können eine Rolle spielen. Welche Symptome können beim HWS Syndrom auftreten? Auch hier haben wir eine riesige Palette, wenn wir uns das ganze auf DocCheck anschauen (4): Hals- bzw. Nackenschmerzen, häufig mit Ausstrahlung in den Arm Myogelosen (Verspannungen in der Muskulatur) Schwindel Kopfschmerzen Parästhesien, Hypästhesien (Kribbeln, Taubheitsgefühl) Sehstörungen Ohrgeräusche Allerdings verwundert das auch nicht sonderlich, denn es handelt sich wie schon beschrieben um einen Sammelbegriff für alles, was von der Halswirbelsäule an Beschwerden ausgehen kann. In den meisten Fällen sind meiner Erfahrung nach aber Hals- bzw. Nackenbeschwerden das vorliegende Problem. Theoretisch würde sich diese Liste übrigens noch erweitern lassen, da die meisten Nerven vom Gehirn ausgehend durch den Spinalkanal der Wirbelsäule ziehen. So ist es möglich, dass auch Probleme im Bereich der Halswirbelsäule die Ursache für weiter unten auftretende Probleme darstellen können. Das kommt allerdings eher selten vor und spätestens in solchen Fällen würde man das ganze auch meistens nicht mehr als HWS Syndrom diagnostizieren. Um es mal kurz ganz extrem zu machen, ein Genickbruch und die daraus resultierenden Folgen könnte man auch als HWS Syndrom bezeichnen. Denkst Du aber, dass das jemand machen würde? Wie wird das HWS Syndrom behandelt? Die Frage lässt sich an dieser Stelle nicht pauschal beantworten, denn es kommt immer auf die genaue Ursache an. Ist ein Schleudertrauma und eine daraus entstehende Abschwächung der Muskulatur Auslöser eines Schwindels? Dann sollte hauptsächlich die entsprechende Muskulatur gekräftigt werden. Ist Stress der primäre Auslöser für Schmerzen und Verspannungen? Dann solltest Du an Deinem Stresslevel arbeiten. Ein Bandscheibenvorfall sollte wiederum anders behandelt werden, als eine Irritation des Nerven durch Veränderungen im Bereich der Fazettengelenke oder auch Symptome die nach einem Karpaltunnelsyndroms aussehen, aber durch etwas anderes im Bereich der Halswirbelsäule verursacht werden. Für die Schmerzen und Verspannungen können erfahrungsgemäß manualtherapeutische oder osteopathische Techniken einen Ansatz darstellen und die Beschwerden lindern. Für Nervenbeschwerden können häufig auch Nervenmobilisationen, sogenannte Slider hilfreich sein. Dies sollte aber immer mit dem Behandler abgesprochen werden. Du siehst, die Behandlung des HWS Syndroms ist vor allem abhängig von Deinen konkreten Beschwerden. Da es sich meistens um eher harmlose Ursachen handelt, lassen diese sich auch meistens gut behandeln. Welche Probleme können durch solche Diagnosen entstehen? Wenn das jetzt aber nur ein schwammiger Begriff ist, der mehr oder weniger eine Ausschlussdiagnose darstellt, wieso habe ich dann ein Problem damit? Wenn Du nach dem ICD Code, der auch für das HWS Syndrom verwendet wird, suchst (M54.2) dann wirst Du unter anderem auf Seiten landen, wie gesund.bund.de (eine Seite des Bundesministeriums für Gesundheit), die unter diesem Code nur die Zervikalneuralgie aufführen. Bei der Zervikalneuralgie entstehen die Beschwerden über eine Reizung der Nerven. Sobald Patienten hören, dass es um Nerven und mögliche Schädigungen geht, wird das Alarmsystem meist hochgefahren und die Schmerzsensibilität steigt. Das Resultat kann dann eine Steigerung der Schmerzen sein. Hierzu gibt es
5 problematische Gedanken bei Schmerzen und was Du dagegen tun kannst
Vor kurzem bin ich über einen Artikel in der Ärztezeitung gestolpert, der mir mal wieder gezeigt hat, wie viel Einfluss unsere Gedanken auf unsere Gesundheit haben. Im Artikel ging es zwar nicht um Gedanken bei Schmerzen, sondern um den schädlichen Einfluss auf die Gesundheit und Lebensdauer bei Hypochondern. Es gibt allerdings auch auf den Verlauf von Schmerzen eine sehr starke Einflussmöglichkeit, über Deine Gedanken. Warum sind Gedanken so wichtig? Bereits in meinem letzten Artikel zum Thema Schmerztherapie habe ich erwähnt, dass man davon ausgeht, dass bis zu 70 % des Behandlungserfolgs bei Schmerzen auf dem Placeboeffekt beruhen. Das heißt Deine Psyche und Deine Gedanken bei Schmerzen haben einen extrem großen Einfluss darauf, wie Du die Schmerzen wahrnimmst und auch, ob und wie Du sie loswirst. Es macht also Sinn, sich auch mit diesem Punkt auseinander zu setzen, um die Behandlung möglichst effektiv zu gestalten. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch, dass es wenig Sinn macht, negative Emotionen komplett zu unterdrücken. Bei Verletzungen zu fluchen, hat beispielsweise auch einen starken Einfluss auf die Wahrnehmung von Schmerzen. Wichtig scheint hierbei zu sein, dass Du auch wirklich fluchst und nicht irgendwelche Verniedlichungsformen wie Scheibenkleister oder ähnliches nutzt. (2) Die Bedeutung von Gedanken wird auch im Film Inception gut zum Ausdruck gebracht: „die kleinste Saat eines Gedanken kann wachsen. Er kann Dich aufbauen oder zerstören.“ (3). Gerade auch beim Thema Schmerzen trifft es dieses Zitat genauer, als Du vielleicht noch denkst. 