5 Wege, wie Dehnen bei Schmerzen helfen kann
Dehnen hat viele positive Effekte und ist eine sehr beliebte Maßnahme, auch bei Schmerzen. Allerdings gibt es auch starke Diskussionen, ob Dehnen bei Schmerzen Dich wirklich weiterbringen kann. Um hier den vorzugreifen, in gewissen Situationen wird es Dir weiterhelfen, teilweise können Schmerzen hierüber aber auch verstärkt werden. Bei plantarem Fersenschmerz (fälschlicherweise oft dem Fersensporn zugeschrieben), sind Dehnübungen ein Bestandteil des Übungsprogramms, das ist Patienten mitgebe, denn Dehnen kann bei Schmerzen, die ein Symptom dieses Beschwerdebilds sind, nachweislich helfen (1). Da es viele verschiedene Möglichkeiten des Dehnens gibt und auch einige Punkte auf die Du achten solltest, wenn Du möchtest, dass Dir Dehnen bei Schmerzen hilft und es nicht schlimmer werden soll, gehen wir die einzelnen Punkte peu à peu in diesem Artikel durch. Dieser Artikel ist übrigens ein kleines Update zu einem früheren Artikel, wo ich der Frage nachgegangen bin, ob man sich regelmäßig dehnen muss. Variationen des Dehnens Grob gesehen gibt es drei verschiedene Formen des Dehnens. Was allen Varianten aber gemein ist, ist, dass ein Muskel gezielt auf Länge gebracht und dadurch gedehnt wird. Worin sich die verschiedenen Formen allerdings unterscheiden, ist wie und ob die Dehnung gehalten wird. Statisch Beim statischen Dehnen wird die Dehnung über einen gewissen Zeitraum gehalten. Häufig werden kurze Dehnzeiten von ca. 30 Sekunden genutzt, es gibt aber auch Effekte, die erst bei wirklich langen Dehnzeiten von bis zu 120 Minuten (!) auftreten (2). Extrem lange Dehnzeiten werden allerdings nur selten in der Behandlung genutzt, da es sehr oft an der praktischen Umsetzung mangeln dürfte. Zumal in den Studien, die solch lange Dehnungen nutzten, auch oft eine relativ hohe Schmerzintensität genutzt wurde (7-8/10), um die erwünschten Effekte, wie Kraftsteigerungen zu erzielen (2). Interessant ist allerdings, welche Effekte sich über diese Form des Dehnens erreichen ließen, aber dazu kommen wir etwas später. Dynamisch Eine Form des dynamischen Dehnens, das ballistische Dehnen, habe ich früher immer mit Fußball verbunden, da ich es dort zuerst gesehen habe. Allerdings wird es nicht nur dort eingesetzt. Beim ballistischen Dehnen näherst Du Dich dem Ende einer Bewegung und federst immer wieder in das Bewegungsende hinein. Es muss nicht allerdings immer ein hinein federn sein, sondern kann es kann auch einfach ein Durchbewegen sein, bei dem Du immer wieder bis ans Limit der Bewegung gehst. Der Unterschied zu Mobilisationsübungen ist hier fließend und je nach Definition von Mobilisationsübungen könnte man dieses Durchbewegen auch so bezeichnen. Für mich zielen Mobilisationsübungen allerdings eher auf Gelenke ab, anstatt auf Muskeln, wie bei Dehnübungen. Mischformen Wie immer gibt es auch Mischungen des Ganzen, sodass sich das statische Halten und das dynamische Bewegen abwechseln. Eine Form ist beispielsweise das sogenannte PNF-Dehnen. Hierbei gehst Du bis ans Ende der Beweglichkeit eines Muskels, hältst dort statisch für einen gewissen Augenblick die Dehnung. Dann spannst Du den Muskel, den Du dehnen willst, an und gehst dann weiter in die Dehnung. Effekte des Dehnens Wie schon angedeutet kann Dehnen viele Effekte auf den Körper haben und wir kommen auch noch dazu, wie Dehnen Dir bei Schmerzen helfen kann. Allerdings schauen wir uns hierzu erstmal an, welche positiven Effekte Dehnen generell