Wenn Du an Schmerzen im Bereich des Fußes denkst, könnte es eines der ersten Beschwerdebilder sein, was Dir einfällt: der Fersensporn. Wusstest Du aber auch, dass der Fersensporn nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht die Ursache der Schmerzen ist? Nein, wir befinden uns eher im Bereich der Faszien, genauer gesagt an der Plantarfaszie.
Was die Ursache dafür ist und was Du tun kannst, um die Schmerzen wieder loszuwerden? Das erfährst Du hier.
Was ist die Plantarfaszie?
Die Plantarfaszie (Bild 1 in grün) ist eine Bindegewebsstruktur im Bereich der Fußsohle und zieht von der Unterseite der Ferse (Calcaneus) nach vorne in Richtung Zehen. Der Ansatzbereich an der Ferse ist auch der Part, an dem sich am häufigsten der schon erwähnte Fersensporn findet.
Unter anderem durch die Plantarfaszie wird das Längsgewölbe des Fußes aufrechterhalten. Zudem wirkt sie mit als Stoßdämpfer zum Beispiel beim Joggen, wenn der Fuß auf den Boden aufkommt (je mehr Du Vorfuß- oder Mittelfußläufer bist, desto mehr). Da hier sehr große Kräfte wirken können, handelt es sich um eine sehr feste Struktur.
Auf dem nebenstehenden Bild 1 wird der Windlass-Mechanismus verdeutlicht. Dieser bedeutet ganz vereinfacht, dass wenn die Zehen hochgezogen werden (Dorsalflexion), die Plantarfaszie gespannt wird.
Diesen Mechanismus machen wir uns später bei der Behandlung an mehreren Stellen zu Nutze.
Plantarer Fersenschmerz
Wie anfangs bereits erwähnt, ist der Fersensporn nach aktuellen Erkenntnissen nicht der Auslöser für die Schmerzen, die auftreten. Auch wenn er möglicherweise ein Anzeichen für einen der Risikofaktoren sein könnte, nämlich eine starke Belastung der Plantarfaszie. Aber dazu kommen wir etwas später.
Die Schmerzen treten typischerweise in der Nähe der Ferse auf, ungefähr dort, wo die Plantarfaszie am Knochen ansetzt. Dort findet sich auch am häufigsten (sofern er vorhanden ist) ein Fersensporn.
Insgesamt tritt das Krankheitsbild häufig auf, ungefähr 10 % der Bevölkerung werden im Laufe ihres Lebens darunter leiden. Die Prognose ist oft überschaubar, wenn wir uns einen Teil der Risikofaktoren und die leider oft ungünstige Behandlung anschauen, wird vielleicht auch für Dich erkennbar, warum das so ist.
Am häufigsten tritt die Erkrankung zwischen 45 und 60 auf. Vor allem bei Läufern, aber auch durchaus in jüngeren Jahren. Vielleicht erkennst Du hier schon bereits einen Risikofaktor und nein, es ist nicht das Laufen an sich.
Die Problematik ähnelt übrigens sehr stark Problemen wie Achillessehnentendinopathien oder anderen Tendinopathien, wie z.B. dem Runners Knie oder auch Golfer- bzw. Tennisellbogen.
Ging man früher noch davon aus, dass es sich um eine reine Entzündung, oder eine rein degenerative Veränderung handelt. So weiß man heute, wie bei vielen anderen orthopädischen Beschwerdebildern, dass es ein multifaktorielles Geschehen ist.
Exkurs Fersensporn
Wie Du in einem anderen Artikel bereits lesen konntest, passt sich der Körper an nahezu alle Belastungen an. Die Knochendichte erhöht sich beispielsweise sowohl durch Krafttraining, aber auch zum Beispiel durch Stoßbelastungen wie Joggen. Wenn ein Muskel wächst und immer mehr Kraft aufbauen kann, muss letzten Endes auch der Ansatz des Muskels am Knochen mitwachsen, um die Last übertragen zu können.
Eine Theorie zur Entstehung des Fersensporns, die für mich am plausibelsten ist, besagt, dass durch den ständig erhöhten Zug der Plantarfaszie der Ansatz an der Fußmuskulatur immer ausgeprägter wird, um sich der erhöhten Spannung anzupassen.
Risikofaktoren
Klare Evidenz gibt es für folgende Risikofaktoren:
- hoher BMI (außer bei Sportlern) und großer Taillenumfang
- reduzierte Beweglichkeit des oberen Sprunggelenks bei Beugung (Dorsalflexion)
- zu wenig Kraft der Waden- und Fußmuskulatur
Auch wenn es naheliegend wäre, ist nicht abschließen geklärt, inwieweit folgende Risikofaktoren eine Rolle spielen:
- Laufumfang
- Stehdauer im Alltag
- Fußdeformitäten mit Abflachung des Fußgewölbes
Vielleicht wird Dir auch jetzt klar, was ich mit meiner Aussage weiter oben meinte, dass der Fersensporn eher ein Anzeichen für einen der Risikofaktoren sein kann und an sich eine normale Reaktion des Körpers auf Belastung darstellt, die nicht schmerzhaft sein muss.