5 negative Gedanken bei Schmerzen Meiner Erfahrung nach gibt es hauptsächlich 5 Gedanken bei Schmerzen, die einen starken Einfluss auf den Behandlungserfolg haben können. Diese mögen bei dem ein oder anderen eine andere Gewichtung haben und nicht jeder Schmerzpatient wird mit allen Gedanken konfrontiert. Wenn Dich diese Gedanken bei Schmerzen allerdings quälen und einen Behandlungserfolg verhindern, möchte ich mit Dir meine Ideen teilen, um mit diesen besser umgehen zu können. „Alles ist kaputt.“ Bei Dir wurde ein Röntgen oder MRT gemacht und der Arzt hat Dir gesagt, dass alles kaputt ist und Du deswegen Schmerzen hast? Der Gedanke setzt sich fest und diesen wieder loszuwerden kann manchmal viel Zeit in Anspruch nehmen. Um kurz den Film Inception (3) nochmal zu zitieren: „Ein Gedanke! Resistent, hochansteckend; wenn ein Gedanke einen Verstand erst einmal infiziert hat, ist es fast unmöglich, ihn zu entfernen.“ Ich bin aus diesem Grund auch nur eingeschränkt ein Freund von Bildgebung, wenn es sich nicht um akute Verletzungen handelt, bei denen eine Bildgebung auch einen Einfluss auf die Therapieentscheidung hat. Bei chronischen Beschwerden ist der Nutzen aber mehr als fraglich. Das Problem ist, dass Ergebnisse aus der bildgebenden Diagnostik nicht zwingend mit körperlichen Beschwerden zusammenhängen. Wenn aber mal der Gedanke festsitzt, dass Du einen Schmerz nicht loswirst, weil Du Arthrose, einen Bandscheibenvorfall oder was auch immer hast, wird es schwer, Dich vom Gegenteil zu überzeugen. Da ich dieses Thema schon in einem separaten Artikel behandelt habe, verweise ich an dieser Stelle hierauf. Das Ziel ist hier unnötige Bildgebung zu vermeiden. Wenn allerdings die Bildgebung schon erfolgt ist, solltest Du hinterfragen (evtl. mit Unterstützung eines Experten), wie der Befund zu Deinen Schmerzen passt oder auch nicht. „Keiner kann mir helfen“ Wer vermutest Du, ist der Experte, der sich mit Deinem Körper und Deinen Beschwerden am besten auskennt? Kleiner Tipp, Du schaust ihm oder ihr regelmäßig im Spiegel in die Augen. Ohne Dich funktioniert eine Behandlung nicht. Du spürst, was Dir guttut und was Dir nicht guttut. Vor allem bei chronischen Schmerzen bist Du also der wichtigste Experte, wenn es um Deine Beschwerden geht. Ein Therapeut kann Dir helfen, Deine Gedanken und Ideen in die richtige Richtung zu lenken. Er hat Übungen für Dich parat oder kann Dir erklären, welche Mechanismen in Deinem Körper ablaufen. Ohne Deine Mitarbeit und Dein Feedback wird er Dir allerdings nicht weiterhelfen können. Das Ziel ist hier selbst zum Experten zu werden und Deinen Behandler hierbei als Unterstützung zu sehen. Wenn Dein Behandler Dich nicht zu Wort kommen lässt, Deine Erfahrungen nicht ernst nimmt und berücksichtigt, dann würde ich wechseln. „Ich habe schon alles versucht.“, oder „Nichts hilft“ Ein Gedanke bei Schmerzen, der vor allem bei chronischen Schmerzen auftaucht, ist: „Ich habe schon alles versucht.“ Für Dich als Patient mag das in dieser Situation mit Sicherheit auch so wirken, weil Dir kein weiterer Behandlungsansatz einfällt, der Dir von Spezialisten empfohlen bzw. verkauft wurde. Bei vielen Patienten ist mir aber schon aufgefallen, dass sie viele hauptsächlich sehr spezielle Methoden getestet haben. Häufig haben sie sich aber nicht mit den Basics auseinandergesetzt. Der Grund? Sie verkaufen sich oft nicht so gut und z.B. den eigenen Lebensstil zu hinterfragen ist nicht immer angenehm. Stell Dir also mal in aller Ruhe die Frage, ob Du anhand dieser Basics Punkte in Deinem Leben findest, die einen Einfluss auf Deine Schmerzen haben und wenn ja, wie Du sie angehen kannst. Auch hier kann es Sinn machen, sich einen Experten mit an Bord zu holen, der Dich hierbei unterstützt. Das Ziel ist hier Dich selbst zu hinterfragen, welche Möglichkeiten noch offen sind und mittels eines Schmerztagebuchs herauszufinden, was Einfluss auf Deine Schmerzen hat. „Ich kann nichts mehr machen.“ Schmerzen können die Lebensqualität extrem einschränken, vor allem wenn Du Hobbys oder sozialen Interaktionen nicht mehr nachgehen kannst und ja, manchmal wird es schwierig, einen Weg drumherum zu finden. Bei Verletzungen wirst Du manchmal Hobbys, die Dir Spaß machen, für eine Zeit lang sein lassen müssen, wenn Du Deine Schmerzen loswerden willst. Bei einer Operation oder auch konkreten Verletzung lässt sich dieser Zeitraum ungefähr abschätzen, bei chronischen Schmerzen wird es dann herausfordernd. In dieser Zeit entdeckt man aber oft andere Dinge, die einen Ersatz darstellen können. Sei es eine andere Sportart oder ein neues Hobby. Das Ziel ist also Dich nicht auf das zu konzentrieren, was nicht klappt, sondern auf das, was Du noch alles machen kannst. „Alles tut weh“ oder „ich habe die Schmerzen immer.“ Gerade dieser Gedanke bei Schmerzen kann schnell dazu führen, dass wirklich mehr und mehr Bewegungen zu Schmerzen führen, da hier der Noceboeffekt zum Tragen kommen kann. In vielen Fällen
Was ist Schmerztherapie?
