Das Thema hatte ich am Rande schon im letzten Blogartikel angesprochen und auch im YouTube Video, wie ich meine eigene Schulterproblematik behandelt habe.

Da es in meinen Augen in der effektiven Behandlung sehr häufig untergeht und viele Patienten, aber auch Sportler im allgemeinen schwer damit tun, die beiden Punkte Anstrengung und Schmerz voneinander zu unterscheiden.

In meinen Augen kann das Unterscheiden von Anstrengung und Schmerzen den Unterschied ausmachen, ob eine Behandlung effektiv ist oder nicht. 

Viele Patienten, vor allem aber auch Sportler, tun sich allerdings häufig sehr schwer damit, diese beiden Gefühle zu unterscheiden. Warum die Unterscheidung so wichtig ist und mit welchen Tools Du das leichter lernen kannst, das erfährst Du in diesem Artikel.

Effektives Training

Damit ein Training zu einer Verbesserung führt, muss das Training intensiv genug sein und Deinen Körper ausreichend intensiv fordern. Die Theorie, die zur Erklärung häufig herangezogen wird, ist das Modell der Superkompensation. Diese beschreibt, dass sich durch einen ausreichend intensiven Trainingsreiz der

„Ausgangszustand erstmal verschlechtert und sich die Leistung zunächst mindert. Dann erholt sich der Zustand des Athleten und endet schlussendlich in einer Superkompensation, einer Verbesserung im Vergleich zum Ausgangszustand.“ (1)

Wenn wir uns das in einem Graphen anschauen, wird das vielleicht nochmal etwas leichter verständlich:

Graphische Darstellung der Superkompensation

Aus diesem Prinzip lässt sich das zweierlei ableiten:

  1. Ein Trainingsreiz muss intensiv genug sein, damit es zu einer Anpassung kommt und
  2. nach einer ausreichenden Erholungsphase steigt die Leistungsfähigkeit

Was Du immer bedenken solltest ist, dass Dein Körper versucht möglichst energieeffizient zu arbeiten. Jede Anpassung an etwas Neues benötigt sehr viel Energie. Durch Krafttraining kommt es beispielsweise zu einem Muskelwachstum, was sehr, sehr viel Energie und auch Rohstoffe benötigt. Bei einem zu niedrigen Reiz würde diese Anpassung nicht stattfinden, da der Körper diese Energie dann lieber einspart.

Wenn wir beim Beispiel Krafttraining bleiben, ist es so, dass als Ziel häufig Muskelversagen genannt wird, um einen idealen Trainingsreiz zu setzen. Im leistungsorientierten Training mag das grob stimmen, bei der Therapie von Schmerzen haben wir ein aber, dass diesen Ansatz bremst. Hier ist es so, dass der Schmerz die Maßgabe ist und nicht das Muskelversagen. Das Konzept der Superkompensation lässt sich hier in gewissen Fällen tatsächlich auch anwenden.

Denn im Laufe der Therapie solltest Du Dich ab einem gewissen Zeitpunkt auch leicht an Schmerzen herantasten und diese bis zu einem gewissen Grad im Training tolerieren, z.B. bei Überlastungsproblematiken wie dem Läuferknie. Das sollte aber immer mit Deinem Behandler abgesprochen werden. Denn zum Beispiel bei Nervenschmerzen im Rahmen eines Karpaltunnelsyndroms oder eines Bandscheibenvorfalls wäre ich hier deutlich zurückhaltender.

Schmerzen

Da wir uns die Definition von Schmerzen schon häufiger angeschaut haben, hier die Kurzfassung:

Akute Schmerzen haben eine wichtige Warnfunktion und sollen Dich auf tatsächliche oder potenzielle Gewebeschäden hinweisen. (2)

Bei chronischen Schmerzen geht diese Warnfunktion verloren, weswegen es in der Behandlung von diesen auch ab einem gewissen Punkt Sinn machen kann, Schmerzen im Training bis zu einem gewissen Grad zuzulassen. Das sollte aber immer sehr individuell passieren und in Absprache zwischen Dir, als Patient und Deinem Behandler.

