5 Gründe, warum Osteopathie effektiver ist als ein Schmerzmittel
Ein spannendes Phänomen, was ich immer wieder sehe ist, dass Patienten mir nach einer Behandlung erzählen, dass die Behandlung Schmerzen stärker gelindert hat, als die vorherige Nutzung eines Schmerzmittels. Das klingt im ersten Moment seltsam und ich würde auch nicht behaupten, dass ich magische Hände habe. Aber wie kann es dann zu so einem Phänomen kommen? NA ja, es gibt ein paar einfache Erklärungen, warum Patienten nach einer Behandlung schmerzfreier rausgehen, als wenn sie vorher nur ein Schmerzmittel genommen haben. Wir schauen sie uns gemeinsam an und dabei wirst Du erkennen, dass Du einen Teil davon auch selbst umsetzen kannst, um Deine Schmerzen bereits alleine zu lindern. Entzündung vs. Schmerz Vermutlich eines der am häufigsten genutzten Schmerzmittel auf dem Markt ist Ibuprofen. Und gerade hierbei, aber auch bei anderen Medikamenten aus dieser Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) ist die Herausforderung, dass sie hauptsächlich über eine Entzündungshemmung Schmerzen lindern. Das funktioniert dann auch bei Schmerzen, die im Rahmen einer Entzündung auftreten, oft gut bis sehr gut. Allerdings sind nicht alle Schmerzen durch eine Entzündung bedingt. Es gibt auch viele weitere mögliche Ursachen für Schmerzen, wie Überlastungen (z.B. das Läuferknie) oder chronische Schmerzen, die oft keinen Zusammenhang zu einem Gewebeschaden mehr zeigen. In diesen Fällen wirst Du dann auch über eine Entzündungshemmung wenig schmerzlindernde Effekte erzielen können und vor allem dann können die 5 folgenden Ansätze einer Behandlung eine bessere Wirkung entfalten, als das Schmerzmittel. Allerdings können sie das teilweise auch bei entzündlichen Prozessen. Ruhe Behandlung In der Behandlung Du Zeit zur Ruhe zu kommen, bei mir im Normalfall eine ganze Stunde. Wann nimmst Du Dir sonst bewusst diese Zeit für Dich und kommst zur Ruhe ohne irgendwelche Ablenkungen? Dass Stress eine stark Schmerz steigernde Wirkung haben kann, ist ein Punkt, den wir uns bereits mehrfach angeschaut haben. Zur Erinnerung Stress stellt die Alarmanlage Deines Körpers sensibler ein, sodass Reize schneller als Schmerz wahrgenommen werden können. Wenn Du jetzt überlegst, wie Du das ganze selbst umsetzen kannst, ganz einfach: Komm zur Ruhe und sorg dafür, dass Dein Stresslevel möglichst gering ist. Vermeide zusätzliche Stressoren und entspanne Dich. Du kannst, wie in einem anderen Artikel bereits erwähnt, alleine über die Auswahl Deines Fernsehprogramms einen Einfluss auf Dein Stresslevel nehmen. Schau Dir vielleicht nicht den nächsten Horrorfilm oder Thriller an, sondern eine entspannte Komödie, natürlich kannst Du auch den Fernseher ganz auslassen und einen Spaziergang im Wald machen. Das wird zum einen Deiner Stimmung guttun und ein Spaziergang kann auch für sich eine schmerzlindernde Wirkung haben. Zusätzlich kannst Du natürlich auch Entspannungsübungen machen, ein paar Anregungen findest Du nebenstehend. Berührung Auch wenn aktive Behandlungen in den meisten Fällen langfristig besser Beschwerden lindern, als passive Maßnahmen, so ist doch die Berührung durch einen anderen Menschen etwas, was zu einer starken Schmerzlinderung führen kann. Mit am schönsten lässt sich das immer beobachten, wenn sich kleine Kinder verletzen. Die Eltern streicheln oder pusten über die verletzte Stelle, nehmen das Kind vielleicht kurz in