Schmerztherapie umfasst, vereinfacht gesagt, alle therapeutischen Maßnahmen, die das Ziel haben, akute oder chronische Schmerzen zu lindern. (1,2) Ärzte, die sich auf die Behandlung von chronischen Schmerzen spezialisiert haben, können durch eine Weiterbildung die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ erwerben. (3) Wenn Du meinen Blog bereits aufmerksam verfolgst, dann wirst Du vielleicht auch wissen, dass ich vor längerer Zeit bereits einen Artikel geschrieben habe, was Du gegen Schmerzen tun kannst. In diesem Artikel finden sich auch einige Methoden aus dem Bereich der Schmerztherapie, ein allgemeiner Überblick fehlte bisher allerdings und auch der Punkt, warum ein interdisziplinärer Ansatz (mehrere Berufsgruppen arbeiten zusammen) in der Behandlung von Schmerzpatienten oft am zielführendsten ist (4), kam noch zu kurz. Was sind Schmerzen? Wie immer schauen wir uns erst einmal an, worüber wir eigentlich reden. In früheren Artikeln haben wir uns bereits angeschaut, was Schmerzen sind und auch welchen Sinn Schmerzen haben, aus diesem Grund hier nur eine kurze Zusammenfassung. Schmerz wird definiert als eine unangenehme, sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschäden einhergeht. (5) Schmerz tritt also nicht nur auf, wenn etwas „kaputt“ ist, sondern auch, wenn Dein Körper befürchtet, dass etwas geschädigt werden könnte. Er stellt also eine Art Alarmsystem dar. Akute vs. chronische Schmerzen Diese Definition trifft allerdings hauptsächlich für akute Schmerzen zu, bei chronischen Schmerzen wird das ganze allerdings häufig etwas komplexer. Das lässt sich bereits daran erkennen, dass es hierzu eine eigene Leitlinie gibt (6) und sie häufig auch als eigenständige Krankheit betrachtet werden (7). In diesen Fällen haben chronische Schmerzen oft nicht mehr die zuvor benannte Warnfunktion, die akute Schmerzen haben. Da das Thema chronische Schmerzen extrem komplex ist, wird es hierzu demnächst noch einen eigenen Artikel geben. Wichtig ist an dieser Stelle zu verstehen, dass in der Schmerztherapie zwischen akuten und chronischen Schmerzen oftmals unterschieden werden muss und die Schwerpunkte oft anders zu gewichten sind. Biopsychosoziales Schmerzmodell Das biopsychosoziale Modell nach Engels findet bei vielen Krankheiten, vor allem chronischen Erkrankungen, Anwendung. Es wird genutzt, um besser erklären und verstehen zu können, welche Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Krankheiten eine Rolle spielen. (8) Dieses Modell erleichtert es auch, Schmerzen und die unterschiedliche Wahrnehmung dieser, besser zu erklären. Es bildet dementsprechend auch einen der 6 Punkte, den die IASP nutzt, um Schmerzen und Schmerzerleben genauer zu definieren. (5) Das Modell kann allerdings nicht nur genutzt werden, um zu erklären, welche Faktoren Schmerz verstärkend, sondern auch welche Schmerzen lindern und somit in der Schmerztherapie adressiert werden sollten. Biologische Faktoren Hierunter kannst Du Dir alle körperlichen Faktoren vorstellen, die einen Einfluss auf die Schmerzen haben können (aber nicht zwangsläufig müssen). Hierzu zählen zum Beispiel: Verletzungen Nervenschädigungen Entzündungen Endorphine Psychische Faktoren Dieser Bereich ist, denke ich, relativ selbsterklärend. Auch hier gibt es viele Faktoren, die sowohl einen positiven, als auch einen negativen Einfluss haben können, wie beispielsweise: Depression Ängste Placebo/ Nocebo freudige Momente Soziale Faktoren Soziale Faktoren und psychische Faktoren sind teilweise schwierig zu unterscheiden, da sie oftmals eng miteinander verknüpft sind. Bei sozialen Faktoren geht es allerdings eher um das Umfeld und die Interaktion mit diesem, sowie die Prägung, die durch das Umfeld geschieht. Beispiele wären hier: Erziehungsunterschiede im Umgang mit Schmerzen kulturelle Unterschiede sekundärer Krankheitsgewinn (man erfährt z.B. mehr Unterstützung durch das eigene Umfeld aufgrund der Schmerzen) Schmerztherapie In der Schmerztherapie gibt es nun verschiedene Ansätze, die gewählt werden können, um Schmerzen zu reduzieren. Einige werden Dir vermutlich bekannt vorkommen. Andere hingegen dürften Dir vielleicht neu sein. Wie Du bereits erfahren hast, gibt es viele mögliche Ursachen für Schmerzen, die sehr individuell sind. Aus diesem Grund lässt sich auch pauschal nicht sagen, dass eine Methode der anderen unmittelbar überlegen ist. Es gibt sogar Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass „Bis zu 70 % der Therapieerfolge bei Schmerzen […] beruhen auf dem Placeboeffekt.“ (9) In der Therapie von akuten Schmerzen gibt es oft individuelle Leitlinien für bestimmte Beschwerde- und Krankheitsbilder. Chronische Schmerzen haben eine eigene Leitlinie (6), hier wird häufig ein multimodaler Ansatz gewählt, den wir uns später anschauen. Die Bausteine, die in einer Schmerztherapie genutzt werden können, sind folgende: Medikamentöse Therapie Schmerzmittel (Analgetika) dürften, denke ich, jedem von Euch bekannt sein. Einige Schmerzmittel sind zwar frei verkäuflich, ich würde Dir aber dennoch anraten, im Zweifel in der Apotheke oder beim Arzt nachzufragen, welche Schmerzmittel für Dich und Deine Schmerzen empfehlenswert sind. WHO-Stufenschema Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es auch eine Empfehlung, welche Schmerzmittel zuerst gewählt werden sollten und wie diese zu steigern sind. Ich habe Dir die Tabelle hier einmal