Denn auch hier gilt, wie eigentlich allgemein im Leben, dass ein zu viel Dich auch nicht weiterbringen wird und der Bereich zwischen zu leicht und zu anstrengend das Ziel ist.

Schmerzintensität 

Wenn es um das Dokumentieren der Schmerzintensität geht, hat sich vor allem die sogenannte numerische Analogskala (auch numeric rating scale = NRS) durchgesetzt. Hier beurteilst Du, auf einer Skala von 0 bis 10, wie intensiv der Schmerz sich für Dich anfühlt.

In der Therapie wird manchmal auch die sogenannte visuelle Analogskala (VAS) genutzt, wo Du einen Schieber zwischen gar keinem Schmerz (0) und dem maximal vorstellbaren Schmerz (10) verschieben kannst. Der Therapeut kann auf der Rückseite dann meist einen Zahlenwert zwischen 0 und 10 ablesen.

Schmerzen beim Training

Wenn Du schon einmal sehr intensiv trainiert hast oder schon an sportlichen Wettkämpfen teilgenommen hast, wirst Du mit Sicherheit auch schon gemerkt haben, dass sich Anstrengung ab einem gewissen Punkt mehr und mehr wie ein Schmerz anfühlt.

Das ist ein Schmerz, der bis zu einem gewissen Level in Ordnung ist und meiner Meinung nach zu einem Training dazugehören kann. Allerdings heißt das nicht, dass ein Training unbedingt weh tun muss.

Belastungssteuerung Training

Um die Belastung zu beurteilen und zu dokumentieren, kannst Du auch die NRS oder VAS nutzen. Es gibt aber noch drei weitere Skalen, die zum Teil in der Therapie, häufiger aber in der Trainingsplanung genutzt werden.
 
Wichtig zu wissen ist, dass eine maximale Ausbelastung im Training nur selten sinnvoll und notwendig ist. Im Gegenteil, das Verletzungs- und Überlastungsrisiko steigt vor allem bei Anfängern, je näher Du an die Ausbelastung herankommst.

Borg-Skala

Bei der Borg-Skala gibt es zwei Formen. Die ursprüngliche Variante (Borg-RPE-Skala) wurde entwickelt, um die empfundene Erschöpfung beim Ausdauertraining zu beschreiben. 

Der Gedanke war, dass der Erschöpfungswert mit 10 multipliziert in etwa der Herzfrequenz junger, gesunder Personen entspricht. Aus diesem Grund umfasst die Skala Werte von 6 bis 20.

Ehrlicherweise habe ich diese Form nur äußerst selten in der praktischen Anwendung gesehen, auch wenn ich die Idee dahinter gut und nachvollziehbar finde. 

Zur Selbsteinschätzung ist die Skala von 6 bis 20 zu unpraktikabel, was allerdings eher möglich ist, dass der Patient beschreibt, wie angestrengt er sich fühlt und der Therapeut daraus die Werte ableitet. 

Gerade bei wissenschaftlichen Arbeiten wird es so erst möglich, Effekte von Therapien statistisch auszuwerten, da hierfür Zahlenwerte benötigt werden.

Scheinbar kamen auch dem Entwickler der Skala, Gunnar Borg Zweifel. Denn er entwickelte einige Jahre später die modifizierte Borg-CR-Skala, die nicht nur für die Erschöpfung genutzt wird, sondern auch für Schmerzen und andere Kategorien genutzt werden kann.

Häufig wird hier eine Skala von 0 bis 10 genutzt, wie wir es schon von der NRS oder der VAS kennen. Allerdings gibt es hier noch ein paar Abstufungen und auch Beschreibungen, welche Zahlen für welche Ausprägung stehen, wie Du nebenstehend sehen kannst.

