Die ersten Wochen des neuen Jahres sind vorbei und statistisch gesehen sind relativ viele Neujahrsvorsätze schon bald wieder dahin. Bei vielen guten Vorsätzen liegt das mit Sicherheit auch an einer ungenauen oder überambitionierten Zielsetzung, so auch beim Thema Sport.
Für viele Menschen ist der Beginn des neuen Jahres ein Zeitpunkt, um mit dem Sport neu oder wieder anzufangen, auch wenn ich dieses Jahr bis jetzt noch das Gefühl habe, dass mein Fitnessstudio noch nicht so überfüllt ist, wie sonst. Bei einem Teil der „Neuen“ sieht man aber schon einen klassischen Fehler: zu schnell zu viel. Dieser Fehler tritt vor allem auch bei denjenigen auf, die früher schon mal sportlich aktiv waren und jetzt nach einer Pause wieder einsteigen wollen.
Allerdings ist dieses Wissen umso wichtiger, wenn Du Deinen Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung planst. Aus diesem Grund werde ich im folgenden Artikel auch hauptsächlich davon sprechen.
Wir schauen uns gemeinsam an, welche typischen Fehler auftreten, wenn man mit dem Sport (wieder) einsteigt, wie Du diese leicht vermeiden kannst und was die Vorteile sind, wenn man mit einem Sport wieder startet, den man schon mal eine Zeit lang regelmäßig gemacht hat.
Schwierigkeiten beim Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung
Klar gibt es ein paar wenige, die es schaffen beim Wiedereinstieg in ein Training langsam zu starten oder sogar mit zu geringer Intensität starten.
Der Hauptfehler ist mit Sicherheit in einem ruhigen Moment des Nachdenkens auch für Dich klar: mit der alten Trainingsintensität direkt wieder einsteigen.
Das gilt nicht nur, wenn Du eine „normale“ Sportpause eingelegt hast, sondern vor allem dann wenn Du einen Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung vor Dir hast.
Deload vs. Trainingspause
Natürlich funktioniert das, wenn Du nur eine kurze Pause von zum Beispiel einer Woche hattest, wegen einer kleinen Erkältung oder ähnlichem. Warst Du richtig krank oder verletzt, dann ist das wiederum etwas anderes.
Bei kurzen Pausen kann sich durch die Pause und Erholung sogar eine Steigerung der Leistungsfähigkeit ergeben, auf neudeutsch nennt man diese Phase auch Deload. In diesem Fall ist damit normalerweise allerdings eine aktive Erholung gemeint, das heißt Du reduzierst die Intensität, trainierst aber weiter.
Wenn eine Trainingsphase extrem intensiv war, kann es vielleicht sogar Sinn machen, für 1 oder 2 Wochen eine komplette Trainingspause einzulegen. Diese kann dann helfen, dass Dein Körper sich an den Trainingsreiz anpassen. Das Prinzip der Superkompensation, was Du vielleicht schon von einzelnen Trainingseinheiten kennst, wirkt dann in etwas größerem, zeitlichem Maßstab.
Anders sieht es bei einem Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung aus, wenn die Verletzung Dich mehrere Wochen oder gar Monate aus dem Training rausgeworfen hat. Hier kommt es dann zu folgenden Herausforderungen.
Nachlassen der Belastbarkeit
Wenn vorher einer Pause allerdings der entsprechende Trainingsreiz fehlt oder die Pause zu lange ist, dann passiert etwas anderes, die sportliche Leistungsfähigkeit und auch die sogenannte Kapazität des Gewebes lässt nach. Denn jedes Gewebe des Bewegungsapparats, sei es Knochen, Muskeln oder andere Teile braucht eine passende Belastung, damit es belastbar bleibt und wird.
Wenn sich durch eine lange Pause die Belastbarkeit des Gewebes reduziert hat und Du mit einem alten, für den aktuellen Zustand zu hohen, Trainingsreiz einsteigst, ist eine Überlastung nicht selten. Im einfachsten Fall wirst Du den Muskelkater Deines Lebens haben. Wenn es blöd läuft, dann überlastest Du Dir auch die passiven Anteile des Bewegungsapparats, wie die Sehnen, was in der Rehabilitation deutlich länger dauert, als nur den Muskelkater auszukurieren.
Wundheilung
Im Falle einer Verletzung hast Du noch weitere Gründe, die zu einer reduzierten Leistungsfähigkeit. Im Rahmen der Wundheilung bildet sich zunächst eine Art Übergangsgewebe, das erst im Laufe der Zeit wieder die volle Belastbarkeit erreicht. Eine zu hohe Belastung verträgt dieses zu Beginn noch nicht. Wie lange diese Heilung andauert, ist von Gewebe zu Gewebe verschieden.