Therapie
Wir haben schon festgestellt, dass der Sporn an sich nicht das Problem ist. Leider ist dieses Wissen in der Therapiewelt noch nicht bis zu jedem durchgedrungen. Sodass es nach wie vor noch genug Ärzte und Therapeuten geben wird, die Dir versuchen werden, zu erklären, dass der Fersensporn wegmuss. Sei es durch Stoßwelle (die helfen kann, aber nicht durch „zertrümmern“ des Fersensporns) oder aber wenn „alles nichts hilft“ durch eine operative Entfernung des Fersensporns.
Vorher gibt es aber noch einiges mehr, was Du tun kannst:
- weichere Schuhe, stark gedämpfte Laufschuhe, Einlagen oder festes Tape (ja, ich selbst laufe mit Barfußschuhen, wenn die Schmerzen zu groß sind, macht es Sinn, die betroffenen Strukturen zu entlasten, zumindest für einen gewissen Zeitraum)
- Aufklärung und Belastungsmanagement (schauen wir uns gleich genauer an, neben einem kleinen Trainingsprogramm der in meinen Augen zielführendste Weg)
- Trainingstherapie (kommen wir gleich zu)
- Kortison (kann einen Startpunkt darstellen, wenn Schmerz zu groß ist, hat aber Nebenwirkungen)
- Stoßwellentherapie (plantarer Fersenschmerz ist eines der wenigen Krankheitsbilder, bei denen Stoßwellentherapie gute Ergebnisse zeigt, auch wenn der Fersensporn nicht zertrümmert wird!)
- Bestrahlung (würde für mich persönlich als letzter Schritt, nach Kortison kommen)
Die Variante, mit der ich die besten Erfahrungen habe (Training und Aufklärung)
Vielleicht wenig überraschend, aber diese beiden Punkte sind meiner Erfahrung nach am zielführendsten, wenn sie konsequent umgesetzt werden. Ergänzend versuchen wir natürlich herauszufinden, was in Deinem Falle weitere Risikofaktoren sind und gehen auch diese an.
Zunächst einmal ist wichtig, dass der Schmerz bei Belastung nicht zu hoch ist. Auf einer Schmerzskala von 0 bis 10 solltest Du Dich im Bereich bis maximal 5 bewegen. Vielleicht kennst Du ja bereits die Schmerzampel, wenn nicht, ist hier ein Link zu einem Instagrampost von mir, der dieses Tool erklärt. Im Fall von plantaren Fußschmerzen würde ich den gelben Bereich allerdings nur bis zu einer Intensität von 5 einplanen.
Wichtig ist zudem, dass während der Therapie Schmerz und Steifigkeit des Fußes nicht mehr werden sollten von Woche zu Woche.
Das Training setzt sich dann aus zwei Komponenten zusammen: Dehnübungen und Kräftigung.
Aber keine Sorge, der Aufwand ist tatsächlich überschaubar. Die Kräftigungsübung solltest Du 2 bis 3 Mal pro Woche durchführen. Die Dehnübungen kannst Du auch in diesem Rhythmus machen, wenn Du möchtest und es Dir gut tut, dann spricht auch nichts dagegen, diese täglich zu machen.
Dehnungen
Es geht vor allem darum, die Plantarfaszie und auch die Wadenmuskulatur zu dehnen. Hierfür gibt es 3 Dehnübungen. Falls Du Dich fragst, warum 3: bei der Wade geht es uns um zwei verschiedene Muskeln. Beide sind dafür wichtig, dass Du Dich auf die Zehenspitzen stellen kannst (Plantarextension). Einer (M. gastrocnemius) geht aber sogar übers Kniegelenk und kann dieses somit auch beugen.
Auf Bild 2 erkennst Du eine Dehnübung für die Plantarfaszie, mit der ich vermutlich starten würde. Wenn Dir diese Dehnübung nicht reicht, dann kannst Du Dich mit Bild 3 steigern.
Wenn Du Dich noch an den obigen Text erinnerst, wird Dir auffallen, dass wir uns den Windlass-Mechanismus zunutze machen, um die Dehnung aufzubauen.
Die großen Fragen bei Dehnübungen sind ja immer:
- Wie lange und
- wie intensiv?
Das lässt sich pauschal natürlich schwer beantworten.
Fangen wir erst einmal mit der Intensität an: Du solltest noch gut locker lassen können. Wenn Du die Zähne zusammenbeißen musst, um es auszuhalten, dann ist es zu intensiv. Wenn Du gar nicht merkst, dann ist es zu locker. Versuch für Dich selbst einen Sweetspot dazwischen zu finden.
