Unser Körper ist schon eine geniale Maschine. Du kratzt Dich irgendwo, vielleicht blutet es ein wenig und innerhalb weniger Tage verheilt das ganze. Übrig bleibt maximal eine Narbe. Im Normalfall verläuft dieser Prozess, wenn er nicht gestört wird, ohne Probleme ab.
In manchen Fällen kann es aber dazu kommen, dass Narben Probleme machen und auch eine gezielte Narbenbehandlung notwendig wird. Hier hängt es allerdings nicht alleine von der Größe der Wunde ab, sondern von vielen anderen Faktoren. Einige Störfaktoren betreffen die Wundheilung an sich, wie z.B. Diabetes oder überschießende Entzündungsreaktionen. Es kann aber meiner Erfahrung nach auch an einer traumatischen Situation rund um die Entstehung der Wunde zu Problemen mit Narben kommen.
Im folgenden Artikel geht es darum Narben zu behandeln, wenn sie funktionell stören. Das heißt die Beweglichkeit ist eingeschränkt, es entstehen Schmerzen oder Gefühsstörungen durch die Narbe oder ähnliches. Teilweise werden Narben auch kosmetisch behandelt, das ist aber nicht das Thema des aktuellen Beitrags.
Wundheilung
Zwar läuft die Wundheilung je nach Gewebe unterschiedlich lange ab, im groben orientiert sie sich aber an 3 (in der Literatur manchmal auch 4) Phasen. (1)
Die Phasen stellen übrigens keine abrupten Wechsel dar, sondern vollziehen einen fließenden Wechsel.
Alleine das Thema Wundheilung würde für mindestens einen eigenen Artikel genug Material liefern, ich halte mich dementsprechend hier sehr kurz. Bei größerem Interesse kann ich Dir als „sachten“ Einstieg in die Tiefen des Themas das Buch von Chris Eikelmeier (1) sehr ans Herz legen. Das Buch nutze ich für den kommenden Abschnitt auch als Hauptquelle und nenne es dort entsprechend nicht immer wieder.
Ein grundlegendes Vorgehen bei Verletzungen in der Anfangsphase habe ich in diesem Artikel bereits beschrieben.
Akutphase (Entzündungsphase)
Die erste Phase ist auch zugleich die kürzeste Phase und dauert in der Regel etwa 2-10 Tage.
Nach einer Verletzung kümmert sich der Körper zunächst darum, dass Wunden verschlossen werden. Es bildet sich ein Thrombus zum Wundverschluss und die Gerinnungskaskade beginnt abzulaufen.
Die entstehende Entzündung sorgt dafür, dass die Baumaterialien und auch die kleinen Helfer Deines Körpers vermehrt zum Ort des Geschehens gelangen. Die Wunde wird zunächst gereinigt, um anschließend repariert zu werden.
Klassische Zeichen für die Entzündung sind Röte, Erwärmung, Schwellung, Schmerz und Funktionsverlust.
Auch wenn die Entzündung oft nach wie vor einen schlechten Ruf hat, so läuft keine Heilung ohne Entzündung ab. Der Einsatz von Schmerzmitteln, die über eine Entzündungshemmung wirken (v.a. NSAR), sollte also vor allem in der Akutphase stark überdacht werden. Diesem Thema habe ich mich bereits in einem früheren Video gewidmet.
In dieser Phase macht es Sinn, sich an den Reaktionen Deines Körpers zu orientieren. Ganz banal: Mach was Dir guttut, lass das sein, was nicht guttut bzw. schmerzt. Etwas detaillierter kannst Du das, wie erwähnt, hier nochmal nachlesen.
Proliferationsphase
Die Proliferationsphase findet nach der Entzündungsphase statt und dauert bis ca. 3 bzw. 8 Wochen nach einer Verletzung an.
In dieser Zeit bildet sich Typ 3 Kollagen (quasi eine Übergangslösung), das zusätzlich mit Crosslinks stabilisiert wird. Crosslinks, der Name deutet es an, sind kleine Verbindungen zwischen den Kollagenfasern, die für mehr Stabilität sorgen, diese aber auch in der Mobilität einschränken.
Das Wachstum des Kollagens ist erstmal ziemlich chaotisch (ein bisschen wie ein Wollknäuel) und es richtet sich erst durch gezielte Bewegungsreize aus. Diese sind entsprechend auch so wichtig, mögen sie zu Beginn auch noch so klein sein. Ähnlich läuft es auch bei den Crosslinks ab.
Umbauphase
Bis das Gewebe wieder zurück zu alter Stärke gelangt, dauert es etwa 6 bis 18 Monate nach einer Verletzung. Klingt lange, oder?
Auch hier ist es aber natürlich so, dass die Belastbarkeit des Gewebes von Tag zu Tag zunimmt (wenn nichts dazwischen kommt).
In dieser Phase wird das Typ 3 Kollagen umgebaut zu Typ 1 Kollagen, was deutlich belastbarer ist, als die Übergangslösung.