eingefügt, allerdings solltest Du sie rein als Hintergrundinformation sehen. Die genaue Auswahl der Medikamente solltest Du in Abstimmung mit Deinem behandelnden Arzt treffen, der auch Deine eventuellen Medikamentenunverträglichkeiten kennt. Das Schema kann in jeder Stufe mit ergänzenden Medikamenten und anderen Behandlungen kombiniert werden. WHO Stufenschema Bewegungstherapie Bewegung hat viele positive Effekte auf Schmerzen. Einer davon ist die Ausschüttung von Endorphinen (körpereigenen Morphinen), die wahnsinnig gut funktionieren. So gibt es Untersuchungen, die zeigen, dass ein Lauf über 6 Meilen (ca. 9,66 km) eine Menge an Endorphinen freisetzt, die ungefähr einer Dosis von 10 mg Morphin entsprechen. Du siehst also, „Bewegung ist einer der größten Schmerzkiller der Welt“ (10). Diese Möglichkeit in der Schmerztherapie nicht zu nutzen, wäre also meistens ein großer Fehler. In der Behandlung ist aber nicht nur die schmerzlindernde Wirkung des Trainings wichtig, sondern auch, dass Du als Patient Möglichkeiten kennenlernst, Bewegungen, die Dir aktuell schwerfallen, entweder wieder ausführen zu können oder alternative Bewegungsmuster zu lernen. Auch das Vertrauen in den eigenen Körper, das vor allem bei chronischen Schmerzpatienten irgendwann schlechter wird, kann hierüber wieder aufgebaut werden. Da ein Ziel bei schmerzhaften Strukturen sein kann, diese belastbarer zu machen, ist ein gezieltes Krafttraining teils unumgänglich. Edukation Patientenaufklärung (Edukation) ist einer der Bereiche, an denen es meiner Meinung nach in unserem Gesundheitssystem am ehesten mangelt. Viele Patienten werden erfahrungsgemäß erst dann selbst aktiv in ihrer Therapie, wenn sie auch verstehen, warum sie gewisse Dinge tun oder auch meiden sollten. Da mein Ziel auch immer ist, dass Patienten selbstständig werden und mich im besten Falle irgendwann nicht mehr benötigen,
Diese 5 Dinge machen eine effektive Therapie aus
Eine effektive Therapie hat viele Bestandteile. Viele werden jetzt an passende Behandlungstechniken, die richtigen Medikamente oder die eine Übung, die alle Probleme wie von Zauberhand löst, denken. Aber eine effektive Therapie beruht meiner Meinung nach auf ganz anderen Dingen, die weit wichtiger sind. Das Problem – warum sind so viele Therapien ineffektiv? Behandlungen im Kassensystem haben oft ein großes, gemeinsames Problem: Zu wenig Zeit beim Arzt, im Schnitt in Deutschland 7,6 Minuten (1) Physiotherapie hat zwar eine längere Behandlungszeit (im Schnitt 15-20 Minuten), doch auch diese würde mir bei vielen meiner Patienten tatsächlich nicht reichen. Zudem darf ein Physiotherapeut nur in einem gewissen Rahmen freie Entscheidungen treffen, was die Therapie anbelangt. Daraus folgen weitere Probleme: Zuhören Es besteht wenig Zeit zuzuhören und sich Probleme einmal anzuhören. Bei einmaligen Problemen wie einer Erkältung oder mal Rückenschmerzen kann das oft reichen, um eine effektive Therapie durchzuführen. Wenn das Problem länger besteht, wird es aber schwieriger. Ganz ehrlich, gerade bei den Patienten, deren Schmerzprobleme komplex wirken und sich scheinbar nicht erklären ließen, lag die Lösung darin zuzuhören und gezielt nachzufragen, wenn mir etwas unklar war. Aktives Zuhören ist hier das Geheimnis. Wenn etwas für mich nicht logisch klingt oder ich das Gefühl habe, mir fehlt eine Information, dann frage ich nochmal nach. Je mehr sich daraus ein Verständnis ergab, wann Probleme auftreten, desto offensichtlicher war die Lösung. Der Patient präsentierte sie mir quasi auf dem Silbertablett und wir konnten so gemeinsam eine effektive Therapie erzielen. In den Fällen, die am nachhaltigsten waren vom Ergebnis, waren die, in denen es dann auch beim Patienten Klick machte, während ich nachfragte. Patienten ernst nehmen Wie schaffe ich es in weniger als 10 Minuten, mir Probleme eines Patienten anzuhören und seine Beschwerden ernst zu nehmen? Wie soll sich der Patient ernst genommen fühlen, wenn er weiß, in 5 Minuten klopft der nächste an die Tür. Bei einfachen Problemen kann das durchaus klappen. Eine Erkältung, mal den Rücken verrissen oder auch bei einer Grippe mit mildem Verlauf? Hier wird die Zeit oft reichen. Wenn Du beim Hausarzt bist, ist diese Zeit oft angemessen. Hier geht es hauptsächlich darum, einfachere Dinge zu behandeln, Dauermedikationen einzustellen und zu überwachen und im Bedarfsfall an andere Fachkräfte weiterzuvermitteln. Wichtig ist auch, dass ich als Therapeut Dir als Patient glaube, was Deine Beschwerden anbelangt. Wenn Du Schmerzen spürst, spürst Du Schmerzen. Nachzuvollziehen, warum das so ist, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Und auch wenn wir feststellen, dass es sich eher um eine psychosomatische Problematik handelt, heißt das nicht, dass Du Dir Schmerzen einbildest. Gezielte Diagnostik Diagnostik kann nicht zielgerichtet stattfinden und es wird lediglich ein Standardprogramm gefahren. Auch das mag bei häufigen Beschwerden funktionieren. Wenn es nicht der typische Verlauf ist, wird es schwierig. Was mich bei Schmerzpatienten aber immer wieder wundert: Viele sind auch überrascht, wenn sie das erste Mal körperlich untersucht werden. Das kann ich ja noch verstehen, wenn sie vorher „nur“ beim Hausarzt waren. Deren Erfahrungswerte sind meist im Bereich internistischer Beschwerdebilder deutlich ausgeprägter und sie werden mir da oftmals einiges an Wissen voraus