„Wie hebe ich richtig?“
Die Frage: „Wie hebe ich richtig?“, gehört glaube ich zu den Fragen, die mir mindestens jeder zweite Patient mit Rückenschmerzen stellt.
Aber gibt es nur eine Variante, richtig zu heben? Dieser Frage möchte ich mit Dir heute nachgehen.
Woher kommt die Verwirrung?
Einer der Gründe für diese Verwirrung und die Idee, dass man unbedingt mit geradem Rücken heben soll, stammt aus Untersuchungen von McGill (1).
Bei Untersuchungen an Schweinekadavern fanden er und seine Kollegen heraus, dass häufiges Beugen der Wirbelsäule, vor allem unter Last, vermehrt zu Bandscheibenvorfällen führt.
Jetzt könntest Du natürlich sagen: „Okay, die Sache ist klar. Es gibt eine Art richtig zu heben und das ist mit geradem Rücken.“
Aber wie so oft, ist das nicht ganz so einfach.
Wieso sind die Ergebnisse nicht direkt übertragbar?
Wenn Du den obigen Abschnitt aufmerksam gelesen hast, ist Dir aufgefallen, dass die Untersuchung an Schweinekadavern stattfand. Alleine dieser Punkt führt zu mehreren Gründen, aus den heraus Du nicht einfach sagen kannst, dass die Ergebnisse direkt übertragbar sind:
- Die Wirbelsäule des Menschen und des Schweins ist ähnlich, aber nicht gleich. Alleine schon, weil die Wirbelsäule und Bandscheiben des Menschen mehr der Schwerkraft ausgesetzt sind als die des Schweins (Aufrechter Gang vs. Vierfüßler Gang) ist eine direkte Übertragung schwierig
- Auch die Beweglichkeit der Schweinewirbelsäule ist geringer als die des Menschen.
- Es waren Kadaver. Das heißt Anpassungen an die Belastung finden nicht mehr statt und auch schützende Muskelaktivität kann nicht stattfinden.
Aus diesen Untersuchungen lässt sich also nicht direkt ableiten, dass es nur eine richtige Art gibt zu heben. Ein Punkt, der sich aber ableiten lassen könnte ist, folgender:
Kontrolliertes Heben ist wichtig
Was heißt das denn jetzt wieder?
Hast Du schon mal etwas Schweres getragen und es ist Dir beinahe weggerutscht? Sodass Du es gerade noch ablegen konntest, aber sehr ruckartig gegenhalten musstest, um es nicht fallen zu lassen?
Gerade in solchen Momenten passiert es sehr häufig, dass im Nachgang Schmerzen auftreten. Und ähnlich ist es, wenn die Kraft nicht ausreicht, etwas Schweres zu heben. Ruckartig wird versucht, es irgendwie hinzukriegen und oftmals müssen hierbei auch die passiven Strukturen, wie Bänder oder Bandscheiben, einiges abfangen.
Es kann also durchaus Sinn machen, dass Du Dir Zeit nimmst, wenn Du schwere Dinge heben musst und versuchst möglichst effizient etwas zu heben.
Wie hebst Du effizient?
Springen wir mal kurz ins Krafttraining und schauen uns an, welche Übungen dem Heben besonders nahekommen.
Hier gibt es zum einen das klassische Kreuzheben (Deadlift). Der Weltrekord liegt hier bei 501 kg, aufgestellt vom Isländer Hafthor Julius Björnsson.
Die Übungsausführung ist relativ simpel, eine mit Gewichtsscheiben beladene Langhantel wird vom Boden hochgehoben, bis der Sportler in der aufrechten Körperhaltung steht. Der Rücken wird hier relativ gerade gehalten, sodass die Rückenstrecker möglichst isometrisch arbeiten. Im Rücken sollte also möglichst wenig bis keine Bewegung stattfinden.
Die Bewegung findet größtenteils aus den Beinen und der Gesäßmuskulatur statt.
Eine andere Variante des Kreuzhebens ist der sogenannte Jefferson Curl. Leider konnte ich hierzu keinen offiziellen Rekord finden. Allerdings konnte ich nur ein Video finden, bei dem 200 kg für 3 Wiederholungen bewegt wurden.
Die Übungsausführung sieht hier wie folgt aus. Gestartet wird normalerweise im geraden Stand, mit leicht gebeugten Beinen. Die Stange wird jetzt durch ein Einrunden des Rückens nach unten geführt und wieder hochgehoben.
Die Kraft kommt hierbei also beinahe ausschließlich aus den Rückenstreckern.
Ich weiß, ein Vergleich der Weltrekorde wäre eindrucksvoller. Allerdings lässt sich auch über die obigen Zahlen klar erkennen, dass das klassische Kreuzheben deutlich effizienter ist, um ein schweres Gewicht zu heben.
Das heißt, ich brauche nur klassisches Kreuzheben?
Wie fast immer: Es kommt darauf an.
Wenn Du möglichst wenig Übungen im Training haben möchtest und Dich einfach fit halten willst, würde ich die Frage meistens mit Ja beantworten.
Hast Du aber Rückenschmerzen und willst diese loswerden. Oder Du sitzt bzw. stehst den ganzen Tag auf der Arbeit und Dein Rücken kriegt wenig Bewegung ab, dann würde ich entweder beide Übungen machen oder mich erstmal nur auf Jefferson Curls konzentrieren.
Gerade mit Jefferson Curls habe ich bei Patienten mit Rückenschmerzen extrem gute Erfahrungen gemacht.
Schadet Belastung denn nun den Bandscheiben?
Falls Du aber jetzt immer noch unschlüssig bist, ob Belastung dazu führen, dass die Bandscheiben geschädigt werden, so möchte ich Dir folgenden Artikel von mir empfehlen Warum Dein Körper Belastung braucht.
Kurz zusammengefasst, wenn die Belastung die passende Intensität hat, werden auch passive Strukturen, wie Bandscheiben, Knorpel und so weiter stabiler und belastungsfähiger.
Übungen wie der oben beschriebene Jefferson Curl können also auch dazu beitragen, dass Deine Wirbelsäule und die Bandscheiben deutlich belastbarer werden. Immer vorausgesetzt, Du übertreibst es nicht und steigerst die Belastung Stück für Stück.
Fazit auf die Frage: „Wie hebe ich richtig?“
Die Frage: „Wie hebe ich richtig?“, lässt sich, wie Du siehst nicht ganz so einfach beantworten. Es kommt immer darauf an, was Dein Ziel ist und welche Probleme Du evtl. mitbringst. Wenn Du ein sehr schweres Gewicht hochheben willst, würde ich Dir meistens das „aus den Beinen heben“ empfehlen, da Du hierbei leichter mehr Gewicht heben kannst.
Quellen:
1 Callaghan, Jack P., and Stuart M. McGill. “Intervertebral disc herniation: studies on a porcine model exposed to highly repetitive flexion/extension motion with compressive force.” Clinical Biomechanics 16.1 (2001): 28-37
Wie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries.
Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier.
Diese Faszination versuche ich sowohl in meiner Arbeit an meine Patienten weiterzugeben, als auch mittels des Blogs und anderer Social Media Formate, wie YouTube…
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