In meinem Artikel Veränderungen und warum sie oftmals schwer fallen habe ich bereits erwähnt, dass Du nicht immer perfekt vorbereitet sein musst, um eine Veränderung anzugehen, sondern dass Dich Dein Perfektionismus auch bremsen kann. Widmen wir uns heute mal dem Pareto-Prinzip (auch als 80/20 Regel bekannt), was zwar keinen Absolutheitsanspruch hat, sich aber auf viele Situationen im Alltag gut anwenden lässt.
Kleiner Geschichtsausflug
Das Pareto-Prinzip ist benannt nach dem italienischen Ökonom Vilfredo Pareto (1848-1923). Dieser erkannte bei der Betrachtung der Verteilung des Grundbesitzes in Italien 1906, dass 20 % der damaligen Bevölkerung Italiens 80 % des Bodens besitzen. Das Paretoprinzip, was sich aus dieser und weiteren Beobachtungen ableitet, besagt, dass sich viele Aufgaben zu 80 % lösen lassen, bei einem Aufwand von 20 %. Für die finalen 20 % werden hingegen 80 % des Aufwands benötigt.
Was sagt mir das jetzt?
Gut, dass Du fragst. Wie in der Einleitung bereits geschrieben, kommt es häufig zu dem Phänomen, dass man eine Aufgabe deshalb nicht angeht, weil man das Gefühl hat, nicht ausreichend vorbereitet zu sein und nicht ausreichend Wissen oder Vorbereitung hat, um ein ideales Ergebnis zu erzielen. Dieser Perfektionismus führt zu einer Lähmung und man beginnt die Umsetzung weiter und weiter aufzuschieben. Dieses Phänomen nennt sich dann wiederum Prokrastination. Deinen guten Vorsatz setzt Du also leider nicht um und der Stress steigt meist mehr und mehr, wenn Du daran denkst, dass Du eigentlich etwas ändern wolltest, bis Du irgendwann resignierst. Schauen wir uns jetzt aber das Paretoprinzip an, so erkennst Du, dass es für ein wirklich gutes Ergebnis nicht zwingend notwendig ist, perfekt vorbereitet zu sein, sondern dass Du mit einem vergleichsweise geringen Aufwand bereits sehr viel erreichen kannst. Vor allem bei Aufgaben, die dringend sind, potenzierst Du Deinen Stress stark, wenn Du erst versuchst einen perfekten Plan aufzustellen.
Umsetzung
Wie setzt Du das ganze jetzt aber am einfachsten um? Nun, hierfür gibt es mehrere Wege. Gehen wir mal einen gemeinsam exemplarisch durch. Du hast eine Aufgabe oder ein Ziel, welches Du anpeilst. Überleg Dir als Nächstes einmal, was im schlimmsten Fall passieren würde und hier vor allem welche langfristigen negativen Folgen, die nicht umkehrbar sind, entstehen, wenn Du auf dem Weg scheitern solltest. Wichtig sind hierbei, wie bereits gesagt, die langfristigen negativen Folgen, die nicht oder vielleicht auch nur schwer umkehrbar wären. Im nächsten Schritt überleg Dir einmal, was das positive Ergebnis wäre und vor allem auch welche positiven Nebeneffekte noch entstehen können. Wenn Du hier bereits merkst, dass Deine Ansätze für einen Start reichen und das Worst-Case-Szenario doch nicht so schlimm ist, wie Du anfangs dachtest, dann kannst Du eigentlich hier schon starten. Ist das ganze für Dich noch ungewohnt, dann folgt ein kleiner Zwischenschritt. Dieser ist vor allem dann hilfreich, wenn Du viele Unteraufgaben bzw. Zwischenschritte erkannt hast. Überleg Dir, welche Maßnahmen den größten Einfluss machen werden. Diese sind Dein Startpunkt auf Deinem Weg zur Veränderung bzw. Deinen Zielen. Dies hat den großen psychologischen Vorteil, dass Du bereits zu Beginn große Veränderungen wahrnehmen wirst und die Motivation weiterzumachen steigt hierdurch ungemein.
Beispiele
Gehen wir mal zwei Beispiele zu den oben genannten Schritten durch. Eins davon ist meine persönliche Erfahrung und eines ein etwas allgemeineres Beispiel, das ich von mehreren Patienten kennen.