Störungen der Wundheilung
Es gibt viele Faktoren und auch Krankheiten, die eine Wundheilung stören können. Ein großes Problem, was auch zu Verwachsungen im Narbenbereich führen kann, sind übermäßige Entzündungsreaktionen. Die Entzündungsphase, die wir eben als guten Partner kennengelernt haben, wird dann zum Problem, weil die Entzündung zu lange andauert oder zu stark ist.
Ein Beschwerdebild, was sich hierdurch bilden kann, ist die sogenannte Arthrofibrose, bei der nach OPs im Gelenkbereich zu Beweglichkeitseinschränkungen durch überschießende Narbenbildung kommen kann. (2)
Eine Grunderkrankung, die das Entstehen begünstigen kann, ist beispielsweise Diabetes mellitus.
Was ist eine Narbe?
Manche Strukturen in unserem Körper, wie beispielsweise die Leber, manche Nervenfasern oder auch Knochen regenerieren sich und können ohne Narben ausheilen. Bei vielen anderen Geweben, wie zum Beispiel Sehnen oder auch anderen hauptsächlich kollagenen Geweben, kommt es zu einer Narbenbildung. (3)
Der Körper bildet vereinfacht gesagt eine Ersatzstruktur, die in der Funktion dem ursprünglichen Gewebe nahekommt, es aber nicht gänzlich ersetzen kann.
Correa-Gallegos et al. (2019) konnten im Tierversuch zeigen, dass Narben sich aus der subkutanen Faszie (Unterhautfettgewebe, auch fascia superficialis) heraus zu bilden scheinen. Hierbei „wandern“ spezielle Zellen (Fibroblasten) aus der Faszie nach oben zur Wunde und können umliegendes Gewebe (wie Nerven oder auch Blutgefäße) mit ziehen.(4)
Beschwerden durch Narben
Zunächst einmal machen Narben oft keine Beschwerden.
Es kann aber auch passieren, dass es durch Narben und vor allem Verwachsungen zu Schmerzen, Missempfindungen oder Bewegungseinschränkungen kommen. Im Falle von OP Narben im Bauchraum kann es durch Verwachsungen auch zu Verdauungsproblemen wie Verstopfungen bis hin zum Darmverschluss kommen.
Narbenbehandlung
Viele der folgenden Behandlungsmöglichkeiten sind in Studien nicht allzu gut untersucht und stellen Erfahrungswerte dar. Ich gehe vor allem auf die Möglichkeiten ein, die ich in meinen Behandlungen einsetze oder auch früher eingesetzt habe.
Aus meiner Erfahrung heraus, würde ich allerdings sagen, dass der psychische Effekt einer Narbenbehandlung, vor allem im späteren Verlauf, vermutlich wichtiger ist, als der physische Effekt.
Wirklich auf Gewebeebene wirkt vor allem die erste Behandlungsmöglichkeit.
Bewegung
Vorbeugen ist immer besser als behandeln. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Du nach der Entzündungsphase früh genug anfängst den verletzten Bereich wieder zu bewegen.
Wie Du weiter oben gelernt hast, brauchst Du die Bewegung, um die Kollagenfasern entsprechend auszurichten und so die gewünschte Beweglichkeit zu erhalten. Übertreiben solltest Du es hierbei natürlich auch nicht, sondern Dich an den Rückmeldungen Deines Körpers orientieren.
Auch wenn die Heilung der Wunde rum ist, ist es nötig den Bereich zu bewegen, um Beweglichkeit zu erhalten. Das ist aber bei jeder Struktur im Körper so.
Manuelle Narbenbehandlung
Sowohl in der Physiotherapie, als auch der Osteopathie gibt es verschiedene Möglichkeiten, als Therapeut Narben manuell (mit den Händen) zu behandeln.
Wird die Narbe bereits früh in der Wundheilung behandelt, liegt das Ziel darin, die Ausrichtung der Kollagenfasern positiv zu beeinflussen. Bei einer späteren Behandlung ist die Theorie, die oft gelehrt wird, dass sich hierüber Crosslinks „zerstören“ lassen (halte ich für eingeschränkt machbar) und auch Spannungen im Gewebe positiv zu beeinflussen (klappt eher, teils auch mit Sicherheit durch Einfluss auf Psyche).
Schröpfen
Beim Schröpfen geht man davon aus, dass sich hierüber Verklebungen und auch Crosslinks lösen lassen. Für das Gewebe (und auch von der Schmerzintensität) ist das Schröpfen meist intensiver, als die manuelle Narbenbehandlung.
Da es tatsächlich zu kleinen Verletzungen kommt (was denkst Du, woher die blauen Flecken sonst kommen?!), haben wir nach einer solchen Behandlung auch immer eine Entzündung und auch eine neue Wundheilung.
Das kann durchaus manchmal sinnvoll sein und gewollt sein. Es kann aber auch kontraproduktiv sein und sollte deshalb immer bedacht werden.
