Disclaimer

Wenn Du Dir unschlüssig bist, wo Deine Rückenschmerzen herkommen, konsultiere bitte einen Experten. Es gibt unzählige Gründe für Rückenschmerzen und jede sollte zielgerichtet behandelt werden. So wird zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall anders behandelt, als wenn Du Dich einfach verhoben hast oder ein Gleitwirbel Deine Probleme auslöst. Wenn Du aus dem Wiesbadener Raum kommst, kannst Du mich gerne kontaktieren. Ansonsten Deinen Orthopäden, Deinen Physiotherapeuten….

Einleitung

Sowohl bei Rückenschmerzen, als auch bei Beschwerden im Bereich der Beine wird eine Muskelgruppe in meinen Augen massiv unterschätzt.

Du brauchst diese sowohl zum Heben schwerer Lasten, als auch zum Joggen, aber auch um die Treppe hochzukommen.

Hast Du schon eine Idee, um welche Muskeln es sich handelt?

Gluteus maximus

Klingt als Name schon stark, finde ich. Der vielleicht der bekannteste unter den dreien ist der Musculus gluteus maximus. Möglicherweise kennst Du auch diesen Namen nicht, aber eventuell sitzt Du gerade darauf.

Bevor ich mir noch weitere seltsame Hinweise überlege, kürzen wir ein wenig ab: Es geht um Deinen Allerwertesten, Deine Gesäßmuskulatur.

Wenn Du übrigens nur nach Übungen suchst, um Rückenschmerzen, die durch Deine Gesäßmuskulatur bedingt sind, loszuwerden, dann spring am besten zum Punkt: „Was kannst Du tun, um das zu vermeiden?“ Dort findest Du einige meiner Lieblingsübungen.

Die Muskeln

Die Glutealmuskulatur setzt sich, wie schon gesagt, aus drei Muskeln zusammen. Dem Musculus gluteus maximus, dem M. gluteus medius und dem M. gluteus minimus.

Alle drei sind zuständig dafür, die Hüfte zu strecken (Extension), zu einem gewissen Teil arbeiten alle an der Abduktion (seitliches Abgrätschen der Hüfte) mit. Diese Funktion brauchst Du auch, um Dein Becken im Einbeinstand zu stabilisieren.

Interessant ist, dass ein Teil der Muskeln sowohl für die Innenrotation, als auch die Außenrotation zuständig ist, diese Funktion ist aber im weiteren Text eher nebensächlich.

Es gibt noch ein paar weitere Muskeln, die zur Gesäßmuskulatur gehören, wie beispielsweise der M. piriformis, dem gerne mal verschiedene Beschwerdebilder im Zusammenhang mit dem Ischiasnerv zugeschoben werden.

Der Faulenzer

Erinnerst Du aus der Schulzeit oder dem Studium noch an Gruppenarbeiten? Hat jeder gleich viel gemacht oder hat ein Teil viel gemacht und manche haben sich zurückgelehnt? Vermutlich eher zweiteres, oder?

Am Körper ist das gerne mal ähnlich. Das heißt manche Muskeln übernehmen gerne mal die Funktion anderer Muskeln und andere lehnen sich gerne mal zurück.

Die Gesäßmuskulatur gehört aus meiner Erfahrung heraus leider gerne mal zur zweiten Kategorie. Den Grund kann ich Dir ehrlicherweise nicht nennen, ich habe auch keine Theorie dazu. Es gibt aber viele Muskeln im Bereich des Rückens, aber auch des Beins, die eine zu schwache Gesäßmuskulatur kompensieren und so unter anderem zu Rückenschmerzen führen können.

Häufige Kompensationen und Schmerzbereiche bei zu schwacher Abduktion

Das Abgrätschen des Beins ist zugegebenermaßen oft nicht die Bewegung der Hüfte, die Du ständig brauchst. Stell Dir jetzt aber mal vor, Du stehst auf dem Bein und es ist somit fixiert. Was passiert jetzt, wenn die Muskeln in diese Richtung anspannen? Sie stabilisieren Dein Becken und somit auch Deinen Oberkörper, damit Du nicht einfach umfällst.

Eine Möglichkeit, diese Problematik zu kompensieren ist, wenn Du Deinen Oberkörper in der Standbeinphase etwas über das Standbein zur Seite neigst. Das Ganze hat sogar einen Eigennamen, da es unter anderem bei Arthrose in der Hüfte oft auffällt, das Duchenne-Hinken (siehst Du auf Bild 1). 

Irgendwie muss Dein Oberkörper aber ja jetzt dort hinkommen und auch das Becken der anderen Seite muss etwas angehoben werden, damit Du nicht einfach schlaff auf dem Boden schleifst. Hier kann uns unter anderem der M. quadratus lumborum mithelfen. Dieser zieht vom Becken zur untersten Rippe und ist sowohl für eine Seitneigung des Oberkörpers, als auch für die Aufrichtung zuständig.

Wenn die Kompensation nicht stattfindet, kann es zu einem Abkippen des Beckens kommen (Bild 3). Auch hierfür gibt es einen Eigennamen, das Trendelenburg-Zeichen. Die „normale“ Stabilisierung erkennst Du auf Bild 2. 

Übrigens heißt es nicht, dass eines der beiden Zeichen für eine Schwäche der Gesäßmuskulatur schneller zu Rückenschmerzen führt, als die andere Version und ja, auch wenn Du „normal“ gehst, kannst Du Rückenschmerzen kriegen.