haben kann, um gezielt darauf eingehen zu können, bei welchen Schmerzen Dehnen wie helfen kann. Für letzteres nenne ich Dir auch unter jedem Punkt mindestens ein Beispiel, was zeigt, wann sich hierüber eine Schmerzlinderung erzielen lässt. Verbesserung Beweglichkeit Vermutlich der bekannteste Punkt, aber Dehnen kann helfen die Beweglichkeit zu verbessern. Wie genau wird nach wie vor diskutiert. Am wahrscheinlichsten scheint eine Erhöhung der Dehnungstoleranz zu sein (3). Zudem nimmt aber auch die Nervensteifigkeit ab (4). Die Beweglichkeitsverbesserung scheint bei passiven, statischen Dehnungen größer zu sein als bei aktiven Dehnübungen. (5) Viele meiner Patienten kennen es, wenn ein Muskel „zugemacht hat“ und Bewegungen nicht mehr zulässt, am typischsten durch Überlastung. Durch die entstehenden Schmerzen, wenn der Muskel in die eingeschränkte Richtung bewegt wird, wird in diesen Situationen die Beweglichkeit verhindert. Dehnen kann hier eine Möglichkeit sein, die Beweglichkeit zu verbessern und durch die gesteigerte Dehntoleranz die Schmerzen zu lindern. Wichtig scheint hierbei zu sein, dass die Dehnungen regelmäßig durchgeführt werden und auch lange gehalten werden (2, 5) Kraftsteigerung Klingt zu schön, um wahr zu sein. Nicht mehr im Fitnessstudio quälen und trotzdem Kraft aufbauen, aber erinnerst Du Dich, was ich weiter oben erwähnt habe, dass hierbei nicht nur extrem lange Dehnungen benötigt werden von bis zu 120 Minuten? Zumal auch die Schmerzintensität, die bei 7-8 auf einer Skala von 0 bis 10 lag, lassen Dehnungen als Ersatz für Krafttraining doch nicht mehr ganz so reizvoll wirken (2). Bezüglich des Muskelzuwachses und der Maximalkraftsteigerung konnte in den Untersuchungen aber auch kein Vorteil für ein klassisches Hypertrophietraining (Krafttraining, das auf Muskeldickenwachstum abzielt) gefunden werden (2). Es gibt zwei Mechanismen, wie solche Arten zu dehnen bei Schmerzen helfen können. Zum einen wirst Du Dich über die hohe Schmerzintensität an Schmerzen gewöhnen und andere Schmerzen werden Dir vielleicht nicht mehr so intensiv vorkommen. Zum anderen ist ein starker Muskel aber auch belastbarer und auch auf diesem Weg kann Dehnen bei Schmerzen helfen. Verbesserung der Blutgefäße Wenn Gefäße gedehnt werden im Rahmen muskulärer Dehnungen, kommt es zu einer Verbesserung des Gefäßsystems in dem Sinne, dass die Gefäße ihre Steifigkeit reduzieren und somit die arterielle Compliance verbessert werden kann. Zudem kann es nach der Dehnung auch zu einer Mehrdurchblutung kommen (6). Beides Faktoren, die bei Krankheiten, wie z.B. PAVK (auch als Schaufensterkrankheit bekannt) eine wichtige Rolle in der Therapie spielen. Bei Krankheiten wie der PAVK zeigt sich auch deutlich, wie eine Minderdurchblutung zu Schmerzen führen kann. Bei betroffenen Patienten wird die Gehstrecke immer kleiner, da Schmerzen im Bereich des Beins, die aufgrund der Minderdurchblutung entstehen, die Patienten am Weitergehen hindern. Die gängigste Variante hierfür ist Gehtraining, was ab einem gewissen Grad der Erkrankung und auch in Abhängigkeit der Motivation des Patienten nicht immer gut umsetzbar ist. Aus diesem Grund würde ich als Alternative Dehnen bei Schmerzen aufgrund von Durchblutungsstörungen durchaus in Erwägung ziehen und probieren. Stressreduktion Kurzfristig kann es durch Dehnungen zu einer Steigerung des Sympathikus kommen. Werden Dehnprogramme aber über einen längeren Zeitraum durchgeführt,
Muss ich mich regelmäßig Dehnen?