 

Diese Variante ist in der Nutzung deutlich praktikabler, vor allem auch beim Ausdauertraining. Beim Krafttraining würde ich aber vermutlich eine der beiden folgenden Möglichkeiten nutzen, da diese noch etwas praktikabler sind.

Rate of perceived exertion (RPE) und Reps in Reserve (RIR)

Schauen wir uns die im Kraftsport am häufigsten genutzten Skalen zur Beschreibung der Anstrengung an. Bei der Rate of Perceived Exertion (RPE) wird meist von 1 bis 10 beschrieben, wie anstrengend der Trainingssatz war. Je höher die Zahl, desto anstrengender war das Training, wobei 10 für Dein absolutes Maximum steht.
 
Die RPE-Skala ist zwar sehr verbreitet im Kraftsport, persönlich kann ich aber nicht gänzlich nachvollziehen warum.
 
Die Idee sowohl der RPE-Skala, vor allem aber der Reps in Reserve (RIR) -Skala ist zu schätzen, wie viele Wiederholungen Du noch machen könntest, bis zum Muskelversagen.
Je höher der Wert ist, desto mehr Wiederholungen wären für Dich noch möglich, wenn der Wert 0 ist, dann hast Du das Muskelversagen erreicht:
Die beiden Skalen RPE und RIR im Vergleich
Wenn ich sowieso schon nach der Anzahl der möglichen Wiederholungen gehe, würde ich mittlerweile die RIR Version zum Dokumentieren bevorzugen.
 
Im Training ist das Muskelversagen übrigens nicht erst dann erreicht, wenn Du Dich nicht mehr bewegen kannst, sondern auch dann, wenn Du die Bewegung nicht mehr mit einer sauberen Technik ausführen kannst. Im Wettkampf wiederum sieht das dann anders aus. Hier darf dann bis zu einem gewissen Grad die Technik unsauber werden, wenn es hilft mehr Last zu bewegen.
 

Fazit

Persönlich fand ich es sehr hilfreich, sowohl den Schmerz, als auch die Anstrengung meines Krafttrainings zu dokumentieren, als ich mir einige Muskeln im Bereich der Schulter überlastet hatte.

Da ich mein Training sowieso protokolliere, ist der Aufwand auch sehr überschaubar. Hier siehst Du für einen Teil meines Plans exemplarisch, wie Du die Dokumentation in der Notiz-App Deines Handys umsetzen kannst: 

Beispiel meines Kraftplans

Wie Du sehen kannst, habe ich damals noch die RPE-Skala verwendet. Die Spalte ist mittlerweile bei mir im Training leer, da ich diese Dokumentation aktuell nicht brauche für mich.

In der Zeit, als ich versucht habe, die Belastbarkeit meiner Schulter zu steigern, habe ich diesen Wert allerdings regelmäßig eingetragen. 

So habe ich auch leichter gelernt zu unterscheiden, wann es wirklich Schmerzen sind, die ich spüre und wann es sich eher um ein Gefühl der Anstrengung handelt.

Auch wenn ich schon lange trainiere, so fand ich es tatsächlich nicht leicht, beides zu unterscheiden. Was vielleicht auch mit daran liegt, dass ich im Laufe meiner sportlichen Karriere, vor allem im Leistungssport, zu einem gewissen Grad über meine Grenzen und auch einen gewissen Schmerz hinwegzugehen. 

Den gesunden Umgang damit habe ich ehrlicherweise erst im Rahmen meiner eigenen Schulterreha gelernt.

Quellen

(1) Taeger, Frank (2015). Stärker, Breiter, Schneller

(2) https://www.iasp-pain.org/publications/iasp-news/iasp-announces-revised-definition-of-pain/ (Zugriff am 08.05.2024)

(3) https://flexikon.doccheck.com/de/Borg-Skala (Zugriff am 08.05.2024)

(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Rating_of_perceived_exertion (Zugriff am 08.05.2024)

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