Das Piriformis Syndrom

Das Piriformis Syndrom

Das Piriformis Syndrom wird gerne als Erklärung genutzt, wenn Beschwerden im Bereich des unteren Rückens auftreten oder der Ischiasnerv Probleme macht. Aber stimmt es wirklich, dass ein kleiner Muskel alleine so oft für Beschwerden verantwortlich ist? Wenn ja, woran liegt das und wenn nein, was kann noch dafür verantwortlich sein? Wir schauen uns wie immer zuerst die Anatomie an, gehen über zum Piriformis Syndrom und was das eigentlich bedeutet und schauen uns zum Abschluss an, wie das ganze behandelt werden kann. Anatomie (1, 2, 3) Der Musculus piriformis ist ein Teil der Gesäßmuskulatur und liegt unter dem Musculus gluteus maximus (großer Gesäßmuskel, quasi der Hauptteil des Hinterns, den Du siehst). Sein Ursprung ist am Sakrum (Kreuzbein), dem Ligamentum sacrotuberale (zieht vom Kreuzbein zum Sitzbeinhöcker) und der Gelenkkapsel des Iliosakralgelenks (ISG), von wo aus er zum Trochanter major (der Knochenfortsatz, den Du seitlich am Oberschenkel auf Hüfthöhe spürst) des Oberschenkelknochens zieht. Die Hauptfunktionen des Piriformis ist die Außenrotation der Hüfte. Zudem bewirkt er im Hüftgelenk noch eine Abduktion (seitliches Abgrätschen des Beins), sowie eine Stabilisation und Streckung des Hüftgelenks. (1, 2, 3) Es wird auch diskutiert, ob er ab einer gewissen Beugung (ca. 80°) von seiner Rolle als Außenrotator zum Innenrotator wechselt (1), hierzu findet man in der Literatur aber unterschiedliche Angaben. In seinem Verlauf zieht der Muskel durch das sogenannte Foramen ischiadicum majus (Durchtrittstelle im Beckenbereich, wird nachher beim Piriformis Syndrom wichtig) und unterteilt es in zwei Teile (1). Durch den unteren Anteil zieht unter anderem der Ischiasnerv. Wie genau ist allerdings nicht einheitlich (wie vieles in der Anatomie). Bei ca. 15 % der Bevölkerung zieht ein Teil des N. ischiadicus (N. fibularis) direkt durch den M. piriformis. Bei 85 % der Bevölkerung zieht der Nerv unterhalb des Muskelbauchs entlang und bei 0,5 % oberhalb (3). Das Piriformis Syndrom Mögliche Beschwerden Der Begriff Piriformis Syndrom wurde 1947 erstmals von Dr. Daniel Robinson beschrieben (4). Da er Chirurg war, war sein Behandlungsansatz (wen wundert es) eine Operation. Wenn der Piriformis Beschwerden verursacht, kann es zu verschiedenen Symptomen kommen. Zum einen, wie bei fast allen Muskeln, können Schmerzen lokal auftreten (wenig überraschend), also entweder im Gesäßbereich oder im unteren Rücken. Aufgrund der Nähe zum Ischiasnerv kann es aber auch zu Ischiasbeschwerden kommen, im Rahmen des Piriformis Syndroms. Hierbei handelt es sich dann um ein ähnliches Nervenengpasssyndrom, wie beim Karpaltunnelsyndrom. Gründe können Unfälle sein (Hauptthese von Robinson) oder Überlastungsprobleme, die zu einer dauerhaft erhöhten Anspannung im Muskel führen bzw. auch eine Hypertrophie (Dickenwachstum) des Muskels oder aber ein ungünstiger Verlauf des Ischiasnervs im Vergleich zum Piriformis (5). Testung Das Ziel der Untersuchung ist zum einen anderen Auslöser auszuschließen, wie beispielsweise einen Bandscheibenvorfall oder eine Arthrose der Hüfte und zum anderen die Symptome durch Dehnung oder Anspannung des M. piriformis zu provozieren. Es gibt beispielsweise zwei Provokationstests für den Piriformis. Einer wird in Rückenlage durchgeführt, bei isometrischer Anspannung der Hüfte in Innenrotation und vorheriger passiver Einstellung der Hüfte in Beugung, Adduktion (zur Körpermitte herangeführt) und Außenrotation der Hüfte (6). Der andere Test wird in Seitlage mit 60° Hüftbeugung und Beugung des Knies beim oberen Bein