Kurze Antwort: Nein! Kann es trotzdem manchmal hilfreich sein, sich regelmäßig zu dehnen? Klare Antwort: Ja! Diesen scheinbaren Widerspruch möchte ich gerne mit Dir im folgenden Text auflösen, viel Spaß beim Lesen: Physiologischer Effekt (1) Was passiert eigentlich genau im Körper, vor allem der Muskulatur, wenn Du diese dehnst? Diese Frage lässt sich leider nicht abschließend beantworten. Es werden vier Effekte diskutiert. Der Muskel wird länger (strukturelle Anpassung) Der passive Tonus wird geringer (strukturelle Anpassung) Veränderung der „Festigkeit“ aller Bestandteile des Muskelgewebes Der aktive Tonus wird geringer (funktionelle Anpassung) Veränderung der elektromyographischen Aktivität (elektrische Aktivität der Muskulatur) Die Toleranzgrenze verschiebt sich und lässt mehr Bewegung zu (sensorische Anpassung) Nach aktueller Studienlage scheint der größte Effekt auf die Verbesserung der Beweglichkeit durch den 4. Punkt zustande zu kommen. Wenn Du Dich über einen Zeitraum von mindestens 4 Wochen regelmäßig dehnst, kannst Du eine Steigerung der Beweglichkeit erzielen. Wichtig zu wissen ist, dass alle Dehnmethoden einen Vorteil für die Beweglichkeit bringen, mit einem gewissen Vorteil für das statische Dehnen. Wie es gibt mehr als nur langes Halten zum Dehnen? Je nachdem, wie groß Deine Vorerfahrung im Sportbereich ist, wirst Du möglicherweise nur statisches Dehnen kennen. Es gibt allerdings mehrere weitere Möglichkeiten, sich zu dehnen. Grob unterteilen kannst Du die Formen in statisches und dynamisches Dehnen bzw. Mischformen. Statisches Dehnen Beim statischen Dehnen hältst Du die Dehnposition für einen längeren Zeitraum, hier gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Einen Vorteil, den das statische Dehnen in meinen Augen hat, ist der Punkt, dass man deutlich spürt, wenn der Dehnreiz nachlässt. Diese Form lässt sich sowohl aktiv als auch passiv durchführen. Dynamisches Dehnen Hierzu zählt beispielsweise das ballistische Dehnen. Du näherst Dich der Endposition einer Bewegung und federst immer wieder in Richtung des Bewegungsendes. Mischform Eine Mischung des ganzen ist das PNF-Dehnen. Die Abkürzung PNF steht ausgeschrieben für Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation und ist eigentlich ein neurologisches Therapiekonzept der Physiotherapie. Beim PNF-Dehnen geht man so vor, dass sich statisches Dehnen und aktives Anspannen des Muskels, der gedehnt werden soll, abwechseln. Der Vorteil ist, dass hierdurch kurzfristig eine größere Verbesserung der Beweglichkeit erreicht werden kann. Ob dieser Effekt auch langfristig größer ist, darauf gehen wir später noch ein. Effekte von Dehnübungen Verbesserung Beweglichkeit (1) Das typischste Ziel, dass vermutlich die meisten verfolgen werden, ist das Verbessern der Beweglichkeit. Hierfür eignen sich alle oben genannten Dehnformen. Ein gewisser Vorteil scheint für das statische Dehnen gegeben zu sein (2). Laut Thomas et al. scheint es keinen Unterschied zu machen, ob Du die Dehnung weniger als 60 Sekunden, zwischen 60 und 120 Sekunden oder über 120 Sekunden hältst. Viel wichtiger ist, wie häufig das Programm durchgeführt wird. Der größte Effekt scheint hier bei 6 Tagen die Woche gegeben zu sein, wenn das Programm über mindestens 4 Wochen durchgeführt wird. Positive Effekte auf das Gefäßsystem (3) Dieser Punkt war auch für mich während der Recherche neu, auch wenn ich einen der Effekte unbewusst teilweise für mich genutzt habe. Während sich Parameter wie Blutdruck, Puls in den Extremitäten