Dry Needling bei Schmerzen und Verspannungen – fundiert erklärt

Dry Needling Blogartikel

Ich glaube, es gibt kaum eine Behandlungsmethode, die so schlicht aussieht und gleichzeitig so schnell und effektiv funktionieren kann, wie Dry Needling. Eine feine Nadel, ein gezielter Stich – und plötzlich soll sich ein tief sitzender Schmerz verändern? Für viele klingt das erstmal ungewöhnlich. Vielleicht hast Du selbst schon mal von Triggerpunkten gehört – kleinen, schmerzhaften Muskelverhärtungen, die Bewegung einschränken und Beschwerden auslösen können. Und vielleicht wurde Dir gesagt: „Da hilft nur Wärme, Massage, Ruhe oder Dehnen.“ Aber wusstest Du, dass eine gezielte Reizung dieser Punkte – mit einer Nadel, ganz ohne Medikamente – oft genau das Richtige sein kann, um den Teufelskreis aus Schmerz und Verspannung zu durchbrechen? In diesem Artikel schauen wir uns gemeinsam an, was Dry Needling eigentlich ist, wie es funktioniert, warum es nicht mit Akupunktur verwechselt werden sollte – und für wen es wirklich sinnvoll sein kann. Außerdem erfährst Du, wer es anwenden darf, worauf Du achten solltest und was Du realistisch erwarten kannst. Was ist Dry Needling? Alles zur Methode, Wirkung und Anwendung Was ist Dry Needling? Dry Needling ist eine moderne, evidenzbasierte Therapieform zur gezielten Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten – das sind schmerzhafte Muskelverhärtungen, die Beschwerden im gesamten Bewegungsapparat auslösen können und häufig auch in andere Körperregionen ausstrahlen. Mit einer sehr feinen, sterilen Akupunkturnadel wird der Triggerpunkt präzise angesteuert – ohne Medikamentenzugabe, daher der Begriff „dry“ (trocken). Spannend ist, dass Dry Needling sowohl kurz- als auch mittelfristig so effektiv zu sein scheint, wie Kortison. (1) Langfristig ist allerdings der Vorteil, dass Du nicht die Nebenwirkungen von Kortison in Kauf nehmen musst. Im Gegensatz zur klassischen Akupunktur basiert Dry Needling nicht auf energetischen Konzepten, sondern auf funktionell-anatomischen Grundlagen. Es geht gezielt um die Behandlung gestörter Muskelareale, nicht um Meridiane oder Energieflüsse. Die Methode ist besonders bei chronischen Muskel- und Gelenkbeschwerden wirkungsvoll und kann in vielen Fällen helfen, langanhaltende Schmerzen zu reduzieren oder sogar ganz zu beseitigen (2, 3). Oftmals ist die Methode vor allem dafür unglaublich effektiv, einen Einstieg in Aktivität und Bewegung zu ermöglichen. Hierüber kann dann ein Behandlungserfolg langfristig gesichert und ausgebaut werden. Was sind eigentlich Triggerpunkte? Triggerpunkte sind lokal begrenzte Muskelverhärtungen, die sowohl lokale Schmerzen als auch ausstrahlende Beschwerden verursachen können. Sie lassen sich oft als kleine, druckempfindliche Knoten oder Stränge im Muskelgewebe ertasten. Diese Punkte entstehen häufig durch: chronische Fehlhaltungen oder statische Belastungen körperliche Überbelastung oder einseitige Bewegungsmuster Unterkühlung Gelenkveränderungen emotionale Anspannung, Dauerstress oder Schlafmangel Triggerpunkte blockieren normale Bewegungsabläufe, schwächen betroffene Muskelgruppen und können über längere Zeiträume chronische Schmerzsyndrome verursachen. Sie beeinflussen zudem nicht nur das Muskelgewebe selbst, sondern auch Gelenkfunktionen und das gesamte myofasziale Netzwerk (4, 5). Wenn Du mehr über Triggerpunkte wissen möchtest, schau Dir gerne nochmal meinen separaten Blogartikel zum Thema an. Wie wirkt Dry Needling? Beim Einstechen in einen aktiven Triggerpunkt kommt es häufig zu einer lokalen Zuckungsreaktion (Twitch Response) – eine reflektorische Muskelkontraktion, die für einen Moment spürbar ist. Diese Reaktion gilt als Zeichen dafür, dass der Triggerpunkt präzise getroffen wurde und beginnt, sich zu entspannen. Allerdings muss es nicht immer zu einem Zucken kommen und dieses ist für den Behandlungserfolg auch nicht zwingend erforderlich. Es gibt auch Ansätze, die versuchen, die Faszien, also die Hüllstrukturen der Muskulatur zu behandeln oder aber zum Beispiel auch Narben. Die Nadelung führt zu: Entspannung des betroffenen Muskelgewebes verbesserter Mikrozirkulation und Durchblutung Senkung der lokalen Schmerzempfindlichkeit und Reduktion nozizeptiver Reize Veränderung von zentralnervösen Schmerzmustern Diese Wirkung ist meist schnell spürbar – viele Patient:innen berichten bereits nach wenigen Minuten über eine deutliche Verbesserung der Beweglichkeit oder Schmerzreduktion. Die lokale Reizung kann zudem biochemische Prozesse in Gang setzen, die Heilung und Regeneration fördern (6, 7). Mehr als Nadeln: Was macht die Therapie nachhaltig Triggerpunkte sind oft Symptome, nicht die Ursache. Deshalb ist es entscheidend, Dry Needling nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines umfassenden Therapiekonzepts. Für eine nachhaltige Wirkung gehören immer auch Lebensstil- und Alltagsfaktoren in die Betrachtung: gezielte Bewegungsübungen zur Reaktivierung der Muskulatur (deswegen kriegen meine Patienten von mir immer Übungen in Videoform an die Hand) regelmäßige Bewegung zur Förderung des Stoffwechsels Stressreduktion, Achtsamkeitstraining und Atemarbeit (auch hierzu gibt es verschiedene Übungen von mir in Videoform) ausreichend Schlaf und eine nährstoffreiche Ernährung Nur wenn wir die Hauptursachen für die Überlastung oder Verspannung erkennen und adressieren, kann sich der Therapieeffekt langfristig stabilisieren. Dry Needling gibt dem Körper den nötigen Impuls zur Selbstregulation – aber die nachhaltige Veränderung entsteht im Zusammenspiel mit Deinem aktiven Zutun (8, 9). Kurz zur Geschichte Die Methode des Dry Needling geht auf die Arbeiten von: Dr. Janet G. Travell & Dr. David G. Simons zurück, die in den 1940er Jahren die myofaszialen Triggerpunkte systematisch beschrieben und ihre Schmerzprojektionen kartierten. Quasi die Begründer der Triggerpunktbehandlungen (10) Dr. Karel Lewit, einem tschechischen Neurologen, der erkannte, dass auch eine trockene Nadelung ohne Medikamentenapplikation therapeutische Effekte haben kann (11) Dr. Peter Baldry, der die Methode in Großbritannien weiter etablierte und klinisch verbreitete (12) Seit den 1980er-Jahren hat sich Dry Needling kontinuierlich weiterentwickelt und ist heute Bestandteil vieler internationaler Schmerztherapie-Konzepte. Wer darf Dry Needling anwenden? In Deutschland ist die Rechtslage ziemlich eindeutig: Nur Ärzte und Heilpraktiker dürfen Dry Needling anwenden, da es sich um eine invasive Maßnahme handelt, bei der die Haut verletzt wird. (13) In anderen Ländern, wie zum Beispiel der Schweiz ist es auch Physiotherapeuten nach einer entsprechenden Ausbildung erlaubt, Dry Needling anzuwenden. Auch eine ganzheitliche Sichtweise und die Integration in ein umfassendes Therapiekonzept sind entscheidende Qualitätsmerkmale, auf die es sich zu achten lohnt. Übrigens war das Kennenlernen von Dry Needling in einem Praktikum in der Schweiz während meines Physiotherapiestudiums ursprünglich mal einer der wichtigen Gründe, warum ich Heilpraktiker werden wollte. Gibt es Risiken beim Dry Needling? Grundsätzlich ist Dry Needling sehr sicher, wenn es von entsprechend geschulten Behandlern durchgeführt wird. Dennoch kann es – wie bei jeder körpernahen Maßnahme – zu leichten Nebenwirkungen kommen: Muskelkaterähnliche Schmerzen an der behandelten Stelle (1–2 Tage), der auch bei manueller (händischer) Triggerpunktbehandlung oder Massagen auftreten kann kleine Hämatome oder Blutergüsse Gelegentlich: vegetative Reaktionen wie Schwindel, Frösteln oder kurzfristige Kreislaufreaktionen In sehr seltenen Fällen: Infektionen oder Verletzungen tieferer Strukturen bei unsachgemäßer Anwendung