den Arm und zack sind Schmerzen wie weggeblasen (das Aua, was davon fliegt). Die Wirkung von Oxytocin und wie es auf vielfältige Weise zu einer Reduktion von Schmerzen führen kann, haben wir uns bereits in einem früheren Artikel angeschaut. Diese schmerzlindernden Eigenschaften zu nutzen, ist häufig relativ einfach. Nähe in der Partnerschaft, sei es kuscheln, streicheln oder auch Sex. Alles hat schmerzlindernde Eigenschaften. Aber auch wenn Du nicht in einer Partnerschaft bist, gibt es einfache Möglichkeiten und bevor Du drüber nachdenkst, ja auch Selbstbefriedigung kann eine Möglichkeit sein. Ich denke aber zunächst an andere Dinge, wie beispielsweise Faszienrollen (ja, die kann man auch sanft nutzen!) oder Massagegurte. Kontrollgefühl Ein weiterer großer Vorteil ist, dass Du in der Behandlung merkst, dass Dein Schmerz kontrollierbar ist. Im Rahmen von Triggerpunktbehandlungen gibst Du beispielsweise vor, wie intensiv die Behandlung sein soll und darf. Wird es Dir zu viel, kannst Du Stopp sagen und ich passe die Intensität sofort an. Auch wenn wir uns gemeinsam anschauen, wie beweglich ein schmerzendes Gelenk ist, gibst Du vor, welche Bewegungen in Ordnung sind und welche nicht. Zudem wirst Du vielfach feststellen, dass der Schmerz sich auch verändert, wenn Du wirklich locker lassen kannst und das Gelenk passiv durchbewegt wird. Also die Spannung der Muskulatur, die Dein Körper vielleicht als Schutzspannung gedacht hat, sorgt dafür, dass es schmerzt und nicht eine Verletzung oder Überlastung. Du selbst kannst das auch zu einem gewissen Grad ausprobieren. Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, die Bewegung, die sonst Deine Schmerzen auslöst, durch kleine Veränderungen so zu modifizieren, dass der Schmerz weniger wird oder sogar verschwindet? Wenn ja, hast Du auch direkt einen weiteren Behandlungsschritt gefunden. Hierbei ist es dann auch egal, ob Du nur den Bewegungsweg etwas verkürzt oder die Bewegung tatsächlich anders als gewohnt durchführst. Die Hauptsache ist, dass Du Deine Schmerzen reduzieren kannst. Schmerzhafter Bereich wird von Fachkraft begutachtet und Ungewissheit wird zu Gewissheit Unsicherheit kann ein deutlicher Stressor sein und somit auch die Schmerzwahrnehmung erhöhen. Du weißt nicht sicher, ob ein Gewebeschaden vorliegt und Du etwas verschlimmerst, wenn Du Dich weiter bewegst. Sollst Du jetzt eine komplette Pause machen oder kannst Du dosiert weitermachen, vielleicht sogar leicht in den Schmerz reinarbeiten? Vielleicht hast Du auch schon bei Google nachgeschaut, was eine mögliche Ursache sein kann, für Deine Schmerzen und bist bei zig Diagnosen gelandet, die eine schlimmer als die andere. Hab ich schon mal erwähnt, dass Du nicht googeln solltest, nach Beschwerden? Wenn Du wirklich unsicher bist, such Dir den Rat eines Experten und mach zeitnah einen Termin aus. Du wärst nicht der erste, von dem ich mitbekomme, dass eine Gewissheit (selbst wenn etwas geschädigt sein sollte) zu einer Reduzierung der Schmerzen geführt hat. Es hört sich jemand die Probleme an und geht darauf ein Der letzte Punkt klingt vielleicht am banalsten, ist aber meiner Meinung nach einer der wichtigsten Punkte. Du kannst Dir wirklich mal alle Deine Sorgen, Probleme und Ängste von der Seele reden und Dir hört jemand zu und geht darauf ein. Eine kleine Patientenanekdote und warum man sich manchmal „auskotzen“ sollte findest Du im Podcast bzw. auf YouTube.