und Herzfrequenz im vorher nachher Vergleich nicht durch eine Dehnung verändern, zeigt sich eine signifikante Verbesserung der Elastizität der Gefäßwände und der Pulswellengeschwindigkeit im gedehnten Gefäß. (4) Zusätzlich scheint ein positiver Effekt auf das vegetative Nervensystem gegeben zu sein (5). Durch ein Dehnen aller großen Muskelgruppen scheint die Parasympathikusaktivität zu steigen und der Sympathikus gehemmt zu werden. Wenn Du nicht mehr weißt, was Sympathikus und Parasympathikus sind, kannst Du gerne in folgendem Artikel von mir nachschauen. Diesen Punkt habe ich für mich selbst bereits positiv in der Marathonvorbereitung dieses Jahr genutzt, ohne die Studie zu kennen. Nach langen Läufen fiel mir auf, dass mein Schlaf und meine Erholung deutlich besser wurde, wenn ich mich zum Abend hin noch gedehnt hatte. Positive Effekte auf Nerven (6) Für neurale Strukturen gibt es verschiedene Möglichkeiten, deren Mobilität zu verbessern. Hier wären zum einen Slider zu nennen und zum anderen Tensioner. Auch passive Dehnungen sind eine Möglichkeit, Einfluss auf die Mobilität zu nehmen. Slider und Tensioner kannst Du gegensätzlich sehen. Beide sind für die entsprechenden Nerven spezifisch in der Ausführung. Vereinfacht gesagt versucht man bei einem Slider den Nerv in einem Bereich zu bewegen, indem kein Dehnreiz zu spüren ist. Hierfür wird über eine Seite Spannung aufgebaut, die andere Seite gibt der Spannung nach. Wohingegen beim Tensioner über beide Seite Zug auf den Nerv aufgebaut wird. Durch die Übungen lässt sich eine deutliche Verbesserung der Steifigkeit des Nervs, der Beweglichkeit gegenüber des angrenzenden Gewebes und der Schmerzen erzielen. Nachteile Wie oben aufgezeigt, hat Dehnen durchaus einige positive Effekte, die Du Dir zunutze machen kannst. Ein Nachteil zeigt sich zum Beispiel bei Läufern. Ein Dehnen vor dem Laufen scheint die Laufökonomie und die Performance zu verschlechtern, und zwar für bis zu einer Stunde nach dem Dehnen. (7) Fazit Wie ich Dir hoffentlich zeigen konnte, gibt es einige positive Effekte des Dehnens und wenige Nachteile. Wenn es also etwas ist, was Du für Dich nutzen möchtest, spricht wenig dagegen. Geht es Dir allerdings um die Behandlung von Schmerzen, so gibt es Methoden, die sich vielleicht eher anbieten, wie beispielsweise Krafttraining. Wenn Du die Befürchtung hast, hierdurch unbeweglich zu werden, kann ich Dich beruhigen. Krafttraining scheint einen ähnlichen Effekt auf die Beweglichkeit zu haben, wie Dehnübungen. (8) Hier hast Du dann auch noch weitere positive Effekte, die Du Dir zunutze machen kannst. Beispielsweise lässt sich hierdurch eine erhöhte Belastbarkeit gereizter Strukturen erzielen, was langfristig oft eher zu Schmerzfreiheit führt. Es kommt also wie immer darauf an, was Dein Ziel ist. Brauchst Du Hilfe dabei, Deine Behandlung und Dein Übungsprogramm konkret zu planen? Nimm gerne zu mir Kontakt auf. Quellen (1) https://www.physiomeetsscience.net/warum-macht-dehnen-beweglicher-die-mechanismen-im-ueberblick/ (Zugriff am 08.12.2022) (2) Thomas E, Bianco A, Paoli A, Palma A. The Relation Between Stretching Typology and Stretching Duration: The Effects on Range of Motion. Int J Sports Med. 2018 Apr;39(4):243-254. doi: 10.1055/s-0044-101146. Epub 2018 Mar 5. PMID: 29506306. (3) https://www.physiomeetsscience.net/dehnen-und-das-gefaesssystem/ (Zugriff am 08.12.2022) (4) Ikebe H, Takiuchi S, Oi N et al. Effects of trunk stretching using an exercise ball on central arterial stiffness and carotid arterial