Sehnentraining – warum fordern manchmal besser hilft

Thumbnail zu Sehnentraining und wie es funktioniert

In früheren Artikeln haben wir uns bereits angesehen, wie sich Sehnenprobleme zum Beispiel durch einen Golferellenbogen oder Läuferknie bemerkbar machen können. Allerdings haben wir uns noch nicht im Detail angesehen, wie ein gezieltes Sehnentraining ablaufen sollte, um die Beschwerden effektiv loswerden zu können. In diesem Artikel schauen wir uns gemeinsam an, warum Sehnen anders trainiert werden müssen, als Muskulatur und wie ein Sehnentraining gestaltet werden sollte. Auch gehe ich darauf ein, warum Dehnen manchmal kontraproduktiv sein kann. Wenn Dich nur die Trainingsparameter interessieren, dann kannst Du auch über das Inhaltsverzeichnis zum Abschnitt „Isometrisch oder dynmaisch? Zwei Wege zum Ziel im Sehnentraining“ springen und abkürzen. Warum tut’s immer noch weh? Sehnenschmerzen gehören zu den hartnäckigsten Beschwerden im Bewegungsapparat. Ob an der Achillessehne, der Patellasehne, im Ellenbogen oder in der Schulter: Vielleicht gehörst auch Du zu den vielen Betroffenen die gefühlt bereits alles versucht haben – Dehnen, Schonen, ein bisschen Bewegen – doch der Schmerz bleibt. Die Enttäuschung ist groß und die Verunsicherung wächst: „Was mache ich falsch?“ Die überraschende Antwort: Sehnen brauchen gezielte, kräftige Reize, um sich zu regenerieren. Einfach nur Schonung reicht in den seltensten Fällen. Sie kann zwar manchmal einen leichteren Einstieg bieten, um die Schmerzen zu lindern, langfristig ist allerdings ein gezieltes Sehnentraining einer der wichtigsten Punkte. Was Sehnen wirklich brauchen, um sich zu verändern Sehnen bestehen aus straffem Bindegewebe und sind deutlich schlechter durchblutet als Muskeln. Ihr Stoffwechsel ist langsamer, ihre Reaktionszeit auf Trainingsreize entsprechend träge. Wenn Du glaubstt, ein paar einfache Mobilisationsübungen würden ausreichen, wirst Du oft enttäuscht. Es braucht intensive, wiederholte Reize – allerdings ohne die Schmerzschwelle zu überschreiten. Hier kommt das Prinzip der schmerzfreien Maximalkraft ins Spiel: Die Belastung soll fordernd sein, aber nicht zu viel werden. Das bedeutet: Du trainierst nahe an Deiner Grenze, aber immer so, dass Du Dich dabei sicher fühlst. Regelmäßigkeit und Geduld sind hier entscheidend. Eine kurzfristige Lösung gibt es nicht, dafür aber nachhaltige Ergebnisse, wenn Du dranbleibst. In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, dass Patienten vor allem Klarheit brauchen: Was darf ich tun? Was sollte ich lassen? Und ja, das hohe Gewicht ist richtig und sinnvoll, das 1 Kilo Gewicht für Beinübungen wird nicht reichen. Als Therapeut begleite ich Dich dabei gern mit einem individuell abgestimmten Trainingsplan, der nicht nur auf Deine Beschwerden, sondern auch auf Deine Alltagssituation und Deine Belastbarkeit Rücksicht nimmt. Oft braucht es anfangs vor allem eines: Sicherheit. Zu wissen, was Du Deinem Körper zutrauen kannst, macht einen großen Unterschied. Isometrisch oder dynamisch? Zwei Wege zum Ziel im Sehnentraining Beim isometrischen Training wird die Muskulatur angespannt, ohne dass eine Bewegung stattfindet. Zum Beispiel, indem du gegen eine Wand drückst oder eine Position unter Spannung hältst. Diese Methode ist besonders am Anfang geeignet, wenn die Sehne empfindlich reagiert, erfahrungsgemäß ist das isometrische Training hier oft besser verträglich. Ich orientiere mich zu Beginn meist an an den folgenden Trainingsparametern, die ich aus dem Buch Diagnose Sportunfähig von Chris Eikelmeier (2021) entnommen habe. Die Parameter sind auch der sogenannten Berliner Methode sehr ähnlich, also den Ergebnissen der Studien von Arampatzis et al. Das dynamische und isometrische Training haben eine klare Gemeinsamkeit, Du trainierst alle 3 bis 4 Tage, denn Deine Sehnen brauchen eine ausreichend lange Pause nach dem Sehnentraining. Beim isometrischen Training führst Du idealerweise 3 Sätze durch mit je 5 Anspannungen zu 3 Sekunden und 3 Sekunden Pause zwischen den Anspannungen. Nach den 5 Anspannungen machst Du eine Pause von bis zu 2 Minuten. Die Intensität liegt bei ca. 90% der schmerzfreien Maximalkraft. Das Gewicht darf und soll also hoch sein. Das dynamische Training sollte möglichst langsam durchgeführt werden, also mit ungefähr 4 Sekunden für jede Auf- und Abbewegung (exzentrische und konzentrische Phase). Hier werden 3 bis 4 Sätze zu je 3 bis 4 Wiederholungen durchgeführt. Die Satzpause liegt hierbei bei 30 bis 60 Sekunden und die Intensität bei 60 bis 90% der schmerzfreien Maximalkraft. Vergleich: Verschiedene Trainingsansätze im Sehnentraining Methode Belastungstyp Wiederholungen & Sätze Intensität Satzpause Isometrisch Halten unter Spannung 3 Sätze à 5 Anspannungen zu 3 Sekunden, mit 3 Sekunden Pause ca. 90 % der schmerzfreien Maximalkraft bis 2 Minuten Dynamisch Langsame Bewegung mit Last 3–4 Sätze à 3–4 Wiederholungen, Geschwindigkeit ca. 4 Sekunden für jede Auf- und Abbewegung 60–90 % der schmerzfreien Maximalkraft 30 bis 60 Sekunden Diese Tabelle zeigt, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt – sondern vielfältige erprobte Möglichkeiten, das Sehnentraining individuell anzupassen. Je nach Phase, Reizzustand und Zielsetzung kann die richtige Methode ausgewählt und kombiniert werden. Wann welche Methode sinnvoll ist? Isometrisch ist in der Anfangsphase häufig etwas besser verträglich. Dynamisch ist meistens näher dran, an den alltäglichen Belastungen und somit oft ein wichtiges Zwischenziel bzw. erleichtert den Übergang vom Sehnentraining zu den alltäglichen Belastungen. In der Behandlung können wir gemeinsam herausfinden, welche Form des Sehnentrainings für Dich gerade am besten passt – und wie Du Fortschritte erkennst, ohne Dich zu überfordern. Manchmal genügt schon eine kleine Veränderung in Tempo, Ausführung oder Übungsauswahl, um den entscheidenden Unterschied zu machen. In der Therapie prüfen wir gemeinsam, wie Deine Sehne aktuell reagiert und welche Methode zu Dir passt. Was Studien uns lehren über effektives Sehnentraining 🧠 Schaukasten: Die Entwicklung des modernen Sehnentrainings Die Idee, Sehnen gezielt durch Belastung zu stärken, hat sich über Jahrzehnte entwickelt. Hier ein kurzer Überblick über einige Meilensteine: 1984 – Curwin & Stanish: Erste systematische Ansätze mit exzentrischem Training (3×10 Wdh.) zur Behandlung von Tendinopathien. Sie legten den Grundstein für spätere Belastungsprotokolle. 1998 – Alfredson-Protokoll: Exzentrisches Wadentraining mit hoher Wiederholungszahl für Achillessehnenbeschwerden – revolutionär einfach, aber effektiv. 2001 – Silbernagel et al.: Kombiniertes Trainingsmodell (konzentrisch → exzentrisch → plyometrisch), das dynamisch an die Heilungsphasen angepasst wird. 2010er – Heavy Slow Resistance Training (HSR): Auf Basis der Studie von Beyer et al. (2015) entstand ein Trainingsansatz mit langsamer, kontrollierter Belastung bei hoher Intensität. HSR gilt als besonders alltagstauglich, patientenfreundlich und zeigt in Studien vergleichbare oder bessere Ergebnisse als klassische exzentrische Protokolle. Diese Entwicklungen zeigen: Wir wissen heute mehr denn je darüber, wie Sehnen auf Reize reagieren – und wie wichtig es ist, die Trainingsform an die individuelle Situation

Was ist eigentlich Neuraltherapie?