Bild 1: Duchenne-Hinken
Bild 1: Duchenne-Hinken
Bild 2: „normale“ Standbeinphase
Bild 2: „normale“ Standbeinphase
Bild 3: Trendelenburg-Zeichen
Bild 3: Trendelenburg-Zeichen

Häufige Kompensationen und Schmerzbereiche bei zu schwacher Extension

Auch bei der Streckung (Extension) kann uns wieder der M. quadratus lumborum helfen. Es gibt aber noch ein paar weitere Kollegen, die ihn unterstützen können, als da wären:

Die Rückenstrecker (M. errector spinae) und die rückseitige Oberschenkelmuskulatur (Mm. ischiocrurales oder auch Ischios) können hier mithelfen.

Was führt häufiger zu Rückenschmerzen?

Tendenziell finde ich bei meinen Patienten häufig eine Schwäche in beide Richtungen. Was an sich auch Sinn macht, denn dass nur eine Bewegungsrichtung abschwächt und die anderen sehr stark sind, wird nicht an einer Schwäche des Muskels liegen. In diesem Fall haben wir dann eher ein Ansteuerungsproblem, das heißt Dein Körper weiß nicht, wie er die Bewegung machen soll oder vermeidet sie vielleicht aufgrund vorheriger Schmerzerfahrungen.

Was kannst Du tun, um das zu vermeiden?

Wie schon im Disclaimer erwähnt, macht es Sinn jede Art von Rückenschmerz zielgerichtet zu adressieren. Ein erster wichtiger Grundsatz ist „Calm shit down. Build shit up.“ Das heißt, in der Akutphase solltest Du versuchen, das Ganze erstmal zu beruhigen und schmerzhafte Belastungen zu reduzieren. In der anschließenden Aufbauphase tastest Du Dich peu à peu wieder an die schmerzhaften Belastungen ran und versuchst Deinen Körper hier resilienter zu machen.

Vielfach gehst Du also nach dem P.E.A.C.E. & L.O.V.E. Prinzip vor. Was erfahrungsgemäß leider viel zu oft untergeht, ist der zweite Teil: „Build shit up.“. Dehnübungen, Faszienrollen und so weiter werden in der Akutphase gerne genutzt, da ein unmittelbarer Effekt zu spüren ist. Sobald der Schmerz nachlässt, lässt auch oft die Übungshäufigkeit nach, bis Patienten wieder in alte Muster zurückfallen. Kommt Dir das bekannt vor?

Das ist an sich auch vollkommen normal und menschlich. Glaub mir, ich musste das selbst mehrfach schmerzhaft lernen und bin mir nicht sicher, ob ich weiterhin mein Leben lang daran denken werde.

Solange Du aber einmal verstanden hast, was Du tun kannst, um Deine Rückenschmerzen wieder loszuwerden und das auch mit einem längerfristigen Plan, kannst Du Dich an Deinem eigenen Schopf wieder aus dem Sumpf ziehen.

Training der Gesäßmuskeln

Langfristig bin ich ein Freund des Kreuzhebens, da es in meinen Augen die wichtigste Übung ist, um Rückenschmerzen loszuwerden. In der Akutphase ist das für viele Patienten aber nicht vorstellbar, da die Rückenschmerzen oft entweder beim Heben auftreten oder aber auch durch Heben verstärkt werden. Vielfach entsteht also die Angst, falsch zu heben.

Es macht in der Akutphase von Rückenschmerzen, die durch die Gesäßmuskulatur verursacht werden, also Sinn, mit weniger komplexen Übungen zu starten, bei denen die Gesäßmuskulatur isolierter arbeitet.

Meine zwei Favoriten für den Anfang sind die Abduktion der Hüfte in Seitlage und Bridging. Später wechsele ich dann gerne zu Ausfallschritten.

Unten findest Du zwei Videos mit Übungsvorschlägen, um die Gesäßmuskulatur zu kräftigen. Für alle Übungen brauchst Du kein Material, sondern lediglich Deinen Körper. Um es übersichtlich zu halten, habe ich die Übungen aufgeteilt in Kräftigung der Extension (Streckung) und Abduktion (seitliches Abgrätschen) der Hüfte.

Wichtig ist, mit der für Dich passenden Intensität zu starten und die Übungen an Deine Fortschritte angepasst zu steigern. Leider geht auch das Steigern der Intensität zu gerne mal unter, wenn Du zu locker trainierst wirst Du aber genauso wenig Fortschritte machen, wie bei zu intensivem Training.

Fazit

Rückenschmerzen sind ein komplexes Thema, wenn es um die Ursachen geht. Wichtig ist, diese jeweils zielgerichtet zu adressieren, um eine ideale Heilung zu erzielen.

Ein Training der Gesäßmuskulatur ist ein vielfach unterschätztes Tool, um Rückenschmerzen langfristig in den Griff zu kriegen und auch bei Schmerzen im Bereich der Knie kann dieses oft helfen, das ist aber ein anderes Thema und würde hier den Rahmen sprengen.

Und was vielleicht noch gut zu wissen ist: Vielfach werden Rückenschmerzen innerhalb von 6 Wochen signifikant besser und das sogar ohne spezifische Behandlung. Ja, Marketing kann ich 😅

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