haben. Nein, mir geht es hier eher um Orthopäden. Wenn Du dort einen Termin hast wegen Schmerzen am Rücken und Du während des Termins nur auf dem Stuhl sitzt und alle Deine Kleidung an behältst, dann ist da gehörig was schiefgelaufen. Auch wenn es direkt zum Röntgen oder MRT geht, ohne dass vorher eine wirkliche Untersuchung stattgefunden hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auch hier was schiefgelaufen. Gemeinsame Entscheidungen Wenn schon die Zeit für ein vernünftiges Gespräch und eine gezielte Untersuchung nicht reicht, wie soll dann eine gemeinsame Therapieentscheidung stattfinden? Wenn Du als Patient jetzt aber eine Therapie angeraten bekommst, die überhaupt nicht zu Dir passt, wirst Du vermutlich wenig begeistert sein und ob Du wirklich mitarbeitest … Na ja, es gibt Dinge, die wahrscheinlicher sind. Und ja, eine gemeinsame Entscheidungsfindung besteht auch daraus, dass Du als Patient mir mitteilst, wenn ich Dir etwas vorschlage, von dem Du weißt, dass Du es nicht machen wirst. Wir sind nicht in der Schule, wo Du Hausaufgaben machen musst, die nicht gezielt auf Dich angepasst sind. Es geht darum, eine für Dich effektive Therapie zu finden und das kann sie nur sein, wenn Du mitarbeiten kannst und willst. Dinge verändern Von Einstein gibt es ein schönes Zitat, was hier sehr gut passt: „Die Definition von Wahnsinn ist: immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.“ Irgendetwas, was Du getan oder nicht getan hast, hat Dich zur aktuellen Situation geführt. Wenn Du das Problem nachhaltig loswerden willst, macht es entsprechend Sinn, etwas zu verändern. Je nach Problem fällt diese Veränderung größer oder kleiner aus. Um eine effektive Therapie zu gestalten ist es aber unerlässlich etwas zu verändern. Und hey, auch ich weiß, dass das nicht einfach ist. Deswegen versuche ich die Kosten-Nutzen-Rechnung mit Dir in Balance zu halten, ich bin ein großer Fan des Pareto-Prinzips. Die Lösung – was macht eine effektive Therapie aus? Schau Dir mal die obigen Überschriften nochmal genau an. Diese sind eine kleine Checkliste, die Du als Patient nutzen kannst, um zu überprüfen, wie effektiv Deine Therapie ist. Klar, das Ergebnis sollte auch stimmen, aber das ergibt sich oft aus den oberen Punkten heraus. Die ersten drei Punkte gelten hauptsächlich für Deinen Therapeuten. Wobei Punkt 1, das aktive Zuhören nur funktionieren wird, wenn Du Deinem Behandler alles erzählst, was Deine Beschwerden betrifft. Punkt 4 gilt für Euch beide und Punkt 5 betrifft dann vor allem Dich. Es ist nicht immer einfach, Dinge zu verändern. Das weiß ich und respektiere ich. Wenn Du aber wirklich Deine Beschwerden verändern möchtest, kann es sein, dass Du auch Dich ein Stück weit verändern musst, um eine effektive Therapie gestalten zu können. Bonus Was auch unglaublich wichtig ist, um eine effektive Therapie zu gestalten, ist Erfolge und Teilerfolge zu erkennen und anzuerkennen. Das mag banal klingen, aber viele Patienten erkennen nicht, wenn sie Fortschritte machen. Die Schmerzen treten zum Beispiel nachts nicht mehr auf oder nur noch, wenn Du Dich intensiv körperlich anstrengst. Wenn Du vorher fast dauerhaft Schmerzen
Wie sinnvoll sind eigentlich Faszienrollen?
Auch wenn ich immer wieder das Gefühl habe, dass der Trend am Abflauen ist, so hält sich der Hype um Faszienrollen, entsprechende Bälle und weitere Tools zum Bearbeiten der Faszien doch sehr vehement. Erstaunlich ist doch auch immer wieder, wie teuer so ein Stück Styropor oder Plastik sein kann, wenn es nur den Anschein erweckt, bei medizinischen Problemen helfen zu können. Aber es klingt ja auch sehr gut, dass Du über einen (mehr oder weniger) sanften Weg Verklebungen in Faszien lösen kannst. Aber kannst Du das auch wirklich durch ein bisschen Rollen? Kleiner Spoiler: Verklebungen wirst Du eher weniger lösen, es kann aber dennoch ein nützliches Tool sein. Was sind Faszien Das Wort Faszie kommt aus dem lateinischen Wort „fascia“, was so viel bedeutet wie Band oder auch Bandage. (1) Im Bereich von Faszientraining geht es häufig um die Faszien, die Muskeln umhüllen. Wenn Du Fleisch ist, schau Dir einfach beim nächsten Mal kochen einfach mal die Silberhaut genauer an, dann weißt Du, wovon hier die Rede ist. Es gibt aber noch weitere Faszien und die Definition ist, wie so oft im medizinischen, nicht einheitlich. So werden auch das Unterhautfettgewebe (fascia superficialis), Organhüllen (viszerale Faszien), Sehnenplatten (wie z.B. die Plantarfaszie auf der Fußsohle) zu den Faszien dazugezählt. Je nach Autor werden auch Sehnen und Bänder zu den Faszien dazugezählt. Sie haben also verschiedene Funktionen, je nachdem, welche Teile wir genau betrachten. So werden beispielsweise folgende Funktionen beschrieben (2): Faszien haben folgende Eigenschaften: sie sind Hüllschichten und zusätzliche Ansatzpunkte für Muskeln, sie unterstützen die Muskelpumpe, sie schützen Gefäße, sie sind eine Barriere gegen Infektionen, sie übertragen Muskelkräfte, sie können sich entzünden, sie haben Nozizeptoren, [Anmerkung: Schmerzrezeptoren] sie spielen eine Rolle bei der Propriozeption. [Anmerkung: vereinfacht gesagt Wahrnehmung des Körpers im Raum] Laut einiger Theorien können Faszien verkleben oder verfilzen und somit Beschwerden (v.a. Schmerzen) auslösen. Selbst wenn es so wäre, wäre es unglaublich schwierig über eine mechanische Behandlung von außen diese Verklebungen zu lösen. Kann