Auch wenn ich immer wieder das Gefühl habe, dass der Trend am Abflauen ist, so hält sich der Hype um Faszienrollen, entsprechende Bälle und weitere Tools zum Bearbeiten der Faszien doch sehr vehement.

Erstaunlich ist doch auch immer wieder, wie teuer so ein Stück Styropor oder Plastik sein kann, wenn es nur den Anschein erweckt, bei medizinischen Problemen helfen zu können. Aber es klingt ja auch sehr gut, dass Du über einen (mehr oder weniger) sanften Weg Verklebungen in Faszien lösen kannst. Aber kannst Du das auch wirklich durch ein bisschen Rollen?

Kleiner Spoiler: Verklebungen wirst Du eher weniger lösen, es kann aber dennoch ein nützliches Tool sein.

Was sind Faszien

Das Wort Faszie kommt aus dem lateinischen Wort „fascia“, was so viel bedeutet wie Band oder auch Bandage. (1)

Im Bereich von Faszientraining geht es häufig um die Faszien, die Muskeln umhüllen. Wenn Du Fleisch ist, schau Dir einfach beim nächsten Mal kochen einfach mal die Silberhaut genauer an, dann weißt Du, wovon hier die Rede ist.

Es gibt aber noch weitere Faszien und die Definition ist, wie so oft im medizinischen, nicht einheitlich. So werden auch das Unterhautfettgewebe (fascia superficialis), Organhüllen (viszerale Faszien), Sehnenplatten (wie z.B. die Plantarfaszie auf der Fußsohle) zu den Faszien dazugezählt.

Je nach Autor werden auch Sehnen und Bänder zu den Faszien dazugezählt.

Sie haben also verschiedene Funktionen, je nachdem, welche Teile wir genau betrachten.

So werden beispielsweise folgende Funktionen beschrieben (2):

Faszien haben folgende Eigenschaften:

  • sie sind Hüllschichten und zusätzliche Ansatzpunkte für Muskeln,
  • sie unterstützen die Muskelpumpe,
  • sie schützen Gefäße,
  • sie sind eine Barriere gegen Infektionen,
  • sie übertragen Muskelkräfte,
  • sie können sich entzünden,
  • sie haben Nozizeptoren, [Anmerkung: Schmerzrezeptoren]
  • sie spielen eine Rolle bei der Propriozeption. [Anmerkung: vereinfacht gesagt Wahrnehmung des Körpers im Raum]

Laut einiger Theorien können Faszien verkleben oder verfilzen und somit Beschwerden (v.a. Schmerzen) auslösen. Selbst wenn es so wäre, wäre es unglaublich schwierig über eine mechanische Behandlung von außen diese Verklebungen zu lösen.

Kann eine mechanische Behandlung Faszien verändern?

Es wird häufig beschrieben, dass straffe Faszien härter als Kevlar seien. Eine Untersuchung von Chaudry et. al (2008) (3) zeigte, dass es Kräfte weit über die normale physiologische Range braucht, um die Plantarfaszie (Fußsohle) oder die fascia lata (Oberschenkel) um nur 1 % zu verformen. Bei der Plantarfaszie waren es beispielsweise 424 kg, um diese Verformung zu erreichen und bei der fascia lata sogar 460 kg. Selbst wenn Du Dich anstrengst und Dir echt Mühe gibst, das wirst Du nicht erreichen.

In meiner Osteopathieweiterbildung hat uns ein Dozent in einem Präparationsvideo gezeigt, wie stabil Verklebungen im Bereich der inneren Organe sind. Das war für mich persönlich der Aha-Moment, dass ich umdenken sollte (erzähle ich im Podcast etwas detaillierter).

Natürlich gibt es auch „schwächere“ Faszien oder kleinere „Verklebungen“, aber „fasziale Behandlungen“ der oben genannten Strukturen können dennoch zu einer Schmerzlinderung führen. Der Effekt scheint also ein anderer zu sein.

Was passiert dann?

Hierzu gibt es mehrere Theorien, die noch nicht abschließend untersucht sind.

Vermutlich ist die Erklärung eher im neurologischen Bereich zu suchen. Einen Ansatz bietet hier das Konzept der Neuromodulation, das heißt der Schmerz wird durch einen anderen Reiz überlagert, im Falle von Faszienbehandlungen häufig durch einen anderen Schmerz.

Einen anderen Erklärungsansatz habe ich mal in einem Buch über Triggerpunkte gelesen. Leider kenne ich den Titel nicht mehr und muss somit leider auf eine Quellenangabe verzichten. Die Theorie war, dass der Patient in der Behandlung des Triggerpunkts wieder mehr Kontrolle über die Schmerzintensität hat. Er kann jederzeit Stopp sagen, wenn der Schmerz zu intensiv wird und merkt, wie sich der Schmerz im Laufe der Zeit verändert, wenn der Druck mit passender Intensität gehalten wird.

Den Unterschied zu kennen ist auch für Dich als Patient wichtig, um nicht dem Noceboeffekt zum Opfer zu fallen. Dieser kann Dich in Deiner Heilung nämlich unglaublich bremsen und zurückwerfen und auch der Placeboeffekt kann den Nachteil mit sich bringen, dass zielführende Therapien hinten angestellt werden.

Fazit

Faszienrollen und Co. können ein nützliches Tool sein, dass den Schmerz lindern kann, aber nicht über die Wirkmechanismen, die viele Hersteller Dir verkaufen wollen.

Stell Dir dieses Tool vielleicht eher wie ein Schmerzmedikament vor, das nicht chemisch wirkt, sondern über mechanische Reize. Es kann Dir vor allem kurzfristig helfen, wenn Du es richtig anwendest. Bei akuten Beschwerden kann es also durchaus nützlich sein, um Schmerzen zu behandeln. Bei länger bestehenden Beschwerden wird es allerdings nur selten ausreichen, die Beschwerden nachhaltig zu behandeln.

Hier ist es dann wichtiger herauszufinden, wo die Ursache liegt und welche Faktoren Deine Beschwerden aufrechterhalten. Hierfür können Tools wie ein Schmerztagebuch nützlich sein, um zu verstehen, wo Deine Schmerzen herkommen und was Du dagegen tun kannst.

Quellen

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Faszie

(2) https://www.physiomeetsscience.net/wissenswertes-ueber-faszien-2020/

(3) Chaudhry, H., Schleip, R., Ji, Z., Bukiet, B., Maney, M., & Findley, T. (2008). Three-dimensional mathematical model for deformation of human fasciae in manual therapy. The Journal of the American Osteopathic Association108(8), 379–390. https://doi.org/10.7556/jaoa.2008.108.8.379

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