durchgeführt. Hierbei wird das Becken fixiert und das obere Knie nach unten gedrückt (somit in Innenrotation) (6). Hier haben wir also zum einen eine aktive Variante und zum anderen eine rein passive Möglichkeit zum Testen des Piriformis. Häufig liefern aber auch schon die Anamnese und eine allgemeine körperliche Untersuchung gute Hinweise auf die Gesäßmuskulatur allgemein. Persönlich habe ich bis jetzt noch nicht exakt differenzieren müssen, welcher Teil der tiefen Gesäßmuskulatur genau betroffen ist. Behandlung Hier kommt es ein wenig darauf an, welche Symptome im Vordergrund stehen.  Wenn der Ischiasnerv mit betroffen ist, würde ich zunächst mit sachten Nervenmobilisationen (Slider) starten, um diesen zu beruhigen. Hierzu habe ich nebenstehend einen Link angefügt. https://youtu.be/1erJjVtv4OQ Wenn ein zu verspannter Piriformis das Problem ist, würde ich in der Behandlung durch zum Beispiel Triggerpunkttherapie ansetzen, was Du zum Beispiel über einen Lacroseball oder Faszienrollen auch selbst versuchen kannst. Da die schmerzhaften Verspannungen aber oft damit zusammenhängen, dass der Muskel überlastet ist, weil er für die geforderten Belastungen nicht genug Kraft hat, sind zusätzliche Kräftigungen oft sinnvoll.  https://youtu.be/Px5aLfB6vgQ Hier kannst Du zum Beispiel mit der einbeinigen Brücke oder der Abduktion aus der Seitlage (evtl. mit zusätzlicher aktiver Außenrotation arbeiten) (2).  Die Übungen kannst Du auch in den nebenstehenden Videos finden. https://youtu.be/6QyQb0WqEjc Wichtig ist, dass der Piriformis hauptsächlich dann aktiv wird, wenn Du eine Außenrotation der Hüfte halten musst. Zusätzlich wird bei Abduktionsbewegungen (seitliches Abgrätschen) und auch Streckung der Hüfte (Extension) der Muskel gefordert (2). Ergänzend kann es manchmal Sinn machen, mit Dehnübungen zu arbeiten, um hierüber eine Entspannung und Schmerzlinderung zu erzielen. Hierzu ist es am effektivsten, wenn Du die Hüfte zwischen 115 und 120° beugst, 40 -50° Außenrotation (Unterschenkel wird nach innen gedreht) und 25-30° Adduktion (zur Körpermitte hin) einstellst (7). Während der Dehnung solltest Du allerdings darauf achten, dass Symptome, die mit dem Ischiasnerv zusammenhängen, wie Taubheit, Kribbeln nicht auftreten. Sollten diese Symptome durch Dehnübungen oder das Arbeiten mit Lacrosseball bzw. Faszienrolle auftreten, lass sie erstmal weg und sprich mit Deinem Behandler nochmal darüber. Fazit Auch wenn der Piriformis scheinbar prädestiniert ist Probleme hervorzurufen, durch eine Einengung des Ischiasnervs, so denke ich nicht, dass er immer der alleinige verantwortliche ist und in dieser Hinsicht etwas überschätzt wird. Er wird mit Sicherheit oft einen Anteil zu den Beschwerden beitragen, sie allerdings nicht alleine verursachen. https://youtu.be/WvwbWimMej0 Zum Podcast Quellen (1) https://flexikon.doccheck.com/de/Musculus_piriformis (2) https://www.physiomeetsscience.net/uebungsformen-zur-aktivierung-der-kurzen-hueftrotatoren-teil1-m-piriformis/ (3) Schünke, M., Schulte, E., Schumacher, U., Voll, M.,, Wesker, K. (2007). Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Stuttgart: Thieme. (4) ROBINSON D. R. (1947). Pyriformis syndrome in relation to sciatic pain. American journal of surgery, 73(3), 355–358. https://doi.org/10.1016/0002-9610(47)90345-0 (5) https://www.physiomeetsscience.net/deep-gluteal-pain-syndrome-das-tiefe-glutealsyndrom-im-kontext-des-extra-arktikulaeren-hueftimpingements-teil-1/ (6) https://www.physiomeetsscience.net/deep-gluteal-pain-syndrome-das-tiefe-glutealsyndrom-im-kontext-des-extra-arktikulaeren-hueftimpingements-teil-2/ (7) https://www.physiomeetsscience.net/die-biomechanisch-optimale-dehnung-des-m-piriformis/ Disclaimer Im Text befinden sich sogenannte Affiliate-Links zu Amazon. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Für Dich kommt es hierbei zu keinen Mehrkosten, es unterstützt mich lediglich in meiner Arbeit. Etienne RiesWie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries. Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen

Kreuzheben – die wichtigste Übung für Deinen Rücken

Die wichtigste Übung für einen gesunden Rücken - Kreuzheben

Normalerweise wirst Du von mir nicht hören, dass eine Übung wichtiger ist, als andere, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es gibt allerdings eine einzige Ausnahme und das ist das Kreuzheben. Eine Übung, die vielen Menschen Respekt einflößt und gerade bei „Rückenpatienten“ und auch einigen Behandlern Ängste hervorruft. Doch diese Befürchtungen sind mit der richtigen Herangehensweise unbegründet und können sogar den Behandlungserfolg schmälern. Denn vor einer Sache haben die meisten „Rückenpatienten“ Angst und das ist (schweres) Heben. Was denkst Du, sollte also ein Trainingselement sein? Richtig, (schweres) Heben und die Übung, die uns das am besten ermöglicht ist, Kreuzheben. Und auch wenn Du keine Schmerzen hast, ist Kreuzheben die Übung, die ich jedem empfehlen würde, um einen starken und belastbaren Rücken zu erhalten. Rückenschmerzen Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Krankheitsbild, was auch zu vielen Krankschreibungen führt. Die Ursachen sind vielfältig und sollten immer auch gezielt angegangen werden. Die von vielen Patienten gefürchtetste Ursache sind Bandscheibenvorfälle, es können aber auch viele andere Strukturen für die Schmerzen verantwortlich sein. Warum Training bei Schmerzen wichtig ist Es gibt viele Gründe, warum es wichtig ist, dass betroffene Strukturen im Verlaufe der Heilung wieder belastet werden. Einer davon ist, dass eine Steigerung der Belastbarkeit abhängig von der Belastung ist. Da ich dem Thema bereits einen eigenen Artikel gewidmet habe, an dieser Stelle die Kurzfassung. Der Körper passt sich an nahezu alle Anforderungen, die an ihn gestellt werden, an, solange die Dosis stimmt und er genug Zeit für die Anpassung erhält. Die Ursachen für Schmerzen sind vielfältig, was aber vor allem bei chronischen Schmerzen irgendwann passiert ist, dass die Belastbarkeit der Strukturen nachlässt. Betroffene Muskeln verlieren zum Beispiel Kraft, da sie seltener genutzt werden und bestimmte Bewegungen werden schwieriger, da Du sie vermeidest und evtl. mit Schmerzen verknüpfst. Es wird also schwierig, beim Kreuzheben von jetzt auf gleich über 100 kg zu heben. Im Laufe der Zeit aber ein Ziel, dass sich leichter erreichen lässt, als viele denken würden. Kreuzheben Kreuzheben ist im Grunde eine simple Übung: Du hebst ein Gewicht vom Boden liegend hoch und führst es wieder runter. Zack, die erste Wiederholung ist erledigt. Daher auch der englische Name der Übung: Deadlift, ein Heben (Lift) von einem toten Punkt aus. Wenn es um das Ziel geht, möglichst hohe Gewichte zu heben und das auch im Wettkampf, kann es definitiv komplexer werden. Für die Anwendung im therapeutischen Setting muss es allerdings nicht so viel komplexer werden. Technik Wie angedeutet gibt es nicht die eine perfekte Technik. Allerdings gibt es ein paar Punkte, die Dir helfen können, effektiver zu heben. Diese lassen sich bis zu einem gewissen Grad auch auf das Heben im Allgemeinen übertragen. Im Folgenden wollen wir uns anschauen, wie eine Wiederholung des klassischen Kreuzhebens mit der Langhantel abläuft.  