Worst-Case-Szenario
Als für mich letztes Jahr mein Umzug aus Regensburg in Richtung Heimat anstand, stand für mich die Entscheidung an, wie es beruflich weitergeht. Sollte ich mich selbstständig machen oder weiter in einem Angestelltenverhältnis arbeiten? Eins meiner beruflichen Ziele war es schon immer, mich selbstständig zu machen. Also stand die Überlegung an, ob ich ins kalte Wasser springe und die Welle der Veränderung weiter surfe oder ob ich mich wieder in die sichere Position des Angestelltenverhältnisses begeben sollte. Meine Bedenken waren, dass ich hier kaum ein berufliches Netzwerk hatte und eine Praxis lebt im Gesundheitsbereich nun einmal von Empfehlungen und der Mundpropaganda. Also begann ich weiter zu überlegen. Was könnte im schlimmsten Fall passieren. Na ja, selbst wenn ich im Angestelltenverhältnis nichts im Bereich Osteopathie finden sollte, mein erster Beruf als Physiotherapeut ist nach wie vor als Mangelberuf geführt. Die Chance eine Stelle zu finden ist hier also sehr hoch und nicht unbedingt schwierig, wenn es erstmal nur darum geht genug meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Klar, wenn ich nicht genug Patienten habe, verdiene ich wenig Geld und die Ersparnisse werden immer kleiner, aber das ist kein unumkehrbarer Verlust. Was ist hingegen jetzt das Best-Case-Szenario. Ich würde mir einen Lebenstraum erfüllen. So kurz kann ich es zusammenfassen und das reichte mir in diesem Moment eigentlich schon fast. Eine Nebenüberlegung, die ich noch hatte, war folgende: Der Traum würde ja nicht verschwinden und jetzt erstmal im Angestelltenverhältnis zu starten, würde dies nur für einen längeren Zeitraum aufschieben, da die Überwindung aus der bequemen Situation heraus größer wäre als zu diesem Zeitpunkt. Ich könnte also die oben erwähnte Welle der Veränderung nicht weiter surfen und den Schwung mitnehmen.
Patientenbeispiel
Ein typisches Beispiel, was ich immer wieder von Patienten mitbekomme, ist die Zielsetzung abzunehmen und oder mehr Sport zu machen und sich gesünder zu ernähren. Um es übersichtlich zu halten, gehe ich jetzt mal nicht im Detail darauf ein, was man unter gesunder Ernährung alles verstehen kann und dass das eine sehr relative Aussage ist. An diesem Beispiel möchte ich aber gerne aufzeigen, was damit gemeint ist, mit dem Punkt zu starten, der die größte Veränderung mit sich bringt. Wir gehen mal davon aus, dass Du das Ziel etwas konkreter ausgemalt hast, als im obigen Absatz. Bei der Ernährung ist häufig einer der ersten wichtigen Schritte, der unglaublich viel automatisch mit sich bringt, sich bewusst zu machen, was man überhaupt den Tag über isst. Du kannst Dir das ganze entweder in einem Notizbuch aufschreiben oder, was ich eher empfehlen würde, eine App zum Kalorienzählen zu nutzen und das konsequent über einen Zeitraum von mindestens 3-4 Wochen. „Wie soll das denn meine Ernährung verbessern?“, wirst Du Dich jetzt vielleicht fragen. Na ja, gehen wir zunächst mal davon aus, dass Du insgesamt zu viele Kalorien über den Tag verteilt zu Dir nimmst. Wenn Du jetzt jedes Mal, wenn Du etwas essen möchtest, das ganze aufschreiben musst, steigt der Aufwand. Du wirst Dir also eher überlegen, ob Du zum Beispiel die Tüte Gummibärchen wirklich essen möchtest oder sie eher weglassen kannst. Unterbewusstes snacken nebenbei wird deutlich schwieriger. Zudem lernst Du automatisch, wie viele Kalorien und welche Makronährstoffe (Fett, Protein, Kohlenhydrate) die Lebensmittel enthalten, die Du konsumierst. Wenn Du jetzt noch regelmäßig dokumentierst, wie sich Dein Gewicht, Dein Bauchumfang oder welchen Parameter Du genau verbessern willst, verändert, ist das für viele Leute schon einmal ein riesiger Schritt hin zum Ziel.
Zusammenfassung
Leg einfach los und lass Dich von Deinem Perfektionismus nicht bremsen. Ein perfektes Ergebnis braucht es in den seltensten Fällen. Aus diesem Grund gebe ich meinen Patienten auch ungern zu viele Übungen oder Ratschläge mit. Auch hier versuche ich mich grob am Paretoprinzip zu orientieren, um die erste Hürde möglichst gering zu halten. Wenn wir dann gemeinsam erkennen, dass mehr notwendig ist und ein Patient ins Machen gekommen ist und wirklich nachhaltig motiviert ist mehr zu tun, dann gerne auch mehr. Die Ideen sind mir bis jetzt noch bei keinem Patienten ausgegangen.

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