Chronische Schmerzen
Die Worte chronische Schmerzen nutze ich nur sehr selten im Umgang mit meinen Patienten. Nicht weil ich es unwichtig finde, wie lange Schmerzen schon bestehen, sondern eher, weil die meisten Patienten das Wort chronisch leider viel zu oft falsch verstehen. An sich bedeutet chronische Schmerzen nur, dass die Schmerzen schon über einen gewissen Zeitraum bestehen, nicht mehr und nicht weniger. Es wird also nur rückblickend etwas beschrieben. Vielfach wird chronisch fälschlicherweise aber nur so verstanden, dass es sich um einen von jetzt an dauerhaften Zustand, unheilbaren Zustand handeln würde. Zwar gibt es Erkrankungen, bei denen das zutreffen mag, das Wort chronisch stellt aber keine Prognose für die Zukunft dar. Ab wann man davon spricht, dass es sich um chronische Schmerzen handelt und welche Konsequenzen sich daraus für die Therapie ergeben, das ist der Inhalt dieses Artikels. Definitionen Um die Verwirrung zu reduzieren, schauen wir uns zunächst mal ein paar Definitionen an, damit wir eine gemeinsame Basis haben, über die wir reden. Chronisch Der Begriff chronisch stammt vom altgriechischen Wort Chronos ab und bedeutet langsam, lange andauernd oder auch die Zeit. In der Übersetzung finden sich dann auch bereits zwei wichtige Anteile der Definition von chronischen Erkrankungen. Zum einen entwickeln sie sich oft langsam und schleichend, teils auch ohne einen eindeutigen Ausgangspunkt. Zum anderen dauern sie einen langen Zeitraum an (1, 2). Eine eindeutige zeitliche Eingrenzung, ab wann Beschwerden als chronisch bezeichnet werden, gibt es für bestimmte Krankheitsbilder, wie zum Beispiel die chronische Bronchitits. Bei vielen Beschwerden spricht man ab einem Zeitraum von 3 bis 6 Monaten davon, dass diese chronisch geworden sind. Schmerzen Die Definitionen von Schmerzen haben wir uns an anderer Stelle bereits genauer angeschaut. Um einen kurzen Auszug meines Artikels zu zitieren, in dem ich mich auf die Definition der International Association for the Study of Pain (IASP) beziehe: „Schmerz wird laut IASP definiert, als eine unangenehme, sensorische und emotionale Erfahrung, die mit tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschäden einhergeht.“ Diese Definition gilt vor allem für akute Schmerzen und zeigt die wichtige Warnfunktion, die Schmerz einnimmt. Wenn es sich um chronische Schmerzen handelt, geht dieser warnende Mechanismus allerdings verloren (3), wie Du gleich sehen wirst. Chronische Schmerzen Chronische Schmerzen werden mittlerweile von diversen Fachleuten als eigenständige Krankheit definiert (4). Dieser Herausforderung kommt auch die Leitlinie nach, die sich eigens mit chronischen, nicht tumorbedingten, Schmerzen beschäftigt (3). Die Leitlinie spricht sich dafür aus, dass Schmerzen ab einer Dauer von mehr als 3 Monaten als chronische Schmerzen definiert werden sollten. Das heißt jetzt allerdings nicht, dass die Schmerzen dauerhaft da sein müssen. Bei chronischen Schmerzen ist es häufig ein Auf und Ab der Schmerzintensität und Schmerzausprägung (3). Wie zuvor schon erwähnt erfüllen chronische Schmerzen nicht mehr die nützliche Warnfunktion, die akute Schmerzen noch erfüllen können. Über die Entstehung ist man sich noch nicht gänzlich sicher und es gibt viele Theorien, wie diese entstehen können. Lerntheoretischer Ansatz Ein Erklärungsansatz fußt darauf, dass Patienten Schmerzen mit bestimmten Handlungen oder auch Situationen verknüpfen (3, 5), es findet also eine Art Konditionierung statt (6). Dies kann nicht nur durch negative Reize passieren, wie beispielsweise eine bestimmte Bewegung, die häufig Schmerzen auslöst (3, 6, 7), sondern es kann auch durch positive Reize dazu kommen, dass Schmerzen chronisch werden (3). In diesem Fall spricht man dann häufig vom sekundären Krankheitsgewinn. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Du durch Deine Schmerzen mehr Aufmerksamkeit und Fürsorge von Deinem Umfeld erfährst (3). Das Schmerzgedächtnis Eng verknüpft mit dem lerntheoretischen Ansatz ist ein Begriff, der im Zusammenhang mit chronischen Schmerzen häufig fällt, das Schmerzgedächtnis. Das heißt, es ist zu einer Veränderung auf neurophysiologischer Ebene (3) gekommen und bestimmte Neurone haben sich „zusammengeschaltet“ entsprechend dem Grundsatz „What fires together – wires together“ (7). Das klingt jetzt im ersten Moment vermutlich ziemlich kompliziert und bedrohlich. Ist es aber deutlich weniger, als Du denkst. Unsere Hirnstruktur verändert sich im Laufe des Lebens immer wieder, man spricht hier auch von Neuroplastizität. In jungen Jahren passiert das noch deutlich schneller, im Laufe des Lebens wird dieser Prozess dann etwas träger. Du kannst Dir das Entstehen der Verbindungen im Gehirn ein bisschen vorstellen wie Waldwege. Je häufiger ein bestimmter Weg gegangen wird, desto eher wird aus einem Trampelpfad, der zunächst kaum erkennbar ist, ein richtiger Weg, der sich auch aus der Distanz gut erkennen lässt. Wird dieser Weg aber länger nicht mehr genutzt, verwildert er im Laufe der Zeit wieder und ist irgendwann verschwunden. Das Thema haben wir uns übrigens auch schon einmal im Zusammenhang mit psychosomatischen Beschwerden angeschaut. Kognitiv-behavioraler Ansatz Hierbei wird die Bedeutung der gefühlten Hilflosigkeit gegenüber den Schmerzen als aufrechterhaltender Faktor von chronischen Schmerzen betont. Somit wird hierbei dem psychischen Anteil des bio-psycho-sozialen Modells Rechnung getragen (3). Was kannst Du tun? Wichtig ist erstmal, dass Dir die Diagnose chronische Schmerzen keine Angst macht, denn wie schon beschrieben heißt es lediglich, dass die Schmerzen über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten bestehen. Zwar wird es nicht unbedingt leichter, wenn chronische Schmerzen schon lange bestehen, diese loszuwerden, es ist grundsätzlich aber auch nach langer Schmerzdauer möglich. Die zuvor erwähnte Neuroplastizität kann nicht nur chronische Schmerzen mit bedingen, sondern auch helfen, diese wieder loszuwerden (5, 6, 7). Wenn Dich das Thema Neuroplastizität genauer interessiert, kann ich Dir die nebenstehende Arte Doku (8) wärmstens empfehlen. Hier geht es auch darum, welche therapeutischen Möglichkeiten es hier gibt. Die konkrete Behandlung ist häufig sehr individuell und häufig kann ein multimodaler Ansatz sinnvoll sein, das heißt mehrere Gesundheitsbereiche arbeiten Hand in Hand zusammen. Was aber immer die Basis darstellen sollte ist, dass Du körperlich aktiv wirst und Deine körperliche Aktivität steigerst. Hierbei ist es übrigens weniger relevant, welche Aktivität das ist, sondern eher, dass Du dieser regelmäßig nachgehst (3). Hier wirken dann mehrere Mechanismen, einer ist die Ausschüttung von Endorphinen (körpereigenen Morphinen), die direkt schmerzlindernd wirken. Weiterhin wird hierüber aber auch die gefühlte Hilflosigkeit reduziert, was auch Bestandteil der nächsten wichtigen Säule ist. Wichtig in der Behandlung chronischer Schmerzen ist, dass Du lernst, wie Du mit Deinen chronischen Schmerzen besser umgehen kannst. Das heißt, welche Dinge tun Dir gut, was kannst Du ohne Schmerzen