Was ist Neuraltherapie? Blogartikel. Bild mit Procain und eingepackter Spritze

Hast Du schon einmal von Neuraltherapie gehört? Wenn ich nach dem gehe, was manch andere Therapeuten dazu schreiben, klingt es manchmal fast wie eine Wunderwaffe gegen chronische Schmerzen und andere Beschwerden. Das wird definitiv nicht immer der Fall sein, manchmal ergeben sich hierbei allerdings tatsächlich Behandlungsergebnisse, die einen fast an Wunder glauben lassen, vor allem in der Behandlung von sogenannten Störfeldern. Vielleicht kennst Du das ganze auch vom sogenannten Quaddeln beim Arzt, also der lokalen Anwendung. Hier ist der Effekt meist deutlich leichter zu erklären. Der Vorteil bei beiden Ansätzen ist, dass die Beschwerden überwiegend sehr schnell gelindert werden. Ich möchte mit Dir in diesem Artikel gemeinsam betrachten, wie Neuraltherapie angewendet wird, was die Stärken und Schwächen sind und auch, was mögliche Wirkmechanismen sind. Wie wurde die Neuraltherapie entdeckt? Die Geschichte der Neuraltherapie beginnt mit den deutschen Ärzten Ferdinand und Walter Huneke. In den 1920er Jahren verabreichten sie ihrer Schwester Procain – und beobachteten etwas Erstaunliches: Ihre Migräne verschwand innerhalb von Sekunden. Geplant war die Gabe von Procain so nicht, denn das Mittel wurde damals, vor allem bei der intravenösen Gabe als potenziell gefährlich angesehen. Diese zufällige Entdeckung legte den Grundstein für eine Methode, die heute in vielen Bereichen erfolgreich eingesetzt wird – vor allem zur Behandlung von Schmerzen und Funktionsstörungen. Procain ist nach wie vor das Mittel, was klassischerweise verwendet wird, es gibt aber auch einige andere Mittel, die heutzutage genutzt werden können. Das Sekundenphänomen: Warum wirkt die Neuraltherapie so schnell? Eines der spannendsten Dinge an der Neuraltherapie ist das sogenannte Sekundenphänomen. In der Behandlung ist das einer der Momente, der sehr beeindruckend ist. Sobald das Procain injiziert wurde, stellt sich innerhalb weniger Sekunden eine Besserung der Beschwerden ein. Das ist vor allem dann sehr eindrucksvoll, wenn ein sogenanntes Störfeld behandelt wird. In der Theorie der Neuraltherapie geht man davon aus, dass wenn sich das Sekundenphänomen nicht einstellt, die Stelle, die man für die Behandlung ausgesucht hat, nicht die Richtige war. Ein weiterer Punkt, aus dem vor allem auch Procain heraus wirkt, ist, dass über das Mittel auch der Parasympathikus als Teil des vegetativen Nervensystems aktiviert wird. Die zwei Hauptansätze der Neuraltherapie 1. Lokale Behandlung (Quaddeltherapie) Hierbei wird Procain direkt in oder um den schmerzhaften Bereich injiziert. Diese Methode kennst Du vielleicht schon von Hausärzten, wenn z. B. Verspannungen, Gelenkbeschwerden oder akute schmerzhafte Bewegungseinschränkungen behandelt werden. Der Effekt beruht hauptsächlich auf der schmerzlindernden und durchblutungsverbessernden Wirkung des Procain. Auch die Aktivierung des Parasympathikus kann helfen, die Spannung der Muskulatur zu reduzieren und Schmerzen zu lindern. Diese Variante der Neuraltherapie kann auch von gesetzlichen Kassen bezahlt werden, wenn sie von einem Arzt angewandt wird. 2. Störfeldtherapie Manchmal liegt die Ursache für Beschwerden nicht dort, wo Du sie spürst. Narben, alte Entzündungen oder Störfelder im Zahnbereich können sich laut der Neuraltherapie auf andere Körperregionen auswirken. Durch die gezielte Behandlung dieser Störfelder mit Procain können sich Symptome an ganz anderen Stellen des Körpers verbessern, was spannend zu sehen und erleben ist. Dieser Bereich ist nach Meinung vieler gesetzlicher Krankenkassen allerdings nicht ausreichend durch Studien belegt, sodass er nicht erstattet wird. Wann kann die Neuraltherapie helfen? Es gibt diverse Beschwerden, bei denen Neuraltherapie helfen kann, allerdings lässt sich nur schwer anhand von Symptomen sagen, ob die Behandlung damit sinnvoll ist oder nicht. In akuten Schmerzsituationen, wie dem klassischen, nächtlichen „Nacken verlegen“ oder einem einfachen „verheben“ kann vor allem das Quaddeln oft sehr gut helfen, eine gute Unterstützung sein, um wieder in die Bewegung zu kommen. Wichtig ist allerdings, dass in einer gründlichen Untersuchung abgeklärt wird, ob strukturelle Schäden vorliegen, die anders behandelt werden sollten, als funktionelle Störungen. Wenn der Beginn von Beschwerden zeitlich nahe mit der Entstehung von Narben oder größeren Zahnbehandlungen, wie Wurzelbehandlungen zusammentrifft. Bei der osteopathischen Untersuchung teste ich, wenn ich das Gefühl habe, dass ein Störfeld, wie zum Beispiel eine Narbe verantwortlich für die Beschwerden sein könnte, wie groß der Einfluss auf die aktuellen Beschwerden ist. Fazit Die Neuraltherapie ist eine der Behandlungsoptionen, die ich in meinem therapeutischen Werkzeugkoffer nicht mehr missen möchte. Natürlich ist es nicht so, dass sich hierüber alle Probleme lösen lassen und in meinen Behandlungen ist die Neuraltherapie nahezu nie der alleinige Therapieansatz. Im zugehörigen YouTube-Video bzw. Podcast gehe ich auch noch darauf ein, was in meinen Augen ein möglicher Erklärungsansatz für den Behandlungserfolg ist. Diesen hier im Text auszuführen, würde sich leider als etwas komplizierter gestalten. https://youtu.be/xf9gOHYl9Is Zum Podcast Quellen https://www.dr-gerd-kelly.de/content/gesundheitsleistungen/spezielle-leistungen/neuraltherapie-nach-huneke/geschichte-der-neuraltherapie-nach-huneke/index.html (Zugriff am 27.03.2025) https://flexikon.doccheck.com/de/Neuraltherapie (Zugriff am 27.03.2025) Fischer, L., & Pfister, M. (2010). Wirksamkeit der Neuraltherapie bei überwiesenen Patienten mit therapieresistenten chronischen Schmerzen. Schweizerische Zeitschrift für Ganzheitsmedizin / Swiss Journal of Integrative Medicine, 19(1), 30–35. https://doi.org/10.1159/000283620 Etienne RiesWie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries. Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier. Diese Faszination versuche ich sowohl in meiner Arbeit an meine Patienten weiterzugeben, als auch mittels des Blogs und anderer Social Media Formate, wie YouTube… Wenn Du immer auf dem Laufenden bleiben willst, kannst Du Dich auch gerne zu meinem wöchentlichen E-Mail Newsletter anmelden. osteo-ries.de

Der Darm als Schlüssel zu Deinem Immunsystem

Die Zusammenhänge zwischen Darm und Immunsystem. Warum der Darm einen so großen Anteil am Immunsystem hat und wie Du das Immunsystem über den Darm stärken kannst.

Laut Paracelsus liegt „der Tod […] im Darm“ und auch einer der bekanntesten Ärzte Hippokrates soll gesagt haben: „Der Darm ist der Vater aller Trübsal“. Es scheint also schon länger bekannt zu sein, dass der Darm eine wichtige Säule für Deine Gesundheit darstellt, aber wieso eigentlich genau? Dass Du über den Darm verschiedenste Nährstoffe aufnimmst, dürfte Dir vermutlich bekannt sein, das ist eine der wichtigsten Funktionen, vor allem des Dünndarms. Auch hierüber lässt sich bereits das Immunsystem positiv, aber auch negativ beeinflussen. Es gibt aber auch ein paar Faktoren, die einen direkteren Einfluss auf Dein Immunsystem haben oder auch Teile, mit denen der Darm direkter Teil des Immunsystems ist. In diesem Artikel erfährst Du, diese Zusammenhänge aussehen und welcher Einfluss Deinerseits auf ein stabiles Immunsystem möglich ist. Wir schauen uns hierzu an, wie Du verschiedene Nährstoffe, Prä- und Probiotika, aber auch andere therapeutische Ansätze, wie zum Beispiel auch Osteopathie nutzen kannst, um Deinen Darm und Dein Immunsystem zu unterstützen. Der Darm als Immunzentrum Dein Darm ist viel mehr als nur eine Verdauungsmaschine – er ist ein hochkomplexes System, das rund 70 % Deines Immunsystems beheimatet (2). Das bedeutet, dass die Gesundheit Deines Darms entscheidend ist, wenn es darum geht, Dich vor Infektionen und Krankheiten zu schützen. Eine der wichtigsten Funktionen des Darms ist die Barrierefunktion, die wir uns im letzten Artikel schon angeschaut haben. Stell Dir Deinen Darm wie eine Burgmauer vor, die verhindert, dass unerwünschte Eindringlinge in Deinen Körper gelangen. Diese Barriere besteht aus verschiedenen Schichten: Die Darmschleimhaut: Sie produziert Schleim, der Bakterien, Viren und andere Krankheitserreger abfangen kann. Die Darmepithelzellen: Sie sind dicht miteinander verbunden, um eine physische Barriere gegen schädliche Substanzen zu bilden. Allerdings ist diese Barriere nicht immer gänzlich geschlossen, sondern wird zum Beispiel für die Nährstoffaufnahme geöffnet. Das Darmmikrobiom: Billionen von nützlichen Bakterien helfen dabei, schädliche Keime in Schach zu halten und das Immunsystem zu trainieren. Peyer-Plaques: Die Wächter Deines Immunsystems Eine weitere wichtige Rolle spielen die sogenannten Peyer-Plaques. Diese Ansammlungen von lymphatischem Gewebe befinden sich im Dünndarm und dienen als eine Art Kontrollstation für Dein Immunsystem. Sie „überwachen“ den Darminhalt, identifizieren potenziell schädliche Substanzen und helfen dabei, die Immunantwort Deines Körpers anzupassen (9). Vereinfacht gesagt, pickt Dein Körper sich hier einzelne Bestandteile aus dem Speisebrei, bewertet diese in Kategorien wie „kenne ich oder nicht“ bzw. auch „gefährlich oder ungefährlich“. Nach dieser Bewertung werden dann entsprechende Immunreaktionen angestoßen oder auch nicht. Das Darmmikrobiom: Dein natürlicher Schutzschild Eine gesunde Darmflora ist entscheidend für eine starke Immunabwehr. Dein Mikrobiom beeinflusst, welche Nährstoffe aufgenommen werden, reguliert Entzündungen und kann sogar das Risiko für Autoimmunerkrankungen senken (8). Des Weiteren hat das Mikrobiom einen Einfluss auf die Darmschleimhaut (kannst Du hier nochmal nachlesen) und beeinflusst den pH-Wert, sowie die Verfügbarkeit von Sauerstoff im Darmmilieu, sodass auch hierüber potenzielle Pathogene gehemmt werden können. Zudem gibt es noch die sogenannte Kolonisationsresistenz. Vereinfacht gesagt heißt das, dass eine ausreichend hohe Menge „positiver“ Darmbakterien dafür sorgen, dass die negativen sich nicht ansiedeln können, der Platz ist also schon belegt. Allerdings können moderne Lebensgewohnheiten wie eine unausgewogene Ernährung, Stress und Antibiotika dieses empfindliche Gleichgewicht stören. Um Dein Mikrobiom zu unterstützen, solltest Du: Probiotische Lebensmittel und Probiotika wie Joghurt, Sauerkraut, Kimchi oder Kombucha in Deine Ernährung integrieren. Wichtig ist, dass diese nicht pasteurisiert sind, am besten selbst machen. Hier können auch Präparate genutzt werden, auch mit bestimmten Bakterienarten, die einen positiven Einfluss auf zum Beispiel die Darmbarriere darstellen können. Präbiotika wie resistente Stärke oder Ballaststoffe aus Wurzelgemüse zu Dir nehmen, um die guten Bakterien zu füttern. Auch hier gibt es natürlich Präparate, die eine praktische Möglichkeit darstellen. Den Konsum von stark verarbeiteten Lebensmitteln reduzieren, da sie entzündungsfördernd wirken können. Ernährung als Schlüssel zur Immunabwehr Die richtige Ernährung kann Deinem Darm helfen, optimal zu funktionieren. Bestimmte Nährstoffe sind besonders wichtig: Zink unterstützt die Schleimhautbarriere und reguliert Entzündungsreaktionen (10). Es kann aber auch das Immunsystem direkt unterstützen und die Dauer von z.B. Erkältungen verkürzen (4) Vitamin D moduliert die Immunantwort und trägt zur Regulierung der Darmflora bei (3). Omega-3-Fettsäuren wirken entzündungshemmend und unterstützen die Darmgesundheit. Vitamin C ist ein Antioxidans und kann einen positiven Einfluss auf das Immunsystem haben (5) Vitamin E ist ähnlich wie Vitamin C ein Antioxidans und kann einen positiven Einfluss auf das Immunsystem haben (6) Auch fermentierte Lebensmittel sind eine hervorragende Möglichkeit, Dein Mikrobiom auf natürliche Weise zu stärken. Stress und Darmgesundheit: Eine unterschätzte Verbindung Dass Stress Dein Immunsystem negativ beeinflussen kann, haben wir uns bereits angeschaut, beim Thema „Krank im Urlaub“. Aber Stress kann auch Deine Darmgesundheit negativ beeinflussen. Chronischer Stress verändert die Zusammensetzung des Mikrobioms und kann direkt die Darmbarriere schwächen, was zu einem „Leaky Gut“ führen kann (7). Um Dein Immunsystem zu unterstützen, kannst Du deshalb Entspannungstechniken wie Meditation, Atemübungen oder Yoga in Deinen Alltag integrieren. Wie Osteopathie Dein Immunsystem stärken kann Neben Ernährung und Stressmanagement kann auch die Osteopathie einen wertvollen Beitrag zur Unterstützung Deines Immunsystems leisten. Osteopathische Behandlungen können: Die Funktion des vegetativen Nervensystems regulieren, das eng mit Deinem Darm verknüpft ist. Durch die Reduktion des Stresses wird auch die Darmbarriere gestärkt. Spannungen im Bauchraum lindern, die die Verdauung und damit die Nährstoffaufnahme beeinträchtigen können. Die Durchblutung und Lymphzirkulation im Bauchraum verbessern, sodass Nährstoffe effizienter aufgenommen werden und Abfallstoffe schneller abtransportiert werden. Studien zeigen, dass osteopathische Behandlungen positive Effekte auf die Darmmotilität und das Immunsystem haben können (1). Eine individuell abgestimmte osteopathische Therapie kann daher helfen, Deine Darmgesundheit langfristig zu verbessern. Fazit: Dein Darm als Schlüssel zu einem starken Immunsystem Die enge Verbindung zwischen Darm und Immunsystem zeigt, wie wichtig eine gesunde Verdauung für Dein Wohlbefinden ist. Mit einer bewussten Ernährung, gezieltem Stressmanagement und teils osteopathischer Unterstützung kannst Du aktiv dazu beitragen, Deine Abwehrkräfte zu stärken. Dein Darm arbeitet jeden Tag für Dich – also sorge gut für ihn! Zum Podcast Disclaimer Im Text befinden sich sogenannte Affiliate-Links zu Amazon und auch Tisso. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für Dich kommt es hierbei zu keinen Mehrkosten, es unterstützt mich aber in meiner Arbeit. Das Gleiche gilt für die verlinkten Produkte von Tisso. Quellen Arienti, C., Daccò, S.,