eine mechanische Behandlung Faszien verändern? Es wird häufig beschrieben, dass straffe Faszien härter als Kevlar seien. Eine Untersuchung von Chaudry et. al (2008) (3) zeigte, dass es Kräfte weit über die normale physiologische Range braucht, um die Plantarfaszie (Fußsohle) oder die fascia lata (Oberschenkel) um nur 1 % zu verformen. Bei der Plantarfaszie waren es beispielsweise 424 kg, um diese Verformung zu erreichen und bei der fascia lata sogar 460 kg. Selbst wenn Du Dich anstrengst und Dir echt Mühe gibst, das wirst Du nicht erreichen. In meiner Osteopathieweiterbildung hat uns ein Dozent in einem Präparationsvideo gezeigt, wie stabil Verklebungen im Bereich der inneren Organe sind. Das war für mich persönlich der Aha-Moment, dass ich umdenken sollte (erzähle ich im Podcast etwas detaillierter). Natürlich gibt es auch „schwächere“ Faszien oder kleinere „Verklebungen“, aber „fasziale Behandlungen“ der oben genannten Strukturen können dennoch zu einer Schmerzlinderung führen. Der Effekt scheint also ein anderer zu sein. Was passiert dann? Hierzu gibt es mehrere Theorien, die noch nicht abschließend untersucht sind. Vermutlich ist die Erklärung eher im neurologischen Bereich zu suchen. Einen Ansatz bietet hier das Konzept der Neuromodulation, das heißt der Schmerz wird durch einen anderen Reiz überlagert, im Falle von Faszienbehandlungen häufig durch einen anderen Schmerz. Einen anderen Erklärungsansatz habe ich mal in einem Buch über Triggerpunkte gelesen. Leider kenne ich den Titel nicht mehr und muss somit leider auf eine Quellenangabe verzichten. Die Theorie war, dass der Patient in der Behandlung des Triggerpunkts wieder mehr Kontrolle über die Schmerzintensität hat. Er kann jederzeit Stopp sagen, wenn der Schmerz zu intensiv wird und merkt, wie sich der Schmerz im Laufe der Zeit verändert, wenn der Druck mit passender Intensität gehalten wird. Den Unterschied zu kennen ist auch für Dich als Patient wichtig, um nicht dem Noceboeffekt zum Opfer zu fallen. Dieser kann Dich in Deiner Heilung nämlich unglaublich bremsen und zurückwerfen und auch der Placeboeffekt kann den Nachteil mit sich bringen, dass zielführende Therapien hinten angestellt werden. Fazit Faszienrollen und Co. können ein nützliches Tool sein, dass den Schmerz lindern kann, aber nicht über die Wirkmechanismen, die viele Hersteller Dir verkaufen wollen. Stell Dir dieses Tool vielleicht eher wie ein Schmerzmedikament vor, das nicht chemisch wirkt, sondern über mechanische Reize. Es kann Dir vor allem kurzfristig helfen, wenn Du es richtig anwendest. Bei akuten Beschwerden kann es also durchaus nützlich sein, um Schmerzen zu behandeln. Bei länger bestehenden Beschwerden wird es allerdings nur selten ausreichen, die Beschwerden nachhaltig zu behandeln. Hier ist es dann wichtiger herauszufinden, wo die Ursache liegt und welche Faktoren Deine Beschwerden aufrechterhalten. Hierfür können Tools wie ein Schmerztagebuch nützlich sein, um zu verstehen, wo Deine Schmerzen herkommen und was Du dagegen tun kannst. https://youtu.be/FSG60QC-jPg Zum Podcast Quellen (1) https://de.wikipedia.org/wiki/Faszie (2) https://www.physiomeetsscience.net/wissenswertes-ueber-faszien-2020/ (3) Chaudhry, H., Schleip, R., Ji, Z., Bukiet, B., Maney, M., & Findley, T. (2008). Three-dimensional mathematical model for deformation of human fasciae in manual therapy. The Journal of the American Osteopathic Association, 108(8), 379–390. https://doi.org/10.7556/jaoa.2008.108.8.379 Disclaimer Im Text befinden sich sogenannte Affiliate-Links zu Amazon. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für Dich kommt es hierbei zu keinen Mehrkosten, es unterstützt mich lediglich in meiner Arbeit. Etienne RiesWie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries. Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier. Diese Faszination versuche ich sowohl in meiner Arbeit an meine Patienten weiterzugeben, als auch mittels des Blogs und anderer Social Media Formate, wie YouTube… Wenn Du immer auf dem Laufenden bleiben willst, kannst Du Dich auch gerne zu meinem wöchentlichen E-Mail Newsletter anmelden. osteo-ries.de
Zähneknirschen oder was ist eigentlich Bruxismus?
Wenn ich mir anschaue, was ich bei Patienten als Nebendiagnosen finde, dann ist Bruxismus ganz vorne mit dabei. Nächtliches Zähneknirschen bzw. ein Pressen der Zähne ist sehr weit verbreitet. Amboss zum Beispiel geht von einer Häufigkeit zwischen 6 und 20 % in der Gesamtbevölkerung aus. Am häufigsten tritt es im Jugendalter auf, später heraus wird es laut Amboss immer etwas seltener. Definition Bruxismus Bruxismus oder auch Schlaf-assoziierter Bruxismus ist definiert durch meist nächtliches Zähneknirschen oder auch aufeinander Pressen der Zähne, was zu diversen Beschwerden im Bereich des Kiefers führen kann, wie Schmerzen oder auch Steifigkeitsgefühl im Gelenk. Mögliche Beschwerden durch Zähneknirschen Wie schon gesagt, sind Schmerzen oder Steifigkeitsgefühl im Bereich des Kiefers keine Seltenheit und auch ziemlich selbsterklärend. Im Laufe der Zeit werden die Zähne deutlich empfindlicher, da der Zahnschmelz immer weiter abgerieben wird. Normalerweise ist Zahnschmelz die härteste Struktur im Körper. Treffen nun aber zwei feste Strukturen aufeinander, können diese dennoch geschädigt werden. Aber auch andere Beschwerden, wie Probleme im Bereich des Ohrs, verstärkte Müdigkeit oder Kopfschmerzen