Die Dauer ist etwas schwieriger. Ich persönlich bin ein Freund davon, solange die Dehnung zu halten, bis ich merke, dass die Spannung deutlich nachlässt. Erfahrungsgemäß ist das zu Beginn oft 1 Minute oder auch länger. Je regelmäßiger Du das machst, desto schneller klappt das von Mal zu Mal.
Ich habe aber auch schon Vorschläge von 10×10 Sekunden für die Plantarfaszie und 3×30 Sekunden für die Wade gelesen.
Die Dehnübungen für die Wadenmuskulatur (M. triceps surae) findest Du auf den Bildern 4 und 5. Bild 4 zeigt die Dehnung des M. gastrocnemius, des langen Anteils, der auch über das Kniegelenk geht und deswegen mit gestrecktem Knie durchgeführt wird.
Bild 5 hingegen zeigt die Dehnung des M. soleus, der lediglich das obere Sprunggelenk bewegt. Aus diesem Grund wird bei dieser Dehnung das Knie gebeugt.
Kräftigung
Dehnungen sind nützlich, um die Beweglichkeit zu verbessern, können aber auch das Gefühl einer erhöhten Spannung mindern. Um die Belastbarkeit des Gewebes zu verbessern, wirst Du aber Mittel- bis Langfristig nicht um Kräftigungsübungen herum kommen.
Der Vorteil beim plantaren Fersenschmerz ist, dass Du eine hauptsächliche Übung zur Kräftigung brauchst. Wir machen uns hier wieder den Windlass-Mechanismus zunutze.
Das zusammengerollte Handtuch hat den Sinn, dass über den uns schon bekannten Windlass-Mechanismus, mehr Spannung auf die Plantarfaszie kommt bei dieser Kräftigung der Wadenmuskulatur.
Wie Du herauslesen kannst, deckst Du mit dieser Übung also zwei Bereiche gleichzeitig ab:
- die Plantarfaszie
- die Wadenmuskulatur
Das nebenstehende Bild 6 zeigt die obere Position der Übung.
Bild 7 zeigt die unterste Position der Bewegung.
Bei der Durchführung der Übung sind zwei Dinge wichtig:
- geh über das gesamte Dir mögliche Bewegungsausmaß
- lass Dir Zeit in der Bewegungsausführung (3 Sekunden hoch, 2 Sekunden halten, 3 Sekunden ablassen)
Von der Wiederholungszahl würde ich mich am Bereich 8-12 Wiederholungen orientieren. Zunächst ohne Gewicht oder je nach Intensität der Schmerzen sogar mit Unterstützung des schmerzfreien Fußes. Später heraus darf auch gerne Zusatzgewicht ergänzt werden, damit der Trainingsreiz intensiv genug bleibt.
Wenn Du Dir die Übungen nochmal gerne in Bewegung anschauen möchtest, kannst Du das über das nebenstehende YouTube-Video gerne tun. Parameter wie die Wiederholungszahlen und ähnliches habe ich dort nicht erwähnt. Da es dort nur darum gehen soll, die Übungen zu wiederholen und nachschlagen zu können.
Ergänzende Übungen können manchmal Sinn machen, das ist aber vom individuellen Fall abhängig.
Fazit
Wie Du bereits gelernt hast, ist der Fersensporn nicht die Ursache für die Schmerzen. Er kann sogar ein Zufallsbefund sein, wenn man sich die schmerzhafte und die nicht betroffene Seite mal im Vergleich anschaut.
Es handelt sich um ein komplexeres Beschwerdebild, dessen exakte Ursache bis jetzt nicht eindeutig benannt werden kann.
Was wir aber wissen ist, dass Überlastungen der Plantarfaszie dazu führen können, dass es zu diesen Schmerzen kommt. Um diese zu lindern ist es also sinnvoll, mit einer Kombination aus Kraft- und Dehnübungen zu arbeiten. Ergänzend sollten natürlich auch Risikofaktoren angegangen werden, um die Beschwerden langfristig in den Griff zu kriegen.
Es sei noch dazu gesagt, dass die Behandlung nicht innerhalb von 2-3 Wochen erledigt ist. Rechne eher mit einem Zeitraum von 3 Monaten. Dies ist allerdings von weiteren Faktoren abhängig, wie Deiner Beschwerdedauer, Risikofaktoren, Regelmäßigkeit der Übungen und auch dem Belastungsmanagement.
Quellen
(1) Rosenbaum, Andrew & Dipreta, John & Misener, David. (2013). Plantar Heel Pain. Medical Clinics of North America. 98. 10.1016/j.mcna.2013.10.009.
(2) https://www.physiomeetsscience.net/wissenswertes-zum-plantaren-fersenschmerz-2021/
(3) https://flexikon.doccheck.com/de/Fersensporn
(4) https://flexikon.doccheck.com/de/Plantarer_Fersenschmerz
(5) Amboss
Wie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries.
Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier.
Diese Faszination versuche ich sowohl in meiner Arbeit an meine Patienten weiterzugeben, als auch mittels des Blogs und anderer Social Media Formate, wie YouTube…
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