Was ist ein Leaky-Gut-Syndrom?

Was ist das Leaky-Gut-Syndrom und wie entsteht ein Leaky Gut?

Hast Du schon einmal das Gefühl gehabt, dass Deine Verdauung nicht so funktioniert, wie sie sollte? Oder leidest Du unter unerklärlichen Beschwerden wie chronischer Müdigkeit, Hautproblemen oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten? Dann könnte das Leaky-Gut-Syndrom eine Rolle spielen. Das Leaky-Gut-Syndrom, auch als erhöhte Darmpermeabilität oder „löchriger Darm“ bekannt, beschreibt einen Zustand, in dem Deine Darmbarriere durchlässiger wird als gewöhnlich. Dadurch können schädliche Stoffe wie Toxine, unverdaute Nahrungsbestandteile oder Bakterien in Deinen Blutkreislauf gelangen und dort Entzündungen sowie verschiedene gesundheitliche Probleme verursachen. Was an sich nur nach einem reinen Problem klingt, hat uns in früheren Zeiten allerdings einen evolutionären Vorteil verschafft. Wie dieser aussah, welche Symptome auftreten können und wie auch eine Behandlung aussehen kann, das kannst Du in diesem Blogartikel erfahren. Warum ein Leaky Gut evolutionär sinnvoll war Interessanterweise ist ein gewisser Grad an erhöhter Darmdurchlässigkeit evolutionär betrachtet durchaus sinnvoll. In früheren Zeiten, wenn der Mensch unter starkem Stress stand, handelte es sich meist um Kampf- oder Fluchtsituationen, das heißt der Körper musste maximale Leistung abrufen. Die erhöhte Durchlässigkeit der Darmbarriere in diesen Situationen ermöglichte eine schnellere Nährstoffaufnahme. So konnte Dein Körper in akuten Notlagen effizienter Energie bereitstellen. Heutzutage gibt es jedoch viele Faktoren, die Deinen Darm dauerhaft durchlässig machen und somit gesundheitliche Probleme verursachen können. Auch der akute Stress, der in früheren Zeiten zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmbarrieren führte, die sinnvoll war, kann im Falle von chronischem Stress zum Leaky-Gut-Syndrom führen. Welche Beschwerden könnten auf Leaky Gut hindeuten? Ein durchlässiger Darm kann sich in vielerlei Hinsicht bemerkbar machen: Chronische Verdauungsprobleme (Blähungen, Durchfall, Verstopfung) Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Lebensmitteln Hautprobleme wie Akne, Ekzeme oder Psoriasis Erschöpfung, Migräne und Konzentrationsprobleme (der sogenannte „Brain-Fog“) schlechtere Nährstoffaufnahme und daraus entstehende Mangelerscheinungen Gelenkschmerzen und chronische Entzündungen psychische Veränderungen durch Störung der Darm-Hirn-Achse Viele dieser Symptome sind natürlich nicht ganz eindeutig, sodass es rein anhand der Symptome nicht möglich ist, eindeutig zu sagen, ob ein Leaky-Gut-Syndrom vorliegt. Hierzu braucht es eine gewisse Erfahrung als Behandler und weiterführend eine gezielte Diagnostik, um eindeutig sagen zu können, dass ein Leaky Gut vorliegt. Diagnostik des Leaky-Gut-Syndroms Um die Diagnostik leichter erklären zu können, zunächst mal ein Schema, wie die Barriere im Darm aufgebaut ist und welche Funktion die entsprechenden Labormarker haben, die Erklärung folgt danach. Die Bestimmung der Werte erfolgt mittels Stuhldiagnostik: Darmlumen: Unter Darmlumen versteht man all das, was sich innerhalb des Darmrohres befindet, also vor allem der Speisebrei. Sekretorisches Immunglobulin A (sIgA) Das sIgA wird von Plasmazellen unter der Schleimhaut produziert und bildet die erste Verteidigungslinie gegen Keime, Gifte und Allergene, indem es die Schleimhäute mit einer durchgehenden Schutzschicht überzieht. Wenn sIgA zu niedrig ist, kann dies schneller zu einem Leaky Gut oder auch einer erhöhten Infektanfälligkeit insgesamt führen, da hiervon sämtliche Schleimhäute des Körpers betroffen sind. Ist sIgA hingegen stark erhöht, so spricht das für eine starke Aktivierung des Immunsystems durch zum Beispiel Allergien, Infekte oder auch Keime im Darm. Zonulin Durch Zonulin kann der Körper die sogenannten tight junctions öffnen. Die tight junctions kannst Du Dir vereinfacht gesagt wie Druckknöpfe an Deiner Kleidung oder einer Tasche vorstellen, allerdings zwischen den einzelnen Zellen der Darmwand. Durch Zonulin kann der Körper diese öffnen und den Darm durchlässig machen. Welcher Sinn dahinter steckt, haben wir uns weiter oben bereits angesehen. Wenn dies allerdings zu oft passiert, kann dies langfristig auch zu einem Leaky-Gut-Syndrom führen. Ein körperfremder Stoff, der diese Öffnung auch bewirken kann, ist übrigens Gluten. Hier wird die Barriere allerdings weiter geöffnet, als dies durch Zonulin der Fall wäre. α1-Antitrypsin Normalerweise tritt α1-Antitrypsin nicht im Darm auf, sondern befindet sich im Blut. Auch wenn durch Zonulin die tight junctions normal weit geöffnet werden, erfolgt kein Durchtritt ins Darmlumen. Erst wenn die Öffnungen zu groß werden, kann es dazu kommen, dass α1-Antitrypsin im Stuhl nachweisbar wird. Es ist also ein guter Marker für Darmentzündungen bzw. einen Leaky Gut. Calprotectin Calprotectin wird dann vom Körper freigesetzt, wenn Darmzellen geschädigt werden und Entzündungen im Darm vorliegen. Ursachen für das Leaky-Gut-Syndrom 1. Dysbalance im Mikrobiom Dein Darm beherbergt Billionen von Bakterien, die für Deine Gesundheit eine entscheidende Rolle spielen. Fehlt es an bestimmten nützlichen Bakterien, wie Faecalibacterium prausnitzii oder Akkermansia municiphila wird die Darmschleimhaut nicht ausreichend regeneriert. Das kann zu einer geschwächten Darmbarriere führen. Auch ein Mangel an Bakterien, die sIgA produzieren, kann zu einem Leaky Gut führen. Die Bakterien, die sIgA produzieren, sind hauptsächlich E. coli und Enterococcus specc. Hier gibt es im Vergleich zu den Bakterien, die die Schleimhaut direkt betreffen, auch Probiotika, die E. coli und Enterococcus specc. beinhalten. 2. Schadstoffe und Ernährung Bestimmte Lebensmittelbestandteile und Umweltgifte können Deine Darmbarriere schädigen: Saponine: Diese schäumenden Stoffe in Hülsenfrüchten können Deine Darmwand reizen. Einweichen und richtiges Kochen hilft, sie zu reduzieren. Alkohol: Schädigt die Darmflora und fördert Entzündungen. Gluten: Kann die Barriere öffnen, insbesondere bei empfindlichen Menschen. Sauerteig-Fermentation reduziert das Problem. Zucker und einfache Kohlenhydrate: Füttern schlechte Bakterien und fördern Entzündungen. Reine Fruktose kann zudem zu einer Schädigung der Schutzschicht führen (hiermit ist nicht unbedingt Obst gemeint, sondern eher Säfte oder Fruktosezusätze in anderen Lebensmitteln). Industriell verarbeitete Lebensmittel: Enthalten oft Zusatzstoffe, die Deine Darmgesundheit beeinträchtigen. NSARs: Schmerzmittel aus dieser Gruppe können auch die Darmbarriere schädigen, neben weiterer potenziell negativer Faktoren der Heilung. Bekannte Vertreter sind Ibuprofen oder Aspirin. 3. Chronischer Stress Dauerhafter Stress kann zu einer chronischen Öffnung der Darmbarriere führen. Wenn Du Deinen Stress nicht in den Griff bekommst, kann sich Dein Darm kaum erholen, selbst wenn die restliche Therapie an Dich ideal angepasst ist. Dies ist auch einer der Gründe, warum es teilweise sinnvoll sein kann, Veränderungen peu à peu einzubauen und nicht schlagartig den kompletten Lebensstil umzukrempeln. Therapieansätze bei Leaky Gut 1. Schädliche Faktoren vermeiden Erster Schritt: Reduziere alles, was Deinen Darm zusätzlich belasten könnte. Vermeide Alkohol, stark verarbeitete Lebensmittel, Gluten (vor allem, wenn Du empfindlich darauf reagierst) und Zucker. Die Zubereitung von Hülsenfrüchten, durch 24h einweichen vor dem Kochen, kann die Verträglichkeit deutlich verbessern und durch das Ankeimen wird die Menge schädlicher Stoffe reduziert. Auch ist zum Beispiel ein Sauerteig weniger Glutenhaltig und somit oft deutlich bekömmlicher. Zu Beginn einer Leaky Gut Therapie würde ich allerdings auch

Warum werde ich im Urlaub krank?