Schuhe Beim Kreuzheben vielleicht nicht ganz so relevant wie bei der Kniebeuge, aber bei Freihantelübungen würde ich persönlich auf Laufschuhe verzichten. Die Dämpfung sorgt leider für einen instabilen Stand und somit für ein höheres Verletzungsrisiko. Zudem verpufft auch ein Teil Deiner Kraft in der Dämpfung, was auch schade und unnötig ist. Es gibt spezielle Schuhe fürs Krafttraining, speziell auch für diese Form von Übungen bzw. Gewichtheber, barfuß oder mit Schuhen, die lediglich eine dünne Sohle haben, klappt es aber genauso. Persönlich nutze ich eine Art Sockenschuhe, die Du auch auf den Bildern bzw. im Video siehst. Der Vorteil ist, dass ich damit auf dem Boden einen guten Halt habe und nicht so schnell wegrutschen kann. Startposition In der Startposition befindet sich der Mittelfuß unter der Stange (Bild 1). Die Arme sind gestreckt und stehen senkrecht zum Boden, sodass die Hantelstange unter den Schultern liegt (Bild 2). Der Rücken befindet sich in seiner „natürlich geraden“ Position (Bild 3). An diesen Punkten sollte sich während des gesamten Hebevorgangs auch nichts ändern. Bild 1 Bild 2 Bild 3 Das Heben Der Impuls kommt aus den Beinen, indem die Knie gestreckt werden. An der Position des Oberkörpers verändert sich im ersten Teil der Bewegung nichts, dieser wird zunächst parallel verschoben. Erst wenn die Hantel die Knie passiert, wird die Hüfte aktiv in die Streckung gebracht und der Oberkörper beginnt sich aufzurichten. Das Ende der Bewegung ist erreicht, wenn Du im geraden Stand ankommst und Hüfte und Knie gestreckt sind. Ablegen Das Ablegen läuft mehr oder weniger genau so ab, wie das Heben. Zunächst beugst Du die Hüfte und wenn die Hantel ungefähr auf Kniehöhe ist, beginnst Du die Knie zu beugen, bis das Gewicht wieder am Boden ankommt. Das Ablegen darf auch deutlich schneller ablaufen, als der Lift an sich. Variationen Es gibt etliche Variationen des Kreuzhebens, wobei die meisten im Therapiesetting nicht unbedingt benötigt werden. Die beiden Varianten, die in meinen Augen im Therapiesetting am ehesten eine gute Option darstellen, sind das rumänische Kreuzheben und Jefferson Curls.  Rumänisches Kreuzheben Das rumänische Kreuzheben unterscheidet sich vom klassischen Deadlift nur in sehr wenigen Punkten: Das Gewicht wird nicht abgelegt und die Abwärtsbewegung ist deutlich langsamer als beim klassischen Kreuzheben. Der restliche Bewegungsablauf bleibt an sich gleich. Manchen Menschen fallen sogenannte zyklische Bewegungen einfach leichter, sodass es in diesem Fall einen einfacheren Einstieg darstellt. Zudem brauchst Du keine spezielle Unterlage unter der Hantel und Du wirst Nachbarn weniger mit lauten, fallenden Gewichten stören. Jefferson Curls Bei Jefferson Curls machst Du quasi das, was Du beim klassischen Kreuzheben versuchst zu vermeiden. Du hebst rein aus dem Rücken und rundest diesen dazu ein. Gerade nach einem akuten Bandscheibenvorfall würde ich mit dieser Form nicht zu früh einsteigen. Im weiteren Heilungsverlauf macht es aber durchaus Sinn, auch diese Form zwischendurch einzubauen. Nicht unbedingt immer mit dem Ziel ein maximales Gewicht zu erreichen, bei manchen Patienten ist das Ziel auch einfach, diese Bewegung wieder zuzulassen und Vertrauen in den Körper zu stärken. In der Arbeit mit Patienten bin ich mit den Gewichten bei Jefferson Curls meist bei unter 50 kg geblieben.  Von der Technik ist die Idee, dass Du aus dem Stand Wirbel für Wirbel einrollst in die Beugung und Dich dann Wirbel für Wirbel wieder aufrollst in den geraden Stand.  Mit geringem Gewicht ist

Ist es wirklich der Ischiasnerv?

Liegt das am Ischiasnerv?