Schauen wir uns beispielsweise einen Knochenbruch an, so darf dieser oft nach 6 bis 8 Wochen Entlastung wieder „voll belastet“ werden. Nach dieser Zeit würde ich aber dennoch langsam wieder einsteigen, vor allem je nach Sport. Spielen wir mal eine Schienbeinfraktur durch und schauen uns einen MMA-Kämpfer im Vergleich zu einem Schwimmer an. Was denkst Du, wessen Schienbeinknochen mehr Belastung in der Spitze aushalten muss und dementsprechend nach einem Knochenbruch länger braucht, um wieder zu verheilen? Auch wenn es sich bei beiden um eine jeweilige Vollbelastung handelt.
Bleiben wir beim Schienbein und schauen uns mal jemanden an, der 1 bis 2 Mal die Woche 5 km joggen geht und jemanden, der 3 bis 4 Mal die Woche mindestens 10 km joggen geht. Auch hier reden wir von einer jeweiligen Vollbelastung, Sportler Nummer 2 wird aber seine Schienbeine höher belasten.
„Ego sagt Ja, Körper sagt Nein“
Das zusammengefasste Zitat von Chris Eikelmeier (1) beschreibt eigentlich das oft größte Problem, wenn Du wieder ins Training einsteigst, sei es nach Verletzung oder einer Pause aus anderem Grund heraus.
Die Herausforderung ist vor allem nach einer Trainingspause das Ego nicht gewinnen zu lassen und realistisch darin zu sein, dass Du nach einer gewissen Zeit die Intensität beim Wiedereinstieg reduzieren solltest, vor allem wenn Du nach einer Verletzung wieder einsteigst.
Als ich zum Jahresbeginn nach einer knapp 1-monatigen Trainingspause wieder ins Krafttraining eingestiegen bin, habe ich meine Arbeitsgewichte um 5 kg reduziert, bei Übungen wie dem Kreuzheben wäre sogar für die erste Einheit fast noch mehr notwendig gewesen, hier hatte ich aber mein Ego nicht genug im Griff und wurde von einem Trainer im Fitnessstudio auf meine schlechte Technik angesprochen (danke nochmal dafür!).
Er hatte zwar nur meine letzten Wiederholungen gesehen, bei denen die Technik dann auch so bescheiden wurde, dass ich selbst den Satz beendet hatte, die vorherigen Wiederholungen waren allerdings auch nicht das Gelbe vom Ei.
Sinnvoller wäre es rückblickend betrachtet bei einer Übung, die mir weniger wichtig ist zu schauen, welche Reduzierung mir sinnvoll erscheint und diese prozentual auf die anderen Übungen zu übertragen. Kreuzheben ist allerdings die Übung, die mir mit am wichtigsten ist und dementsprechend lässt hier die Rationalität schnell mal nach.
Beim Ausdauertraining tue ich mich dann noch etwas schwerer, da dieses zuletzt keinen großen Fokus bei mir hatte und es weniger gut objektivierbar ist. Zwar nutze ich meine Laufuhr, um mich zu bremsen, indem ich mir vorher ein gewisses Maximaltempo vorgebe, allerdings tue ich mich hier mit der Distanz dann noch etwas schwer, zumindest wenn die Pause nicht zu exorbitant lange war.
Nach sehr langen Pausen von einem halben Jahr oder länger bzw. wenn ich Beschwerden im Bereich der Beine hatte, fiel mir das deutlich leichter und ich passte dann auch tatsächlich die Distanz an die mir beschwerdefrei mögliche Laufstrecke an. Vor allem als ich angefangen hatte, mit Barfußschuhen zu laufen und meine Lauftechnik entsprechend anpassen musste, klappte das tatsächlich sehr gut.
Für die Beurteilung der Laufgeschwindigkeit kann ich Dir zum Beispiel Runalyze empfehlen. Hier werden basierend auf Deinen letzten Trainings Empfehlungen für die Laufgeschwindigkeit in verschiedenen Trainingsbereichen ausgesprochen, wenn Du eine der verbreiteten Anbieter nutzt, um Deine Trainingsläufe aufzuzeichnen, kann Runalyze die Daten direkt hierüber beziehen.
Das Feature fand ich vor allem in meiner Marathonvorbereitung 2022 sehr hilfreich, nutze es allerdings auch für meine normale Trainingsplanung. Ohne meine Laufuhr und die Anzeige der Geschwindigkeit tendiere ich leider dazu, dass ich deutlich zu schnell unterwegs bin.
Vorteil beim Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung
Du hast aber auch Vorteile, beim Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung. Auf der einen Seite wirst Du schneller wieder an die alte Leistungsfähigkeit anknüpfen können, als wenn Du diese neu erarbeiten müsstest. Auf der anderen Seite kannst Du diese Phase auch ganz gezielt nutzen, um an Deiner Technik zu arbeiten und alte, festgefahrene Fehler leichter beseitigen zu können.