Beitragsbild zum Blogartikel „Warum werde ich im Urlaub krank?“. Sandstrand mit Palmen im Hintergrund

Vielleicht kennst Du folgende Situation: Du hast Dich lange auf Deinen Urlaub gefreut, weil Du Dich endlich erholen kannst vom strapaziösen Alltag. Die letzten Wochen und Monate waren der pure Stress, ein Termin jagte den nächsten. Du kommst an, die Anreise klappt super und das Wetter ist perfekt. Die Vorfreude ist riesig und Du hast viele Pläne. Die erste Nacht ist vorbei und statt voller Energie wachzuwerden, tropft die Nase, der Hals ist zu und Du startest mit einer fiesen Erkältung, die Deine Urlaubspläne erstmal komplett über den Haufen wirft. „Aber warum werde ich im Urlaub krank?“, wirst Du Dich jetzt fragen. Während Deines stressigen Alltags, als Dir das Ganze besser in den Kram gepasst hätte, warst Du fit und hast funktioniert. Kaum merkt Dein Körper, dass er eine Chance auf Ruhe hat, wirst Du hingegen krank. Das Phänomen ist keine Seltenheit und tritt beispielsweise auch nach Prüfungsphasen auf. Mir ging es zum Beispiel erst vor kurzem selbst so, als ich vor Weihnachten im Urlaub war. Zuerst Magen-Darm-Probleme und dann ging es direkt mit Erkältung weiter. Es war der erste richtige Urlaub seit etwas mehr als 2 Jahren, was mit Sicherheit ein Teil des Problems war.  Der Grund dafür ist das Stresshormon Cortisol, was einen massiven Einfluss auf das Immunsystem nehmen kann. Wir schauen uns in diesem Blogartikel gemeinsam an, welche Funktion Cortisol hat, warum das Krank werden im Urlaub evolutionär sogar Sinn machte und wie Du dem Problem entgegenwirken kannst. Was ist Cortisol? Cortisol wird vereinfacht oft als Stresshormon beschrieben, da es vor allem in stressigen Situationen ausgeschüttet wird. Hier ist es auch egal, ob es sich um psychischen oder physischen (körperlichen) Stress handelt, für Deinen Körper macht das keinen Unterschied. Wenn wir uns Cortisol genauer anschauen, zählt es zu den Glucocorticoiden, einer Gruppe von Hormonen, die in der Nebennierenrinde produziert wird. Die Gruppe der Glucocorticoide hat ihren Namen übrigens daher, da sie einen Einfluss auf den Glucosestoffwechsel haben. Doch nicht nur in stressigen Situationen schüttet Dein Körper Cortisol aus. Auch im Tagesverlauf schüttet Dein Körper in unterschiedlichen Mengen aus, vor allem rund um das morgendliche Aufstehen, um Deinen Körper in Schwung zu bringen. Das Stichwort lautet circadianer Rhythmus (am Abend macht Dich dann übrigens Melatonin müde). Cortisol erfüllt im Körper diverse Funktionen, wie zum Beispiel die Hemmung von Insulin an den Zellen, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt (2). Dies sorgt dafür, dass dem Körper in Stresssituationen vermehrt Zucker zur Verfügung steht, was in früheren Zeiten absolut sinnvoll war. Blöd wird es nur, wenn diese Reaktion durch chronischen Stress oder Medikamente wie Kortison (ja, die Ähnlichkeit im Namen kommt nicht von ungefähr) hervorgerufen wird. Weil dies langfristig auch zu einer Insulinresistenz bzw. Diabetes mellitus führen kann (2). Eine weitere Funktion ist ursprünglich sinnvoll gewesen, führt allerdings zu dem Problem, was hinter der Frage „warum werde ich im Urlaub krank“ steckt. Cortisol hat auch einen Einfluss auf das Immunsystem, indem es Entzündungen hemmen kann (auch das wirst Du von Kortison kennen) und unter anderem über eine Hemmung von NF-κB (Protein, das für die Regulation der Immunantwort mitverantwortlich ist) das Immunsystem einbremst. Aber warum werde ich im Urlaub krank? Vereinfacht gesagt kann die Ausschüttung von Cortisol dazu führen, dass Du zwar krank wirst, aber Dein Immunsystem erstmal nicht reagiert und klassische Symptome wie eine laufende Nase und ähnliches zunächst ausbleiben. Vermutlich fragst Du Dich jetzt, wo der Sinn in so einer Reaktion steckt und warum werde ich dann im Urlaub krank, oder? Die Erklärung findet sich (wie auch beim Blutzucker) unter dem Betrachtungswinkel des evolutionären Vorteils.  Wenn wir in früheren Zeiten in Stresssituationen kamen, bedeutete dies meist Kampf oder Flucht, um das Überleben zu sichern. Denkst Du eine laufende Nase oder Husten wären hier hilfreich gewesen?  Unser Körper verschiebt dieses „richtig krank werden“ nach hinten, auf einen Zeitpunkt, zu dem er das Gefühl hat, dass es angebrachter ist, was dann wiederum dazu führen kann, dass Du im Urlaub krank wirst.  Wie kann ich das verhindern? Die Lösung, die meiner Frau direkt in den Sinn kam war, dass wir deutlich öfter Urlaub machen müssen. Das wäre natürlich die Lösung, von der wir alle träumen, oder? Allerdings ist dieser Ansatz für die meisten vermutlich nur zu einem gewissen Grad umsetzbar. Allerdings ist die Idee meiner Frau gar nicht so weit weg von der wirklichen Lösung. Stell Dir Stress und die Reaktionen Deines Körpers vereinfacht wie einen alten Teekessel vor, der pfeift, wenn das Wasser kocht. Der Druck im Kessel, der bei Hitze entsteht, lässt sich mit der Reaktion Deines Körpers auf Stress vergleichen. Die Hitze, die den Kessel aufheizt, ist mit Stress vergleichbar und das Ventil, das pfeift, sind Möglichkeiten den Stress abzubauen wie Urlaub, Meditation, progressive Muskelentspannung, Boxbreathing oder andere Entspannungsmethoden. Wenn der Teekessel nicht das Ventil hätte, würde er irgendwann durch den Druck explodieren. Die andere Option ist, dass Du die Hitze (den Stress) deutlich herunterfährst. Es gibt einige Mittel aus der Gruppe der sogenannten Adaptogene, wie Theanin (Extrakt aus dem grünen Tee), Ashwaganda oder Rhodiola rosea, die einen Einfluss auf die Stressreaktionen Deines Körpers nehmen können. Auch manche Entspannungstees können eine positive Wirkung entfalten, hier sind zum Beispiel Inhaltsstoffe, wie Lavendel, Zitronenmelisse, Safran oder Baldrian empfehlenswert. Bei Tee kann es auch hilfreich sein, sich wirklich Zeit bei der Zubereitung zu nehmen. Ob es jetzt direkt eine komplette Teezeremonie sein muss, wie diese vor allem in manchen asiatischen Ländern zelebriert wird, ist Dir natürlich freigestellt. Das würde auch mir vermutlich zu lange dauern. Aber alleine schon losen Tee zu verwenden, diesen in ein Teesieb oder Teeei zu füllen und dann zu überbrühen, fordert deutlich mehr Zeit und kann somit eine gewisse Ruhe in Deinen stressigen Alltag bringen. Auch Matcha zuzubereiten, wo Du den gemahlenen Grüntee noch im Wasser schaumig aufrührst, ist eine Zeremonie, die Ruhe und Entschleunigung bringt. Und auch wenn Kaffee mit dem darin enthaltenen Koffein vermutlich für die wenigsten mit Ruhe und Stressreduktion zu tun hat. Hast Du Dir schon mal die Zeit genommen, einen Kaffee per Hand zu mahlen und dann selbst in Ruhe zu überbrühen? Glaub mir,

