Vor kurzem hat meine einjährige Nichte das Wochenende bei mir und meiner Freundin verbracht. Tagsüber war eigentlich alles sehr unkompliziert, vor allem aber die erste Nacht war nicht sonderlich angenehm, da die Kleine sehr viel gebrüllt hat. In der zweiten Nacht wurde es dann deutlich besser.

Vielleicht wunderst Du Dich jetzt, was eine einjährige mit Schmerzen zu tun hat, keine Sorge ihr geht es gut und es ist auch nichts passiert. Aber das wirst Du im Artikel vermutlich sehr schnell nachvollziehen können.

Auch wenn es ein sehr schönes Wochenende war und uns Sonntagabend, als die Kleine wieder Zuhause war, ihr Toben und Spielen gefehlt hat, so lassen sich anhand des Wochenendes 7 Lektionen zur Schmerztherapie (aber auch allgemein Behandlung vieler anderer Beschwerden) herleiten und sehr gut erklären.

Die ersten drei Lektionen waren übrigens bereits Inhalt meines wöchentlichen E-Mail-Newsletters, wenn Du dazu noch nicht angemeldet bist, findest Du hier die Möglichkeit dazu. 

1. Lernen aus Fehlern

Die erste Nacht war deutlich unruhiger, als die zweite. Was auch unter anderem daran lag, dass wir beim Schreien nicht immer direkt verstanden haben, wo das Problem lag und länger überlegen mussten, ob die Windel voll ist, sie schlecht geträumt hat oder was sonst nicht gepasst hat.

In der zweiten Nacht war uns dann einiges klarer und wir konnten aus den Fehlern der ersten Nacht lernen, die Reihenfolge der Probleme war tatsächlich sogar gleich. Der Schlaf war somit deutlich ruhiger und erholsamer.

Gedanken hatten wir uns am Morgen nach der ersten Nacht dazu gemeinsam gemacht, indem wir die Nacht kurz rekapituliert haben.

Auch wenn im Falle Schmerzen es zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommt, würde ich immer rekapitulieren, ob Dir irgendetwas auffällt, dass Du anders als sonst gemacht hast, was ein Auslöser für die Beschwerden sein könnte. War vielleicht etwas zu viel, hast Du schlecht geschlafen in der Nacht zuvor oder hast Du mehr Stress als sonst? Vielleicht solltest Du Dich bei sportlichen Aktivitäten auch einfach wieder mehr aufwärmen und nicht aus der kalten heraus Vollgas geben.

All das können Gründe sein, die möglicherweise zu einer Verschlechterung geführt haben.

2. Teamwork

Ganz ehrlich, alleine hätte ich das Wochenende und vor allem auch die Nächte nicht so gut hinbekommen, wie mit der Unterstützung meiner Freundin.

Jeder von uns hatte andere Ideen, woran es lag, dass die Kleine am Meckern war. Bei manchen Dingen war es auch gut, dass jeder einen Teil der Aufgaben übernahm. So habe ich zum Beispiel meistens die Kleine aus dem Bett genommen, um sie schon mal zu beruhigen und meine Freundin besorgte in der Zwischenzeit Dinge wie Wickelzeug oder ähnliches.

Natürlich geht das alles auch alleine, irgendwie. Auch bei Schmerzen kann man oft erstmal versuchen das ganze alleine hinzubekommen. Mit Unterstützung klappt vieles allerdings deutlich schneller und oftmals auch einfacher. Gerade wenn ein Therapeut schon Erfahrungswerte hat, kannst Du deutlich davon profitieren und auch beim Rekapitulieren von Beschwerdeauslösern, ist es oft sinnvoll, sich den Blick von außen dazuzuholen.

3. Plan für Notfälle

Hätten wir alles selbst herausfinden müssen, mit der Kleinen, wär das Gemecker vermutlich noch deutlich stärker und häufiger am Wochenende gewesen. Da ich allerdings sehr detaillierte Listen zu den wichtigsten Punkten bekommen habe von meiner Schwägerin, unter anderem Tipps woran nächtliches Jammern liegen könnte, war es ausgesprochen einfach, da wir in den Akutsituationen einfach nachschauen konnten.

Es kann auch bei verschiedenen anderen Beschwerden, wie zum Beispiel bei Schmerzen, sehr hilfreich sein, einen Notfallplan parat zu haben, auf den man ohne nachzudenken zurückgreifen kann.

