Eine Frage, die ich von den meisten Schmerzpatienten so oder so ähnlich gestellt bekomme, manchmal auch mit der Variation, welche Bewegungen vermieden werden sollen. Die Kurzantwort an sich ist häufig relativ ähnlich und das unabhängig davon, was die Patienten haben (zu den Ausnahmen später):

„Den, der Dir Spaß macht und von den Schmerzen musst Du es ausprobieren.“
„Dafür geh ich jetzt zum Experten? Das hätte ich mir auch selbst beantworten können.“ werden sich jetzt sicher viele denken.

Klar, hättest Du, warst Dir aber selbst zu unsicher und hast Dich nicht getraut, sonst wärst Du nicht bei Deinem Arzt, mir oder einem anderen Therapeuten gewesen mit Deiner Problematik.

Das mag jetzt erstmal alles ziemlich plakativ klingen, ist auch von mir bewusst so formuliert, um das Nachdenken anzuregen und Deine Aufmerksamkeit zu wecken.

Natürlich gibt es von diesem Standard Abweichungen, spätestens wenn ein Patient eine OP hatte und vom Operateur ein konkretes Nachbehandlungsschema bekommen hat, was Limitierungen in der Bewegung vorsieht. In diesem Fall werde ich deutlich zurückhaltender sein und mich an den Vorgaben orientieren.

Auch bei akuten Schmerzen, die durch einen Unfall entstanden sind, lassen sich oft konkretere Bewegungen oder Verhaltensweisen benennen, die zu Beginn häufig nicht ideal sind. Das wichtige Wort hier ist allerdings zu Beginn. Mit einem Patienten mit akutem Bandscheibenvorfall würde ich nicht unbedingt damit starten, einen persönlichen Rekord im Kreuzheben aufzustellen. Mittel- bis langfristig gesehen, ist dies aber eine Übung, die ich mit sehr vielen Patienten trainiert habe. Und hier lande ich dann wieder beim zweiten Teil meiner obigen Aussage „von den Schmerzen musst Du es ausprobieren“.

Das Ziel meiner Behandlung ist immer „den Patienten wieder loszuwerden“.
Was meine ich damit?

Therapeutisch gesehen ist es mein Ziel, Patienten wieder zu mehr Selbstständigkeit zu verhelfen und Vertrauen in den eigenen Körper zu stärken. Ich versuche, dass ich über die Hinweise, die ich gebe und das Aufklären über Zusammenhänge peu à peu irgendwann obsolet zu werden und vielleicht per E-Mail kleine Rückfragen zu bekommen oder bei einem neuen Problem auf den Plan zu treten und auf meine Ratschläge die Aussage zu hören: „Okay, dann hab ich’s mir doch richtig gedacht.“

Was nicht heißen soll, dass ich Patienten nicht gerne wieder sehe. Aber die Abhängigkeit von mir als Therapeut ist etwas, was ich immer sehr zweischneidig sehe und versuche zu vermeiden.

Und was heißt jetzt der Sport, der Dir Spaß macht?

Keine Sorge, auf den ersten Teil meiner obigen Aussage komme ich noch.

Was nutzt das schönste Trainingsprogramm oder der tollste Sport, wenn man ihn nicht macht?

Klar gibt es Sportarten, die vielleicht zu Problem A oder Problem B besser passen. Zum Beispiel würde ich einem Patienten, der starkes Übergewicht hat, nicht als ersten Sport Joggen empfehlen und sehe bei vielen Beschwerden auch durchaus eher Vorteile bei verschiedenen Arten von Krafttraining.

Die Empfehlungen der WHO (https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/physical-activity) zum Thema Bewegung lautet übrigens, sich als Erwachsener (18-64 Jahre) jede Woche mindestens 150-300 Minuten, sich aktiv zu bewegen, mit moderater bis hoher Intensität. Alternativ sind auch 75-150 Minuten mit hoher Intensität ausreichend bzw. eine Kombination. Zudem wird an 2 oder mehr Tagen pro Woche Krafttraining, das alle wichtigen Muskelgruppen umfasst, mit mindestens moderater Intensität empfohlen.

Auf meiner Facebook Seite findet sich in einem Post vom 16.07.2022 eine Grafik von Physio Meets Science, die noch einmal schön die wichtigsten Dinge zusammenfasst, die zum Thema Bewegung wichtig sind.

Heißt das jetzt, dass ich einfach alles alleine machen kann und gar keinen Therapeuten brauche, um meine Schmerzen loszuwerden?

Kommt drauf an.

Wenn man sich mit entsprechendem Feingefühl an Bewegungen herantastet und auf die Reaktionen des Körpers hört, kann es sein, dass ich mich mit diesem Post selbst ins Aus geschossen habe und sich die Schmerzen alleine bewältigen lassen.

Sollte die Unsicherheit zu groß sein oder die Schmerzen zu groß, kann es Sinn machen, einen Arzt oder Therapeuten bei den persönlichen Beschwerden zu kontaktieren und sich Rat einzuholen. Ebenso wenn die Schmerzen durch Eigenmaßnahmen nachhaltig schlimmer werden, ist es angebracht, den Rat eines Experten einzuholen. Auch wenn es bei einem mehr an Schmerzen direkt nach einer Behandlung oder Übungen nicht zwingend heißen muss, dass es sich um eine Verschlechterung des zugrunde liegenden Problems handeln muss, ist es in diesem Falle oft sinnvoll, dies mit einem Experten zu besprechen.

Sollten vorher schon konkrete Fragen bestehen, finde ich es immer gut, wenn ich diese vorab gestellt bekomme, gerne auch per Mail. Manche Dinge lassen sich so schon vorab klären, vielleicht auch schon erste Tipps zu Übungen geben, um einen positiven Einfluss auf die Beschwerden zu nehmen. Falls nicht, kann ich die Informationen nutzen, um die Therapie im Voraus zielgerichteter zu planen. Aus diesem Grund verschicke ich vor der Behandlung auch immer meinen Anamnesebogen per Mail. Dieser birgt den weiteren Vorteil, dass die Wahrscheinlichkeit, dass etwas vergessen wird, deutlich reduziert ist und man sich in Ruhe Gedanken machen kann, zu den Fragen, die ich auch zu Beginn der Untersuchung stellen werde.

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