Beim Schröpfen wird ein regional begrenztes Vakuum auf bestimmten Bereichen der Körperoberfläche erzeugt. Am bekanntesten ist es vermutlich im Bereich der traditionell chinesischen Medizin, es ist aber auch in vielen anderen Kulturen bekannt.
Da ich in der Praxis nicht gerne mit Feuer hantiere, nutze ich entweder Gläser, die einen Ball obendrauf haben, um das Vakuum zu erzeugen oder aber Gläser, bei denen mittels einer Handpumpe das Vakuum erzeugt wird.
Kinesio-Tape und Cross-Tapes
Das Tapen der Narbe hat das Ziel, die Spannung im Gewebe zu reduzieren und somit die Beweglichkeit zu verbessern und auch andere Symptome zu lindern.
Da hierfür ein längerer Zeitraum notwendig ist, nutze ich in der Behandlung lieber sogenannte Cross-Tapes. Diese sind in der Nutzung deutlich einfacher und können vom Patient auch super alleine genutzt werden. Aufgebracht werden diese einfach, indem die Narbe mit einer Hand etwas auseinander gezogen wird (ungefähr senkrecht zur Narbe) und mit der anderen wird das Cross-Tape ähnlich wie ein Pflaster angebracht.
Kinesio-Tape lässt sich auch nutzen, ist aber mit etwas mehr Aufwand verbunden, wodurch es von Patienten häufig etwas unregelmäßiger genutzt wird. Funktionieren tut beides meiner Erfahrung nach in etwa gleich gut.
Ein Video mit Anleitung für beide Versionen findest Du nebenstehend.
Da hierfür ein längerer Zeitraum notwendig ist, nutze ich in der Behandlung lieber sogenannte Cross-Tapes. Diese sind in der Nutzung deutlich einfacher und können vom Patient auch super alleine genutzt werden. Aufgebracht werden diese einfach, indem die Narbe mit einer Hand etwas auseinander gezogen wird (ungefähr senkrecht zur Narbe) und mit der anderen wird das Cross-Tape ähnlich wie ein Pflaster angebracht.
Kinesio-Tape lässt sich auch nutzen, ist aber mit etwas mehr Aufwand verbunden, wodurch es von Patienten häufig etwas unregelmäßiger genutzt wird. Funktionieren tut beides meiner Erfahrung nach in etwa gleich gut.
Ein Video mit Anleitung für beide Versionen findest Du nebenstehend.
Neuraltherapie
Die Neuraltherapie geht auf die Gebrüder Huneke zurück. Die Theorie hinter dieser Behandlung geht davon aus, dass sich zum Beispiel durch Narben sogenannte Störfelder bilden können, die zu verschiedensten Problemen wie z.B. Schmerzen führen können.
In der Behandlung wird dieses Störfeld klassischerweise mit einem lokalen Betäubungsmittel, wie Procain oder Lidocain „angespritzt“. Da eine Wirkung sich direkt zeigt, spricht man hier vom sogenannten „Sekundenphänomen“.
Vom Arzt kennst Du es vielleicht, wenn ein schmerzhafter Bereich „gequaddelt“ wird. Das ist an sich sehr ähnlich.
Fazit
Das Wichtigste ist, dem Körper von Anfang an gute Bedingungen zu schaffen, damit eine Narbe nicht zum Problem wird. Hier gilt es sowohl auf eine passende Belastung zu achten, um die Wundheilung zu unterstützen, als auch auf Ernährung und die restliche Gesundheit zu achten (Stichwort Diabetes mellitus)
Wenn es an die Behandlung von problematischen Narben geht, stehen zwar verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, diese können aber zum Teil einige Zeit in Anspruch nehmen. Der Umbau von Kollagen beträgt etwa 300-500 Tage (Turnover Rate).
Eine Behandlung muss zwar nicht über den ganzen Zeitraum erfolgen, kann aber dennoch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen.
Quellen
(1) Eikelmeier, Chris (2023). Diagnose sportunfähig!? : der Ratgeber für evidenzbasierte Rehabilitations- und Ernährungsstrategien bei Verletzungen und Schmerzen. Anröchte : Chris Eikelmeier
(2) https://www.physiomeetsscience.net/die-arthrofibrose-des-kniegelenks/
(3) https://www.physiomeetsscience.net/bandheilung-und-bewegung/
(4) Correa-Gallegos, D., Jiang, D., Christ, S., Ramesh, P., Ye, H., Wannemacher, J., Gopal, S. K., Yu, Q., Aichler, M., Walch, A., Mirastschijski, U., Volz, T. & Rinkevich, Y. (2019). Patch repair of deep wounds by mobilized fascia. Nature, 576(7786), 287–292. https://doi.org/10.1038/s41586-019-1794-y
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Wie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries.
Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier.
Diese Faszination versuche ich sowohl in meiner Arbeit an meine Patienten weiterzugeben, als auch mittels des Blogs und anderer Social Media Formate, wie YouTube…
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