Wichtig ist nur, diesen schnell zur Verfügung zu haben und dann auch daran zu denken. In der ersten Nacht, hatten wir ehrlicherweise nicht daran gedacht, sondern erst, als am nächsten Tag wieder Ruhe eingekehrt war.

Auf so einen Plan gehören dann vor allem Maßnahmen, die Du ergreifen kannst, um eine Situation abzufangen und Schmerzen oder andere Beschwerden zu beruhigen. Seien es konkrete DehnübungenEntspannungsmethoden oder andere Maßnahmen, aus dem Bereich der Schmerztherapie.

Für mich persönlich wäre es auch nicht unwichtig, die bisher bekannten Trigger für Schmerzen dort mit aufzuführen, um schneller einordnen zu können, woran es lag, dass die Schmerzen aufgetreten sind. Dieses mehr an Ruhe und Kontrolle hilft oftmals auch indirekt den Stress zu senken, sodass Schmerzen weniger werden können.

4. Quengeln vs. Schreien

Auch wenn ich anfangs mit der Aussage: „Du hörst es, wenn die Kleine wirklich etwas hat.“ nicht viel anfangen konnte, so habe ich schnell gelernt, worin der Unterschied zwischen einem unzufriedenen Quengeln und wirklichem Schreien ist, wenn irgendetwas nicht stimmt.

Ähnlich kann das auch bei Schmerzen sein. Wenn Du zum Beispiel nach einer Verletzung wieder ins Training einsteigst, tut es anfangs eher mal leicht weh oder zwickt in dem Bereich, der verletzt war. Das liegt einfach daran, dass Dein Körper Dich davor bewahren will, dass der gleiche Bereich wieder verletzt wird.

Ähnlich kann es auch allgemein im Training sein, vor allem wenn Du sehr intensiv trainierst. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo es unangenehm wird und eine gewisse Art von Schmerzen auftritt. Dieser unterscheidet sich allerdings meist deutlich von einem Verletzungsschmerz.

Gerade im Training, vor allem auch beim Wiedereinstieg nach Verletzung, würde ich deshalb sowohl das Anstrengungslevel einstufen als auch das Schmerzlevel. Hiermit kannst Du im Laufe der Zeit lernen, Schmerzen und Anstrengung besser zu unterscheiden und somit einzuordnen, über welchen Schmerz (Anstrengungsschmerz) Du hinweggehen kannst, weil es mehr ein Quengeln ist und wann Du aufhören solltest, weil wirklich etwas weh tut (Schreien).

5. Langsam steigern (Eltern vs. Onkel)

Mein Bruder und meine Schwägerin sind im Umgang mit der Kleinen, deutlich routinierter als meine Freundin und ich, vor allem als ich (so ehrlich will ich sein).

Vieles fällt ihnen deutlich leichter und es wirkt deutlich entspannter, auch wenn die Kleine mal was hat, ist es leichter die Ruhe beizubehalten.

Gewisse Erfahrung muss man einfach sammeln, um sich an Dinge zu gewöhnen. Ähnlich wie bei Schmerzen, vor allem nach Verletzungen.

Wenn Du beim Wiedereinstieg direkt wieder Vollgas gibst, wirst Du mit hoher Wahrscheinlichkeit auch genauso schnell wieder verletzt sein. Du musst Dich langsam steigern, und Deinem Körper und auch dem Warnsystem Schmerz Zeit geben, um sich an gewisse Reize zu gewöhnen.

Das wird vor allem wichtig, wenn es um das Thema körperliche Belastungen geht.

6. Schlaf ist verdammt wichtig

Hatte ich schon erwähnt, dass ich in der ersten Nacht nicht sonderlich viel Schlaf hatte und vor allem auch nur bedingt qualitativ guten Schlaf?

Am nächsten Tag war ich wie gerädert und vieles klappte nicht so gut, wie ich es von mir gewohnt bin.

Schlaf ist die wichtigste Erholungs- und Regenerationsmöglichkeit Deines Körpers und einen entsprechend hohen Stellenwert sollte er haben.

Es kann zum Beispiel sein, dass eine Schmerzsteigerung einfach daran liegt, dass Du in der Nacht oder den Nächten zuvor beschissen geschlafen hast. Dein Körper ist am nächsten Tag weniger belastbar und der Schlafmangel stellt wiederum einen Stressfaktor dar, der zu einer erhöhten Schmerzsensibilität führen kann.