sind keine Seltenheit und auf den ersten Blick etwas schwieriger zu verstehen. Weitere Zeichen können Zahnabdrücke auf der Zunge bzw. im inneren Wangenbereich sein. Abreibungen an den Zähnen sind glücklicherweise erst später deutlich zu erkennen. Im Zweifel sprich einfach Deinen Zahnarzt darauf an, dieser erkennt den Abrieb deutlich früher. Zwar habe ich Zähneknirschen noch nicht selbst gehört, laut Aussage mehrerer meiner Patienten, ist dieses Geräusch wohl deutlich zu hören. Also frag Deinen Partner/ Deine Partnerin einfach mal, ob ihm/ ihr etwas auffällt. Kopfschmerzen Starten wir mit dem leichtesten Symptom und schauen uns die Anatomie an. Ein typischer Bereich für Kopfschmerzen, die durch Zähneknirschen bedingt werden, ist im Bereich der Schläfen bzw. über dem Ohr. Und genau in diesem Bereich liegt der M. temporalis. Ein sehr flächiger Muskel, der vor allem fürs Zubeißen verantwortlich ist. Wenn Du jetzt die ganze Nacht am Zähneknirschen bist oder die Zähne zusammenpresst, überlastet unter anderem dieser Muskel sehr häufig und schmerzt in der Folge. Ohrbeschwerden Auch viele Probleme im Bereich des Ohrs, wie Ohrgeräusche, Druck auf den Ohren oder auch Hörprobleme lassen sich relativ leicht erklären, wenn wir uns die Anatomie anschauen. Wenn Du kurz überlegst, wie Du beim Fliegen den Druck ausgleichen kannst, wird Dir vermutlich auch Gähnen oder auch Kauen als Problemlösung einfallen. Das Kiefergelenk und der Gehörgang liegen in unmittelbarer Nähe zueinander. Wenn sich also im Kiefer eine hohe Spannung aufbaut, kann sich diese also sehr leicht auf das Ohr übertragen. Hierüber kann dann der Druckausgleich gestört werden, indem die Ohrtrompete (Eustachische Röhre) nicht richtig arbeiten kann. Diese verbindet das Mittelohr und den Nasen-Rachen-Raum. Durch die oben erwähnten Lösungsmöglichkeiten wird die eustachische Röhre im Mund-Rachen-Raum geöffnet und der Druckausgleich kann wieder funktionieren. (2) Auslöser Eine Zeit lang wurde vermutet, dass ein möglicher Auslöser sei, dass die Okklusion nicht richtig stimmt. Unter Okklusion versteht man, dass die Zähne des Ober- und Unterkiefers nicht richtig zusammen passen und der Biss nicht ineinander übergreift nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Sicher ist, dass vor allem Stress ein stark prädisponierender Faktor ist. Im Podcast findest Du auch ein Patientenbeispiel, was zeigt, wie leicht manche Stressoren angegangen werden können. Im Schlaf verarbeitet unser Gehirn den Tag und je mehr Stress vorhanden ist, desto mehr unruhiger wird der Schlaf und desto eher tritt auch Zähneknirschen auf. Behandlung Ein wichtiger Punkt in der Behandlung ist Zahnschutz über eine sogenannte Knirscherschiene. Diese Okklusionsschiene wird individuell vom Zahnarzt angefertigt und sorgt dafür, dass Deine Zähne nicht kaputtgehen. Teilweise können diese auch helfen, die anderen Beschwerden zu verbessern oder auch das Zähneknirschen an sich reduzieren. Wichtiger ist aber, die Ursache anzugehen und den Stress zu lindern. Hierzu findest Du in anderen Artikeln von mir nützliche Tipps oder Du schaust mal auf YouTube vorbei, dort habe ich in einer Playlist verschiedene Entspannungsübungen zum Nachmachen zusammengestellt. Zwar ist es sinnvoll, den Stress insgesamt zu reduzieren, doch hilft es meist am deutlichsten, Entspannungsübungen kurz vor dem Schlafengehen durchzuführen. Je nach Ausprägung Deiner Stressoren bzw. wenn konkrete psychische Probleme vorliegen, möchte ich Dir auch eine ergänzende Psychotherapie ans Herz legen. Möglichkeiten, schnell eine Therapiemöglichkeit zu finden, kannst Du auf der Seite des ärztlichen Bereitschaftsdienstes finden oder unter 116 117. Zudem kann auch Physiotherapie, Logopädie und auch Osteopathie helfen, die Beschwerden zu lindern. Fairerweise sei gesagt, dass diese Behandlungsmethoden nicht das Zähneknirschen lösen können, wohl aber die damit einhergehenden Beschwerden, wie beispielsweise Bewegungsprobleme im Bereich des Kiefergelenks. Für letzteres kannst Du in meinem YouTube-Kanal auch eine Übung finden, wie Du selbst Deinen Kiefer mobilisieren kannst. Es gibt auch medikamentöse Möglichkeiten der Therapie bis hin zu einer Injektion von Botulinumtoxin (Botox) in einen der Kiefermuskeln (M. masseter). Diese werden aber erst angewendet, wenn die nicht-medikamentösen Behandlungsmethoden versagen. Eine weitere Methode, die ich persönlich kritisch sehe, ist ein zurecht Schleifen der Zähne, um die Okklusion zu verbessern. Auch wenn dieses nicht in großem Ausmaß passiert, so sehe ich diese Herangehensweise doch schwierig. Zumal nach wie vor diskutiert wird, ob dieser Fehlokklusion wirklich Zähneknirschen bedingen kann. https://youtu.be/WLE7p46AMng Zum Podcast Quellen (1) https://www.amboss.com/de/wissen/schlaf-assoziierter-bruxismus (2) https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/organe/druck-auf-den-ohren-ursachen-und-schnelle-hilfe/ Etienne RiesWie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries. Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier. Diese Faszination versuche ich sowohl in meiner Arbeit an meine Patienten weiterzugeben, als auch mittels des Blogs und anderer Social Media Formate, wie YouTube… Wenn Du immer auf dem Laufenden bleiben willst, kannst Du Dich auch gerne zu meinem wöchentlichen E-Mail Newsletter anmelden. osteo-ries.de
Heilpraktiker, Osteopath, Physiotherapeut – Was ist was?