Der untere Rücken oder vielleicht auch der Gesäßbereich schmerzen? Wenn Du schon einige Artikel von mir gelesen hast, dann wirst Du vielleicht nicht ganz so schnell die Hypothese „Ischias“ in den Raum werfen. Vielen Patienten geht es aber noch anders und sie werden diese Eigendiagnose schnell stellen, was leider oft genug zu Nocebos führt. Egal, ob Du schon etwas fortgeschrittener bist in Deinem medizinischen Wissen oder nicht, nach diesem Artikel, wirst Du über den Ischias und auch Deinen Rücken genauer Bescheid wissen. Anatomie Der Ischiasnerv (auf schlau: Nervus ischiadicus) beginnt im Bereich des unteren Rückens (4. Lendenwirbel bis 3. Sakralwirbel). Er ist der größte Nerv im menschlichen Körper und enthält sowohl sensible als auch motorische Fasern. Die Nervenwurzeln vereinigen sich aus dem Plexus sacralis und ziehen unterhalb der Gesäßmuskulatur weiter in Richtung Kniekehle. Im Bereich des Oberschenkels verläuft er unter dem M. biceps femoris (der außen liegende Teil der ischiocruralen Muskulatur). Oberhalb des Kniegelenks teilt er sich in die beiden Äste (Nervus tibialis und den Nervus fibularis (peroneus) communis) auf. Wo diese Trennung exakt stattfindet, ist sehr unterschiedlich, teils findet diese bereits auf Höhe der Gesäßmuskulatur statt. In der Fachliteratur findet man auch Verweise darauf, dass der Ischiasnerv eigentlich kein eigenständiger Nerv sei, sondern lediglich eine bindegewebige Zusammenlagerung der getrennten Faseranteile, quasi wie ein Kabelkanal. Die beiden Anteile versorgen im weiteren Verlauf den Unterschenkel motorisch (komplett) und auch größtenteils sensibel (bis auf das Areal des N. saphenus). Funktion des Ischiasnervs Wie schon beschrieben, ist der Ischiasnerv von seiner Funktion ein gemischter Nerv, das heißt, er hat sowohl sensible als auch motorische Fasern. Motorisch steuert er die Funktion folgender Muskeln: M. adductor magnus (Adduktor, unterstützt Innenrotation bzw. Streckung jeweils der Hüfte) Mm. ischiocrurales (Beuger des Kniegelenks, größtenteils auch Strecker der Hüfte) M. semitendinosus (zusätzlich Innenrotation des Kniegelenks) M. semimembranosus (zusätzlich Innenrotation des Kniegelenks) M. biceps femoris (zusätzlich Außenrotation des Kniegelenks, der kurze Anteil streckt nicht die Hüfte)   Sensibel versorgt der Ischiasnerv den Rückseiten Oberschenkel und fast den gesamten Unterschenkel, bis auf einen Streifen am medialen (zur Körpermitte hin) Bereich des Unterschenkels. Mögliche Beschwerden Es gibt zwei Richtungen, über die sich Nervenproblemen zeigen können: Motorische Probleme (Kraftverlust) Sensible Beschwerden (Parästhesien, Schmerzen, Taubheit, Verlust der Beweglichkeit)   Je nachdem, welcher Anteil eines Nervs betroffen ist, tritt entweder nur ein Teil oder auch beide auf. Motorische Beschwerden sind meiner Erfahrung nach zum Glück deutlich seltener, als sensible Beschwerden. Starke motorische Ausfälle sind dann auch meist einer der wenigen Gründe, die für eine zeitnahe Operation sprechen. Oft überwiegen sensible Störungen, wie Taubheit, Parästhesien (Missempfindungen) oder auch Schmerzen. Schmerzen im Bereich des Rückens treten übrigens seltener bzw. stärker auf, als Schmerzen im Bereich des unteren Rückens. (4) Je nach Auslöser können Husten, Niesen bzw. tiefes Atmen die Schmerzen verstärken. Manchmal kann es bei Problemen im Bereich des Ischiasnervs auch dazu kommen, dass die Beweglichkeit im Bereich des Beines nachlässt. Es kann dann so wirken, als ob die ischiocrurale Muskulatur (Oberschenkelrückseite) „verkürzt“ wäre. Differenzieren lässt sich das zum Beispiel im Rahmen des „Straight Leg Raise“ (SLR) Tests (6) oder aber im Rahmen des Slump-Tests (Bild 1 und Bild 2). Diese Unterscheidung ist wichtig, um die passende Behandlung finden zu können. Bild 2 (Slump-Test) Auslöser der Beschwerden Auch hier gibt es viele Möglichkeiten. Die häufigsten (4) sind: Bandscheibenvorfälle Stenosen (meist altersbedingte Verengungen der Wirbelsäule) Zysten   Eine weitere Möglichkeit sind Verletzungen zum Beispiel der ischiocruralen Muskulatur, Hüftgelenks-OPs, oder zu verspannte Muskeln (v.a. im Bereich der Gesäßmuskulatur, z.B. im Rahmen des sogenannten Piriformis-Syndroms). Wichtig ist es im Rahmen der Untersuchung festzustellen, welcher Auslöser vorliegt, um die Behandlung möglichst effizient zu gestalten. Therapie Gerade wenn Du hörst, dass auch strukturelle Veränderungen zu Ischiasbeschwerden führen können, wirst Du vermutlich sehr schnell an eine OP denken, oder? Diese kann tatsächlich zum Teil schneller eine Schmerzlinderung herbeiführen (6-26%), aber nach einem Jahr sind die Ergebnisse nahezu gleich. Aus diesem Grund wird meist empfohlen, zunächst 12 Wochen konservativ zu behandeln, bevor man überhaupt an eine OP denkt. Ausnahmen sind hier stärkere Symptome, wie Hinweise auf ein Cauda Equina Syndrom (Verlust der Blasen-/ Mastdarm-Funktion) oder rasche Zunahme einer Lähmung bzw. Unfähigkeit den betroffenen Körperteil gegen die Schwerkraft zu bewegen. (4) Im Bereich der konservativen Behandlung kommt es ein Stück weit darauf an, was ursächlich ist. Zunächst gilt aber, wie immer die Grundregel „Calm shit down, build shit up“. Weitere Informationen kannst Du auch im Artikel „Was tun bei Sportverletzungen?“ finden. Wichtig ist hier vor allem der zweite Teil der Regel. Sinn macht es, ergänzend gezielte Übungen zur Kräftigung oder Nervenmobilisation (siehe nebenstehendes Video) durchzuführen. https://youtu.be/1erJjVtv4OQ Manuelle Therapie oder auch Osteopathie können zusätzlich oft bei der Linderung der Beschwerden helfen. Die Nutzung von Schmerzmedikamenten ist eine sehr individuelle Entscheidung. In Leitlinien gibt es hierzu keine klare Empfehlung. Persönlich würde ich darauf verzichten, es sei denn, ich könnte vor Schmerzen nicht mehr schlafen. Das ist aber ganz klar meine persönliche Meinung! Kortisoninjektionen, an die betroffene Nervenwurzel können manchmal zu einer ersten Linderung führen, sind aber, ähnlich wie Schmerzmittel im allgemeinen, eine sehr persönliche Entscheidung. Prognose Die Prognose bei Ischiasbeschwerden (Ischialgien) ist übrigens günstig. Nach einem Zeitraum von 12 Wochen berichten 50 % der Patienten über eine deutliche Besserung, nach 12 Monaten über 70 %. (4) Wichtig ist auch zu sagen, dass auch alleine eine negative Überzeugung des Patienten (Nocebo) mit einer schlechteren Prognose im Zusammenhang stehen. Fazit Wie Du hoffentlich mitnehmen kannst, sind Ischiasbeschwerden zwar häufig schmerzhaft, aber ein Problem, was meist wieder vergeht. Wichtig ist, zum einen dieses Wissen, aber auch, die Behandlung an Deine Beschwerden optimal anzupassen. Schmerz hat viele Fazetten und auch Gründe. Je genauer eine Therapie an Dich angepasst ist, desto schneller kannst Du Deine Schmerzen wieder loswerden. Und ich hoffe, dass Du auch mitnehmen konntest, dass Rückenschmerzen größtenteils nicht mit dem Ischiasnerv in Zusammenhang stehen. https://youtu.be/Lpnhu1qAIQc Zum Podcast Quellen (1) Schünke, M., Schulte, E., Schumacher, U., Voll, M.,, Wesker, K. (2007). Prometheus, LernAtlas der Anatomie, Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Stuttgart: Thieme. (2) https://flexikon.doccheck.com/de/Nervus_ischiadicus (3) https://www.thieme-connect.de/products/ebooks/lookinside/10.1055/b-0034-60790 (4) https://www.physiomeetsscience.net/was-patienten-und-therapeuten-ueber-eine-ischialgie-wissen-sollten/ (5) https://www.physiomeetsscience.net/chirurgische-versus-nicht-chirurgische-behandlung-von-ischiasbeschwerden/ (6) https://www.physiomeetsscience.net/ischias-oder-ischios-differenzierung-von-n-ischiadicus-und-hamstrings-beim-slr/ Etienne RiesWie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name

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