Vor Schmerzen nicht schlafen zu können ist für mich übrigens einer der wenigen Gründe, wo ich zu einem Schmerzmittel raten würde.

7. Neugierde und Ausprobieren (nicht gleich aufgeben)

Weißt Du, was ich bei Kindern immer wieder bewundere und fast schon beneide? Ihre Neugierde und das immer wieder ausprobieren von Dingen, die nicht funktionieren.

Meine Nichte fängt zum Beispiel langsam an, sich in Richtung Laufen zu entwickeln. Zwar noch so, dass sie sich hierbei festhalten muss und freie Schritte nicht funktionieren, aber sie versucht in diese Richtung viel.

Weißt Du, was sie macht, wenn sie hinfällt? Sie schaut kurz, lacht vielleicht sogar und probiert es wieder. Wenn sie sich mal weh tun sollte (was selten passiert), schreit und weint sie kurz, sobald sie sich beruhigt hat, kann es aber passieren, dass sie es direkt wieder versucht.

Wann hast Du das letzte Mal neues so unbeschwert ausprobiert und das wieder und wieder?

Im Laufe des Erwachsenwerdens verlernen viele von uns diese Unbekümmertheit und wir bewerten neue Dinge anhand unserer bisherigen Erfahrungen. Wenn wir ähnliches schon einmal ausprobiert haben und es hat nicht funktioniert, gehen wir schnell davon aus, dass es auch dieses Mal nicht funktionieren wird.

Wie oft habe ich von Patienten schon gehört, dass sie Osteopathie, Physiotherapie oder Übungen schon einmal probiert hätten und es nicht funktioniert hat. Wenn wir uns dann gemeinsam aber mal anschauen, was bisher versucht wurde und in welcher Form, lassen sich nicht selten die Fehler schnell finden.

Neues auszuprobieren ist oft schwierig, vor allem wenn es den bisherigen Erfahrungswerten widerspricht. Umso schöner ist es dann für beide Seiten, wenn es funktioniert und sich eine Besserung einstellt.

Wenn es zum Beispiel um Übungen geht, um Schmerzen langfristig loszuwerden, so braucht das einfach Zeit und entsprechend auch Geduld. Vor allem, wenn Schmerzen schon länger bestehen und Du den entsprechenden Bereich lange geschont hast, dauert es leider meist noch etwas länger.

Mein Rat ist aber dennoch nicht aufzugeben und dranzubleiben. Hierbei kann es massiv helfen, wenn Du Dich an Punkt 2 hältst, denn von außen lassen sich auch Fortschritte oft deutlich einfacher erkennen, wenn objektive Kriterien herangezogen werden.

Um noch ein kleines Beispiel zu bringen: Bis jetzt wurde die Kleine jedesmal wach und hat geschrien, wenn wir ins Bett gingen und sie das mitbekam.

So auch in der zweiten Nacht des Wochendes und in mir kamen direkt die Horrorvorstellungen auf, dass diese Nacht wieder genau so werden würde, wie die erste Nacht. Doch es kam anders, da wir aus den Fehlern der ersten Nacht gelernt hatten und die Kleine schneller beruhigen konnten, war die Nacht bedeutend erholsamer.

Auch wenn Du erstmal das Gefühl haben solltest, das wieder das Gleiche Problem auftreten sollte, was Du schon kennst, wenn Du Dich mal wieder an für Dich problematische Dinge heranwagst, gib nicht direkt auf. Probier es erstmal und wende das an, was Du bisher gelernt hast. Oftmals wirst Du überrascht sein, was doch funktionieren kann.

7 1/2 Freu Dich über Erfolge

Um am letzten Punkt direkt anzuknüpfen:

Wenn meine Nichte irgendetwas geschafft hatte, vor allem wenn es schwierig war, hat sie sich gefreut, wie ein Schneekönig. Aber sogar über Kleinigkeiten konnte sie sich sehr lange und intensiv freuen.

Auch in der Therapie, vor allem bei Schmerzen ist es wichtig, die Fortschritte nicht aus den Augen zu verlieren und diese zu feiern. Insbesondere bei chronischen Schmerzen steckt häufig ein langer und steiniger Weg dahinter.

Um die Fortschritte nicht aus den Augen zu verlieren ist es wichtig, dass Du Dir bewusst machst, was Du schon alles erreicht hast und diese Zwischenschritte auch zu Feiern. Auf diesem Wege wird es Dir deutlich leichter fallen motiviert dran zu bleiben.

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