Da ich die Frage immer wieder von Patienten und auch meinem Umfeld gestellt bekomme, versuche ich mal in diesem Blogartikel ein wenig Klarheit in die Thematik zu bringen. In einem früheren Artikel hatte ich zwar schon einmal den Begriff Osteopathie versucht zu erklären und was er in meinen Augen bedeutet, allerdings ist dieser Artikel schon wieder etwas her und auch auf die Unterschiede zu meinen beiden eigentlichen Berufen (Heilpraktiker und Physiotherapeut) bin ich noch nicht eingegangen. Mein Werdegang Da ich jetzt aber nicht einfach nur berufsrechtliche Dinge herunter rattern will, werde ich versuchen das ganze anhand meiner Vita zu erklären. Hierüber lassen sich vielleicht auch einzelne Punkte besser verstehen, da sich hoffentlich ein stimmiges Gesamtbild am Ende ergibt. Physiotherapie Da mein erster beruflicher Plan nicht geplant hatte (Polizei), wusste ich nach dem Abitur erstmal nicht so ganz, was ich machen soll. Sodass ich den Wehrdienst nutzte, um für mich Klarheit zu schaffen. Meine Wahl fiel auf die Physiotherapie, obwohl ich ehrlicherweise wenig Ahnung hatte, was das eigentlich genau beinhaltete. Damals wusste ich aber, dass ein Job im Büro mich nicht glücklich machen würde und ich nach Möglichkeit den Sport irgendwie einbringen wollte. Bei einem Physiotherapeuten war ich damals noch nie selbst in Behandlung. Die Frage war dann Ausbildung oder Studium. Zum damaligen Zeitpunkt kostete beides noch an den meisten Schulen Geld (was erst vor einigen Jahren abgeschafft wurde). Meine naive Denkweise und auch ein Stück weit die meiner Eltern war, dass das Abi ja nicht umsonst gewesen sein sollte, sodass die Wahl auf das Studium fiel. Zum damaligen Zeitpunkt war das Studium noch ein Pilotprojekt und der Abschluss erfolgte über die Niederlande. Worüber ich im Nachgang aus diversen Gründen sehr dankbar bin. Nach wie vor, koexistieren beide Möglichkeiten, sowohl das Studium (4 Jahre), als auch die Ausbildung (3 Jahre). Beendet wird sowohl die Ausbildung, als auch das Studium (mittlerweile) mit dem Staatsexamen, es gibt also eine gesetzliche Regelung. Durch meinen Abschluss über die Niederlande musste ich selbst damals übrigens kein Staatsexamen machen. In Deutschland dürfen Physiotherapeuten nur auf Anweisung eines Arztes arbeiten, was mich zum Teil schon in den Praktika zu wurmen begann. Im Studium wurde uns sehr viel über Diagnostik beigebracht und auch Grenzen unserer Diagnostik, die eine weitere Abklärung bedurften wurden klar aufgezeigt. Das lag unter anderem daran, dass unser Studium nach niederländischem Curriculum aufgebaut war und in den Niederlanden Physiotherapie Patienten auch ohne vorherigen Arztkontakt behandeln dürfen. Die einzigen Ausnahmen sind Wellnessangebote wie Massagen oder wenn der Physiotherapeut die sektorale Heilpraktikererlaubnis oder den „großen“ Heilpraktiker hat. Was mich auch ärgerte war der Punkt, dass ich für viele Dinge ein Zertifikat brauchte, um es in Behandlungen anwenden zu dürfen, obwohl ich diese Themen ausgiebig während des Studiums im Unterricht gelernt hatte. So dürfen beispielsweise Manuelle Lymphdrainage, Manuelle Therapie, Krankengymnastik am Gerät und auch neurologische Behandlungen (KG ZNS) nur nach entsprechenden Fortbildungen von Physiotherapeuten erbracht und abgerechnet werden. Eine weitere Methode (Dry Needling), die ich in einem meiner Praktika in der Schweiz kennenlernen durfte, durfte ich in Deutschland als Physiotherapeut überhaupt nicht anwenden, sondern muss dafür Heilpraktiker sein. So wurde mir schon während der letzten Praktika klar, dass für mich irgendwann die Heilpraktikerprüfung anstehen würde, dazu aber später mehr. Obwohl viele, vor allem ältere Patienten, Physiotherapie häufig mit Massagen gleichsetzen, so ist die Massage eigentlich das, was bei der Physiotherapie eigentlich den geringsten Teil ausmacht. Die größte Evidenz (Wirksamkeitsnachweise) gibt es im Bereich der aktiven Therapiemaßnahmen, diese sind auch (wenn der Patient Zu Hause mitarbeitet) oft am nachhaltigsten. Osteopathie Bei vielen meiner Patienten konnte ich zwar schon in den Praktika und auch am Anfang meiner Berufszeit gute Erfolge erzielen. Manchmal stieß ich allerdings an Grenzen oder hatte das Gefühl, dass es doch besser gehen müsse, sodass ich irgendwann auf die Osteopathie stieß. Als ich während des Wehrdienstes nach Physioschulen suchte, stieß ich zwar zwischendurch auch schonmal auf diesen Begriff, allerdings schreckten mich hier die Kosten der Ausbildung noch zu sehr ab. In Deutschland gibt es zum Teil primäre Ausbildungen und auch Studiengänge im Bereich der Osteopathie. Vielfach sind es allerdings Physiotherapeuten, Ärzte oder Heilpraktiker, die diese Therapieform in einer Weiterbildung erlernen. Die Weiterbildungen sind sehr unterschiedlich aufgebaut, oftmals dauern sie zwischen 4 und 5 Jahren. Es gibt vereinzelt allerdings auch deutlich kürzere, mit deutlich weniger Inhalt. Als Patient kann es schwer sein, hier jemand qualifizierten zu finden. Ein Qualitätsmerkmal sind die, für die gesetzlichen Krankenkassen relevanten 1350 Unterrichtsstunden, die auch zur Mitgliedschaft in einem Berufsverband berechtigen. In meinem Falle ist das der hPO(Berufsvereinigung für heilkundlich praktizierte Osteopathie e.V.). Was ich in meiner Weiterbildung noch sehr verlockend fand war, dass ich währenddessen auch die Zertifikate für Manuelle Therapie und Krankengymnastik am Gerät erhalten konnte und auch eine Vorbereitung auf die Heilpraktikerprüfung beinhaltet war. Da Osteopathie bereits in mehreren Gerichtsurteilen als Heilkunde definiert wurde, ist es rechtlich nur Ärzten und Heilpraktikern erlaubt diese am Patienten anzuwenden. Auch wenn es oftmals so wirken mag, Osteopath ist in Deutschland kein eigener Beruf. In Hessen gab es zwar zeitweise eine staatliche Weiterbildungsordnung, diese lief aber mit meinem Ausbildungsjahrgang aus. Dafür scheine ich irgendwie ein Händchen zu haben, denn auch in meinem Physiotherapiestudium war ich der letzte Jahrgang an der Hochschule, der den Abschluss über die Niederlande machte. In der osteopathischen Behandlungen kommen größtenteils passive Maßnahmen zum Einsatz. Aktive Methoden sind seltener, bei vielen Therapeuten wird allerdings der osteopathische Behandlungsansatz mit anderen Intervention kombiniert (so auch bei mir), um die Behandlungen noch mehr an die individuelle Situation des Patienten anzupassen. Was ich persönlich an der osteopathischen Denkweise sehr schätze ist, dass versucht wird, die „Baustellen“ am Körper zu finden, über die auch andere Bereiche beeinflusst werden. Man versucht sich also der Ursache des Problems einen weiteren Schritt anzunähern. Es kann also zum Beispiel sinnvoll sein, einen anderen Bereich in den Behandlungen mehr in den Fokus zu nehmen, als den der aktuell Schmerzen verursacht. Diese Ketten sind teilweise sehr naheliegend, manchmal aber auch etwas schwierigier zu erkennen. Die Kunst liegt dann darin realistisch zu bleiben und nicht direkt bei Zahnschmerzen den kleinen Zeh zu behandeln.