Wie gelingt der Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung

Leichte Kräftigung zum Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung

Die ersten Wochen des neuen Jahres sind vorbei und statistisch gesehen sind relativ viele Neujahrsvorsätze schon bald wieder dahin. Bei vielen guten Vorsätzen liegt das mit Sicherheit auch an einer ungenauen oder überambitionierten Zielsetzung, so auch beim Thema Sport. Für viele Menschen ist der Beginn des neuen Jahres ein Zeitpunkt, um mit dem Sport neu oder wieder anzufangen, auch wenn ich dieses Jahr bis jetzt noch das Gefühl habe, dass mein Fitnessstudio noch nicht so überfüllt ist, wie sonst. Bei einem Teil der „Neuen“ sieht man aber schon einen klassischen Fehler: zu schnell zu viel. Dieser Fehler tritt vor allem auch bei denjenigen auf, die früher schon mal sportlich aktiv waren und jetzt nach einer Pause wieder einsteigen wollen. Allerdings ist dieses Wissen umso wichtiger, wenn Du Deinen Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung planst. Aus diesem Grund werde ich im folgenden Artikel auch hauptsächlich davon sprechen. Wir schauen uns gemeinsam an, welche typischen Fehler auftreten, wenn man mit dem Sport (wieder) einsteigt, wie Du diese leicht vermeiden kannst und was die Vorteile sind, wenn man mit einem Sport wieder startet, den man schon mal eine Zeit lang regelmäßig gemacht hat. Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung Klar gibt es ein paar wenige, die es schaffen beim Wiedereinstieg in ein Training langsam zu starten oder sogar mit zu geringer Intensität starten. Der Hauptfehler ist mit Sicherheit in einem ruhigen Moment des Nachdenkens auch für Dich klar: mit der alten Trainingsintensität direkt wieder einsteigen. Das gilt nicht nur, wenn Du eine „normale“ Sportpause eingelegt hast, sondern vor allem dann wenn Du einen Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung vor Dir hast. Deload vs. Trainingspause Natürlich funktioniert das, wenn Du nur eine kurze Pause von zum Beispiel einer Woche hattest, wegen einer kleinen Erkältung oder ähnlichem. Warst Du richtig krank oder verletzt, dann ist das wiederum etwas anderes. Bei kurzen Pausen kann sich durch die Pause und Erholung sogar eine Steigerung der Leistungsfähigkeit ergeben, auf neudeutsch nennt man diese Phase auch Deload. In diesem Fall ist damit normalerweise allerdings eine aktive Erholung gemeint, das heißt Du reduzierst die Intensität, trainierst aber weiter. Wenn eine Trainingsphase extrem intensiv war, kann es vielleicht sogar Sinn machen, für 1 oder 2 Wochen eine komplette Trainingspause einzulegen. Diese kann dann helfen, dass Dein Körper sich an den Trainingsreiz anpassen. Das Prinzip der Superkompensation, was Du vielleicht schon von einzelnen Trainingseinheiten kennst, wirkt dann in etwas größerem, zeitlichem Maßstab. Anders sieht es bei einem Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung aus, wenn die Verletzung Dich mehrere Wochen oder gar Monate aus dem Training rausgeworfen hat. Hier kommt es dann zu folgenden Herausforderungen. Nachlassen der Belastbarkeit Wenn vorher einer Pause allerdings der entsprechende Trainingsreiz fehlt oder die Pause zu lange ist, dann passiert etwas anderes, die sportliche Leistungsfähigkeit und auch die sogenannte Kapazität des Gewebes lässt nach. Denn jedes Gewebe des Bewegungsapparats, sei es Knochen, Muskeln oder andere Teile braucht eine passende Belastung, damit es belastbar bleibt und wird. Wenn sich durch eine lange Pause die Belastbarkeit des Gewebes reduziert hat und Du mit einem alten, für den aktuellen Zustand zu hohen, Trainingsreiz einsteigst, ist eine Überlastung nicht selten. Im einfachsten Fall wirst Du den Muskelkater Deines Lebens haben. Wenn es blöd läuft, dann überlastest Du Dir auch die passiven Anteile des Bewegungsapparats, wie die Sehnen, was in der Rehabilitation deutlich länger dauert, als nur den Muskelkater auszukurieren. Wundheilung Im Falle einer Verletzung hast Du noch weitere Gründe, die zu einer reduzierten Leistungsfähigkeit. Im Rahmen der Wundheilung bildet sich zunächst eine Art Übergangsgewebe, das erst im Laufe der Zeit wieder die volle Belastbarkeit erreicht. Eine zu hohe Belastung verträgt dieses zu Beginn noch nicht. Wie lange diese Heilung andauert, ist von Gewebe zu Gewebe verschieden.  Schauen wir uns beispielsweise einen Knochenbruch an, so darf dieser oft nach 6 bis 8 Wochen Entlastung wieder „voll belastet“ werden. Nach dieser Zeit würde ich aber dennoch langsam wieder einsteigen, vor allem je nach Sport. Spielen wir mal eine Schienbeinfraktur durch und schauen uns einen MMA-Kämpfer im Vergleich zu einem Schwimmer an. Was denkst Du, wessen Schienbeinknochen mehr Belastung in der Spitze aushalten muss und dementsprechend nach einem Knochenbruch länger braucht, um wieder zu verheilen? Auch wenn es sich bei beiden um eine jeweilige Vollbelastung handelt. Bleiben wir beim Schienbein und schauen uns mal jemanden an, der 1 bis 2 Mal die Woche 5 km joggen geht und jemanden, der 3 bis 4 Mal die Woche mindestens 10 km joggen geht. Auch hier reden wir von einer jeweiligen Vollbelastung, Sportler Nummer 2 wird aber seine Schienbeine höher belasten. „Ego sagt Ja, Körper sagt Nein“ Das zusammengefasste Zitat von Chris Eikelmeier (1) beschreibt eigentlich das oft größte Problem, wenn Du wieder ins Training einsteigst, sei es nach Verletzung oder einer Pause aus anderem Grund heraus. Die Herausforderung ist vor allem nach einer Trainingspause das Ego nicht gewinnen zu lassen und realistisch darin zu sein, dass Du nach einer gewissen Zeit die Intensität beim Wiedereinstieg reduzieren solltest, vor allem wenn Du nach einer Verletzung wieder einsteigst. Als ich zum Jahresbeginn nach einer knapp 1-monatigen Trainingspause wieder ins Krafttraining eingestiegen bin, habe ich meine Arbeitsgewichte um 5 kg reduziert, bei Übungen wie dem Kreuzheben wäre sogar für die erste Einheit fast noch mehr notwendig gewesen, hier hatte ich aber mein Ego nicht genug im Griff und wurde von einem Trainer im Fitnessstudio auf meine schlechte Technik angesprochen (danke nochmal dafür!). Er hatte zwar nur meine letzten Wiederholungen gesehen, bei denen die Technik dann auch so bescheiden wurde, dass ich selbst den Satz beendet hatte, die vorherigen Wiederholungen waren allerdings auch nicht das Gelbe vom Ei. Sinnvoller wäre es rückblickend betrachtet bei einer Übung, die mir weniger wichtig ist zu schauen, welche Reduzierung mir sinnvoll erscheint und diese prozentual auf die anderen Übungen zu übertragen. Kreuzheben ist allerdings die Übung, die mir mit am wichtigsten ist und dementsprechend lässt hier die Rationalität schnell mal nach. Beim Ausdauertraining tue ich mich dann noch etwas schwerer, da dieses zuletzt keinen großen Fokus bei mir hatte

5 Tipps um Dich auf orthopädische Operationen vorzubereiten

Die ideale Vorbereitung für orthopädische Operationen

Klar, idealerweise wirst Du versuchen eine OP zu vermeiden und auch mein Behandlungsziel ist es, Dich um eine OP herum zu lotsen. Es gibt aber auch am Bewegungsapparat ein paar Gründe, bei denen eine Operation unausweichlich ist, bei denen Du aber eine gewisse Vorbereitungszeit auf die OP hast, die Dir helfen kann, nachher schneller wieder auf die Beine zu kommen. Wir schauen uns zum einen Dinge an, die für OPs mit teilweise langem Vorlauf gelten, wie zum Beispiel Hüft- oder Knieprothesen, aber auch für kürzere Zeiträume gelten können (Sehnenabrisse oder andere Verletzungen, die durch Verschleiß entstehen). Wenn Du eine akute Verletzung hast, die operiert werden muss, kannst Du aber auch ein paar Dinge mitnehmen, die wir uns im späteren Bereich des Artikels anschauen werden. Da ich nicht auf jede einzelne OP eingehen kann, werde ich versuchen, das Ganze möglichst allgemein zu halten. Auch beschreibe ich biochemische Prozesse, die eine Rolle spielen, stark vereinfacht. In meinen Quellen findest Du aber auch Möglichkeiten, Dich weiter in die Tiefen des Kaninchenbaus vorzuarbeiten. Vorbereitendes Training Die OP ist geplant, Du hast aber noch einige Wochen Zeit? Reines Abwarten ist eine Möglichkeit und für manche Patienten auch vermutlich das, was sie zu tun bereit sind. Aber da Du diesen Artikel gerade liest, gehe ich davon aus, dass Du mehr machen willst. Bei OPs, wie beispielsweise nach Sehnen(an)rissen, kommt es durchaus vor, dass Du ein paar Wochen Zeit hast, bis zur Operation. Spätestens wenn bei Dir eine Gelenkersatzoperation (die Klassiker: Knie- bzw. Hüftprothese) ansteht, hast Du oft mehrere Wochen bis teils Monate Zeit, Dich und Deinen Körper darauf vorzubereiten. Du wirst vermutlich keine Rekorde mehr brechen, aber Du hast genug Zeit, einige Defizite auszubessern und auch Dein Körpergefühl zu verbessern. Du lernst schon einmal Übungen kennen, die später in der Reha wichtig werden, sodass Du auch hier schneller im Training vorankommen wirst. Das Training hat unmittelbar vor der OP aber auch zum Beispiel schmerzlindernde Effekte, was gerade bei vielen orthopädischen Beschwerden, eine zentrale Rolle spielt. Denn Schmerzen sind einer der wichtigen Gründe, warum sich Patienten geplanten orthopädischen Operationen unterziehen. Wie das ganze wirkt, kannst Du in diesem Artikel gerne nochmal nachlesen. Vielleicht verstehst Du dann auch, warum Du nach einer Operation nicht nur rumliegen solltest, sondern Dich so bald, wie möglich wieder bewegen solltest. An dieser Stelle kannst Du dann auch gerne nochmal nachlesen, wie Du ein Training während einer Verletzung gestalten kannst und welche positiven Effekte hierüber möglich sind. Wenn Du Dir vielleicht denkst, dass ja sowieso schon die OP geplant ist und Du deshalb im Training einfach Vollgas geben kannst, ohne Rücksicht auf Verluste, denk vielleicht nochmal darüber nach. Klar ist schon ein struktureller Schaden vorhanden und die OP soll diesen reparieren, aber würdest Du mit einem platten Reifen noch ewig weiterfahren, weil Du weißt, dass die Werkstatt diesen flicken wird? Beim Reifen wird Dir vermutlich bewusst sein, dass dann auch noch die Felge und vielleicht mehr kaputtgeht und die Reparatur immer teurer wird. Bei Deinem Körper ist das ähnlich, allerdings zahlst Du dem Operateur nachher nicht einfach mehr Geld, sondern Dein Körper hat mehr Arbeit und Du wirst eventuell länger für Deine Reha brauchen. Aus diesem Grund gilt es bei der Trainingsplanung nachzudenken, wenn Du Dir alleine unsicher bist, dann hol Dir einen Experten an Deine Seite. Ein weiterer Vorteil, den das Training und auch die Ernährung, die wir uns gleich noch anschauen werden, bringt, ist eine Verbesserung der Stoffwechsellage. Hier geht es vor allem um den Blutzuckerspiegel oder um noch genauer zu sein, den HbA1c-Wert. Dieser Wert liefert eine Aussage darüber, wie sich die letzten 3 Monate Dein Blutzuckerspiegel verhalten hat. Vereinfacht gesagt beschreibt er, wie „verzuckert“ ein rotes Blutkörperchen ist. Wenn dieser ständig zu hoch ist, zum Beispiel durch zu viel an vor allem sogenannten leeren Kalorien (geringe Nährstoffdichte) und/oder auch zu wenig Bewegung landest Du irgendwann beim Krankheitsbild Diabetes Typ 2 (sehr stark heruntergebrochen und die genetische Prädisposition mal außen vor gelassen). Spätestens hier sind Wundheilungsstörungen allgemein bekannt, es geht aber schon vorher in Richtung schlechterer Wundheilung los. Bewegung sensibilisiert vor allem die Muskelzellen für Insulin, sodass der Zucker aus dem Blut in die Muskelzelle gebracht wird und dort „verbrannt“ wird, der Blutzuckerspiegel wird hierdurch gesenkt und das rote Blutkörperchen kann nicht mehr „verzuckern“, sodass der HbA1c-Wert niedrig bleibt. Insulin öffnet quasi wie ein Schlüssel die Zellen für den Zucker im Blut und Training verbessert die Insulinsensitivität der Zellen. Auch wird vielfach nach einer OP Deine Muskulatur abbauen, da sie weniger genutzt wird. Vor allem im direkt von der Operation betroffenen Areal spielt das eine große Rolle. Je mehr Du vorher aufbaust, desto mehr kannst Du im Nachhinein davon zehren. Unterstützen kannst Du dies auch noch über den nächsten Punkt. Ernährung Das Thema Insulin hatten wir eben schon beim Thema Training, allerdings hat auch Deine Ernährung einen großen Einfluss, auf den Blutzuckerspiel. Wenn Du mehr zu Dir nimmst, als Du verbrennst, wird dieser steigen und oben bleiben. Auch wenn Du einfache Kohlenhydrate oder Lebensmittel mit leeren Kalorien (kaum oder wenig Nährstoffen) zu Dir nimmst, jagt der Blutzuckerspiegel schnell nach oben, um danach wieder abzufallen. Heißhunger verführt Dich dann dazu mehr und mehr zu Essen, sodass auch dies wieder zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels und mittel- bis langfristig einer schlechteren Wundheilung führt. Es gibt aber neben dem erhöhten Blutzucker/ HbA1c noch ein weiteres Problem, das daraus entsteht: mehr Körperfett. Vor allem, wenn vermehrt sogenanntes viszerales Fett (zwischen den Organen) vorhanden ist, ist dieses auch stoffwechselaktiv und fördert vor allem chronische Entzündungen. Entzündungen sind zwar an sich wichtig für eine Wundheilung, wie wir uns bereits in diesem Artikel angeschaut haben, allerdings unterscheiden sich chronische Entzündungen von akuten Entzündungen und wie bei fast allem ist ein zu viel auch nicht gut. Wenn Du also noch ein paar Kilo zu viel auf den Rippen hast, ist der Zeitraum bis zur OP eine gute Gelegenheit, dieses Problem nochmal anzugehen. Aber uns geht es ja jetzt nicht nur darum, was Du vermeiden sollst, sondern auch darum, wovon Du mehr konsumieren solltest. An oberster Stelle würde

Krafttraining vs. Dehnen, was macht mehr Sinn bei Schmerzen?

Dehnen oder Krafttraining - was macht mehr Sinn bei Schmerzen?

Ich glaube, es gibt wenig Übungsformen, die sich auf den ersten Blick so stark unterscheiden, wie Dehnen und Krafttraining. Dehnen wird meist zum Lockern und Entspannen genutzt, wohingegen Krafttraining eher mit Ermüdung oder auch Anspannung der Muskulatur verknüpft wird. Gerade im Zusammenhang mit Schmerzen oder genauer gesagt der Linderung von Schmerzen, ist vielen von Euch Dehnen vermutlich bekannt und Krafttraining wird bei Schmerzen eher gemieden. Wir haben uns in der Vergangenheit auch schon angeschaut, wie Dehnen zur Schmerzlinderung führen kann. Hartnäckig hält sich leider der Mythos, dass Krafttraining bei Schmerzen schädlich sei und diese noch weiter verschlimmern könne und ja, wenn es falsch eingesetzt wird, ist das definitiv so. Aber wusstest Du, dass auch Dehnen Schmerzen verstärken kann und dass Krafttraining mittlerweile als eine der wichtigsten Ansätze für eine Behandlung von Schmerzen angesehen wird? In diesem Artikel werden wir uns anschauen, wann Dehnen und wann Krafttraining sinnvoller ist und was die jeweiligen Vorteile dieser zunächst gegensinnig erscheinenden Ansätze sind. Wir schauen uns hierzu zunächst an, welche Vor- und Nachteile welcher Ansatz bietet, um dann entscheiden zu können, welcher Ansatz am sinnvollsten ist bzw. ob sich beide nicht ergänzen können. Dehnen Unter der Dehnung eines Muskels wird vereinfacht gesagt verstanden, dass Ansatz und Ursprung voneinander entfernt werden, sodass der Muskel auf Länge gebracht wird. Ab einem gewissen Punkt entsteht hierdurch der typische Dehnreiz. Es gibt mehrere verschiedene Formen von Dehnübungen, wie wir uns bereits hier und hier angeschaut haben. Vorteile Dehnen ist nicht sonderlich anstrengend und kann, schnell helfen, das Gefühl der Anspannung in Muskeln zu reduzieren. Hierüber kann es dann auch zeitnah zu einer Linderung von Schmerzen kommen. Dies geschieht hauptsächlich dadurch, dass der Körper sich an das Dehnungsgefühl gewöhnt und deswegen mehr Bewegung zulässt. Zusätzlich ist Dehnen vermutlich einer der bekanntesten Wege, um die Beweglichkeit zu verbessern, was auch sehr zügig funktionieren kann. Neben diesen bekannten Effekten kann Dehnen auch zusätzlich die Elastizität der Blutgefäße verbessern und (theoretisch) sogar die Maximalkraft. Gerade der letzte Effekt ist allerdings in meinen Augen in der Praxis nicht sonderlich sinnvoll anwendbar, denn die Dehnung muss in einer hohen Intensität sehr lange gehalten werden (bis zu 2h!!!). Was allerdings deutlich besser funktioniert, ist eine Reduzierung des Stresslevels, sodass auch hierüber Schmerzen gelindert werden können. Die Erklärung dafür kannst Du in diesem oder diesem Artikel nochmal nachlesen. Nachteile Es gibt einige Fälle, in denen Dehnen Schmerzen verstärken kann. Sei es bei Irritationen von Nerven oder auch teilweise bei Sehnenreizungen.  Bei Nerven liegt das Problem darin, dass diese nicht so dehnbar sind, wie beispielsweise Muskeln und auf Dehnung von Natur aus sensibel reagieren können. Wenn ein Nerv sowieso schon gereizt ist, würde eine Dehnung hier meist zu einer Verstärkung der Symptome führen. Hier bieten sich dann andere Behandlungsansätze eher an. Im Falle von Sehnenreizungen kann Dehnen manchmal zu einer kurzfristigen Schmerzlinderung führen, in manchen Situationen kann es hierdurch allerdings auch zu einer Schmerzsteigerung kommen, da die Sehne auf eine intensive Dehnung empfindlich reagieren kann. Im Zweifel würde ich in diesem Fall auf Dehnungen eher verzichten. Ein weiterer Nachteil von Dehnen ist, dass es oft nicht zu einer langfristigen Besserung von Beschwerden beiträgt. In vielen Fällen liegt das Problem darin, dass Deine Muskulatur nicht belastbar genug ist und aus diesem Grund immer wieder verspannt und Beschwerden hervorruft (stark vereinfacht erklärt).  Krafttraining Unter Krafttraining werden die Formen von Training zusammengefasst, bei denen die Muskulatur gegen einen Widerstand anspannt. Hier wird hauptsächlich zwischen drei Formen unterschieden: konzentrisch (Muskel zieht sich zusammen) exzentrisch (Muskel arbeitet bremsend und lässt langsam in Richtung Verlängerung nach) isometrisch (Muskel spannt an, es findet aber keine Bewegung statt) Vorteile Auch Krafttraining kann unmittelbar schmerzlindernd wirken, unter anderem durch die Ausschüttung von Endocanabinoiden und auch Endorphinen, schau Dir dazu gerne nochmal folgenden Artikel an. Hierfür ist es dann sogar egal, ob Du die betroffenen Muskeln direkt trainierst oder andere Muskeln, da der Effekt systemisch, das heißt im ganzen Körper auftritt. Wenn es darum geht, schmerzhafte Muskeln oder Sehnen zu trainieren, finde ich häufig isometrisches Training einen sinnvollen Startpunkt, da es oft am besten verträglich ist. Krafttraining hat zudem den Vorteil, dass es langfristig die Belastbarkeit des Bewegungsapparats verbessert, da Gelenke besser ernährt werden (Stichwort Arthrose), Bandscheiben dicker werden können (Stichwort Bandscheibenvorfall) und auch die Muskulatur kräftiger und somit belastbarer wird. Übrigens kann Krafttraining genauso wie Dehnen zu einer Verbesserung der Beweglichkeit führen, solange es wirklich auch über das komplette Bewegungsausmaß durchgeführt wird. Der Vorteil hierbei ist dann, dass Du das neu gewonnene Bewegungsausmaß auch vernünftig aktiv nutzen lernst, was beim Dehnen nicht unbedingt der Fall ist. In manchen Bereichen, wie beispielsweise den Sprunggelenken, finde ich persönlich Krafttraining auch effektiver zu Verbesserung der Beweglichkeit, als Dehnübungen. Nachteile Es gibt Phasen, in denen Krafttraining sinnvoll ist und Dir hilft Deine Schmerzen zu lindern, wenn es allerdings zu früh nach einer Verletzung oder aber zu intensiv durchgeführt wird, kann es zu einer Steigerung der Schmerzen kommen. Wichtig ist also, dass Du weißt, was die Schmerzen bei Dir auslöst, im Zweifel such hierfür bitte einen Experten auf, der Dich dahingehend beraten kann.  Hiermit will ich Dir allerdings keine Angst machen, die haben viele Patienten sowieso schon zur Genüge. Krafttraining ist an sich eine der sichersten Trainingsformen, die die geringste Verletzungsgefahr hat. Solange Du beim Training auf die Reaktionen Deines Körpers achtest, kannst Du in meinen Augen wenig falsch machen. Das Problem ist allerdings, dass die Reaktion manchmal erst nach dem Training auftreten kann. Das ist auch der Grund, warum ich Dir den Rat eines Experten empfehlen würde. Vergleich Wie Du siehst, lassen sich sowohl über Krafttraining, als auch über Dehnen Schmerzen lindern, das ist doch schonmal top. Du kannst also theoretisch die Form nutzen, die Dir lieber ist. Bedenken solltest Du hierbei, dass Dehnen vor allem kurzfristige Effekte hat und Krafttraining neben den kurzfristigen auch langfristige Effekte mit sich bringt, die Nachhaltigkeit zu einer Reduktion Deiner Schmerzen führen kann. Mein persönlicher Rat wäre, beides miteinander zu kombinieren.  Jeden Tag Krafttraining wird schnell zu mehr Problemen führen, als dass es Dich weiterbringt, Überlastungen lassen grüßen. An Tagen, an denen Du kein Krafttraining machst,

Warum mich evidenzbasierte Medizin begeistert

Evidenzbasierte Medizin - was ist das eigentlich?

Jetzt gab es zuletzt eine kleine kreative Pause im Blog und das erste Thema, mit dem ich nach zwei Wochen starte, ist sowas Trockenes, wie evidenzbasierte Medizin. Ich höre schon förmlich Deine Begeisterung oder Du weißt gar nicht, wovon ich rede, auch möglich. An sich ist evidenzbasierte Medizin eigentlich das, was ich als Grundlage für eine ideale Behandlung sehe. In vielen Diskussionen wird Evidenz allerdings als Totschlagargument genutzt und auch leider nur auf eine der drei Säulen heruntergebrochen, was mehr als schade ist. Ach ja und falls Du schon weißt, was evidenzbasierte Medizin ist und Dich jetzt wunderst, warum ich als Osteopath und Heilpraktiker das Thema anspreche: mit meinem Bachelor of Science als Physiotherapeut habe ich schließlich noch einen Ruf zu verlieren. Wenn Du den Artikel gelesen hast, wirst Du unter anderem verstehen, was evidenzbasierte Medizin eigentlich ist und was der riesengroße Vorteil für Dich als Patient ist, wenn Dein Behandler wirklich evidenzbasiert arbeitet. Zusätzlich erfährst Du, welche wichtige Rolle die evidenzbasierte Medizin für Dich als Patient bereithält. Was ist evidenzbasierte Medizin? Falls Du mal in eine Diskussion zwischen verschiedenen Behandlern auf Social Media geraten sein solltest, wirst Du als evidenzbasierte Medizin vermutlich hauptsächlich einen von drei Teilen, die evidenzbasierte Medizin ausmachen, gezeigt bekommen haben: Studien und das Duell wer kann seine Behauptungen bzw. Erfahrungen mit Studien belegen. Wie schon erwähnt macht dies allerdings nur ein Drittel dessen aus, was evidenzbasierte Medizin eigentlich beinhaltet. Die anderen beiden Anteile, nämlich die klinische Erfahrung des Behandlers und auch Deine Erwartungen als Patient werden hierbei nicht berücksichtigt. Keine Sorge, wir schauen uns gleich noch genauer an, was die einzelnen Teile genauer beinhalten und warum sie alle gleichberechtigt sein sollten. Vorher noch kurz ein kleiner geschichtlicher Hintergrund, die evidenzbasierte Medizin wurde vor allem durch Professor Archie Cochrane vorangetrieben, nach dem auch die internationale Cochrane Organisation benannt ist (1). Dieser konnte beispielsweise als Kriegsgefangener 1941 im Zweiten Weltkrieg bei einer Gelbsuchtepedemie in einem Gefangenenlager den Nutzen von B-Vitaminen in Form von Hefe nachweisen (2). Erstmals erwähnt wurde der Begriff 1793 in einem Artikel des schottischen Arztes George Fordyce („An Attempt to Improve the Evidence of Medicine“) (3). Eine der ersten kontrollierten klinischen Studien wurde 1753 vom Schiffsarzt James Lind veröffentlicht, der die Behandlung von Skorbut mit Orangen und Zitronen untersuchte (2, 3), dieser war auch eines der Vorbilder von Cochrane (2). Hierzulande vielleicht bekannte ist das tragische Schicksal des Arztes Ignaz Semmelweis, der heutzutage als Musterbeispiel für die methodisch korrekte Überprüfung einer wissenschaftlichen Hypothese gilt. Er untersuchte das Auftreten des sogenannten Kindbettfiebers und konnte einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Hygiene der Ärzte bzw. des Krankenhauspersonals und dem Auftreten dieser Erkrankung sowie dem Tod der Kinder feststellen (4). Zu Lebzeiten erhielt er hierfür wenig Anerkennung, im Gegenteil von vielen seiner „Kollegen“ wurde er kritisiert und nicht anerkannt. Hygiene galt als Zeitverschwendung. 1865 verstarb er dann in einer während eines zweiwöchigen Aufenthalts in einer Psychiatrie unter nicht eindeutig geklärten Umständen (4). Die evidenzbasierte Medizin basiert auf dem Zusammenspiel von drei Säulen, die wir uns im kommenden genauer anschauen werden: Studien Behandler Patient Studien (externe Evidenz) Die Erkenntnisse aus Studien haben einen unglaublich großen Vorteil, man muss sich nicht mehr nur auf die Lehrmeinung verlassen, die im medizinischen Bereich häufig von den Erfahrungen und Meinungen der Dozenten abhängig ist, sondern begann diese Meinungen und Beobachtungen systematisch zu untersuchen und auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Das Problem ist nur, dass manche Studien nur schwer durchführbar sind und zum Teil ethische Probleme aufwerfen. Der sogenannte Goldstandard, wenn es darum geht, Theorien in Studien zu überprüfen, sind sogenannte RCTs (randomized controlled trials) also Studien, bei denen es eine zusätzliche Kontrollgruppe gibt, Patienten werden hierbei zufällig auf die Gruppen aufgeteilt. Idealerweise wissen sowohl Patienten als auch Behandler nicht, welche Patienten in welcher Gruppe sind. Was bei einigen Behandlungsmethoden sehr schwierig ist. Scheinoperationen zum Beispiel sind ethisch gesehen schwierig (Risiko durch Narkose und Körperverletzung) und vor allem der Operateuer weiß nachher, wen er wirklich operiert hat und wen nicht. Ähnlich schwierig wird das auch im Bereich der Osteopathie. Es mag vielleicht noch klappen, dass der Patient nicht direkt mitbekommt, ob er wirklich eine osteopathische Behandlung erhält oder nicht. Spätestens der Behandler weiß aber, ob er wirklich behandelt oder nicht. Und hier beginnt in Studien schon das erste Problem, denn aus Placebountersuchungen ist bekannt, dass alleine das Wissen des Therapeuten, ob er ein Placebo verabreicht oder nicht ausreicht, um den Therapieerfolg zu beeinflussen. Das heißt, ein Vergleich mit einem Placebo wird in diesem Falle schwierig. Was schade ist, denn das Placebo ist eines der am besten erforschtesten „Medikamente“. Auch der Vergleich mit keiner Behandlung wäre oft wünschenswert, allerdings wird es hier ethisch schwierig, wenn ich die aktuelle Standardbehandlung einem Patienten vorenthalte. Viele Patienten werden auch nicht begeistert sein, wenn keine Behandlung stattfindet und wollen, „dass etwas gemacht wird“. Sinnvoller, als sich dann in Diskussionen zu zerfetzen, welche Behandlungen die besten Studiennachweise haben, wäre es, alle Behandlungsmethoden auf den Prüfstand zu stellen und so gut es möglich ist, in Studien zu überprüfen. Denn das Ziel ist es nicht, dass Methode A oder B nachher besser dasteht, sondern dass wir wissen, welche Methode wann am sinnvollsten in der Behandlung von Beschwerdebildern ist, das ist es, was evidenzbasierte Medizin ausmacht. In vielen Fällen wird das durch die beiden kommenden Punkte abgedeckt. Der Behandler soll diese Studien nicht selbst erstellen, sondern wissen, wie er sich die Erkenntnise der aktuellen wissenschaftlichen Forschung aneignet, diese deutet und in sein Behandlungen einfließen lässt. Behandler (klinische Erfahrung/ Expertise) Die zweite wichtige Säule ist der Behandler und seine Erfahrungswerte. Wir haben uns bereits angesehen, dass Studien zwar eine wichtige Grundlage darstellen, um Behandlungsentscheidungen zu treffen, allerdings lässt sich in Studien nicht alles untersuchen, vor allem wenn man die geltenden ethischen Grundsätze berücksichtigt (wofür ich eindeutig plädiere). Wichtig ist gerade in diesen Fällen, dass ein Behandler auf seine Erfahrungen zurückgreifen kann und im Zweifel auch ein auf seinen Erfahrungen beruhendes gutes Bauchgefühl entwickelt hat. Natürlich sollte er aber auch sein Wissen ständig erweitern und selbst hinterfragen, ob seine Behandlungsmethoden die effektivsten sind oder ob

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