Muskelgedächtnis
Unter Muskelgedächtnis beschreibt man die Theorie, dass Du den eben benannten ersten Vorteil, dass Du eine alte körperliche Leistung schneller wieder erreichst, als wenn Du Dir diese von Grund auf neu erarbeiten müsstest. Hierfür werden meines Wissens nach drei Theorien diskutiert, woran das liegen kann. Ich persönlich würde davon ausgehen, dass es eine Mischung aus 2 bis 3 der folgenden Theorien sein wird und nicht einer der Gründe alleine.
1. Bewegungserfahrung (muskuläre Koordination)
Einer der Gründe, aus denen Anfänger so schnell große Fortschritte machen, wenn sie einen neuen Sport starten, ist die Verbesserung der muskulären Koordination. Hier unterscheidet man die intermuskuläre von der intramuskulären Koordination.
Intermuskuläre Koordination beschreibt die Koordination zwischen verschiedenen Muskeln, die synergistisch (gemeinsam) daran arbeiten, eine Bewegung auszuführen. Schauen wir uns zum Beispiel die Beugung im Ellbogen an, so arbeiten hieran v.a. der M. biceps brachii, der M. brachioradialis, der M. brachialis. Theoretisch gibt es noch ein paar Muskeln, die eher im Bereich des Unterarms liegen und auch die Beugung leicht mit unterstützen, diese drei Muskeln sind aber hauptsächlich für die Beugung verantwortlich.
Unter intramuskulärer Koordination versteht man, dass ein Muskel lernt effizienter mit der Bewegung umzugehen. Der Körper lernt, wann müssen wieviele Muskelzellen angesteuert werden, um das Gewicht zu bewältigen und wird hierin immer ökonomischer.
Wenn der Körper lernt gezielt die Muskeln einzusetzen, die für die Bewegung notwendig sind und das auch nur mit der Intensität, die hierzu erforderlich ist, wird die Anstrengung peu a peu weniger, worüber sich zum einen die Ermüdung reduziert, zeitgleich wächst aber auch die Kraft, die maximal aufgebracht werden kann, wenn wirklich nahezu alle Muskelzellen jedes notwendigen Muskels angesteuert werden.
2. Du weißt, es ist möglich
Eine große Barriere neben der körperlichen, ist oft die mentale Barriere. Wenn Du das erste mal beim Bankdrücken versuchst 100 kg zu bewegen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Stimme in Deinem Kopf sagen: „Das ist zu viel Gewicht, wie willst Du das schaffen?“
Die Stimme ist beim zweiten Mal bereits leiser und je öfter Du dieses Gewicht bewegst, desto leichter wird es Dir fallen 100 kg oder auch mehr zu bewegen.
Selbst wenn Du eine längere Pause hattest, weißt Du das Dein Körper tendenziell in der Lage ist 100 kg (oder welche andere Leistung auch immer) zu bewältigen, Du musst ihn nur wieder darauf vorbereiten.
3. höhere Zellkerndichte
Eine weitere Theorie, von der ich das erste Mal im Buch Diagnose sportunfähig!? (1) gelesen habe, ist dass zwar die Muskelfasern dünner werden, bei mangelnder Belastung, die Anzahl der Zellkerne, die sich durch Training gebildet haben, aber wahrscheinlich gleich bleibt. Hierdurch ist es dem Körper leichter möglich mehr Proteine in kürzerer Zeit aufzubauen. Vereinfacht gesagt, der Muskel wächst schneller wieder nach.
Techniktraining
Wofür so ein Wiedereinstieg übrigens wunderbar geeignet ist, ist die sportartspezifische Technik zu trainieren und zu verbessern.
Im Laufe der Zeit spielen sich immer wieder technische Fehler ein, die sich beinahe einbrennen. Wenn Du nun versuchst diese im „normalen“ Training zu verändern, wird es sich irgendwie falsch anfühlen und meistens wird sich Deine Leistungsfähigkeit auch erstmal reduzieren. Der Grund hierfür ist, dass die muskuläre Koordination sich erstmal wieder umgewöhnen muss.
Diese vorübergehende Leistungseinbuße hinzunehmen, um sie mittel- bis langfristig zu steigern fällt vielen Menschen sehr schwer. Warum also nicht einen Zeitpunkt nutzen, zu dem Du sowieso eine verminderte Leistungsfähigkeit besitzt, um an diesen technischen Fehlern zu arbeiten. Der Wiedereinstieg in den Sport nach Verletzung könnte hierfür kein idealerer Zeitpunkt sein, da Du Dich im Kopf leichter damit abfinden kannst, vorübergehend geringere Lasten zu bewältigen.
Eventuell haben diese Fehler auch zu Deiner Verletzung geführt und Du wirst nicht nur stärker, sondern auch verletzungsresistenter, kannst also nur gewinnen und das Beste aus der Situation herausholen.
Fazit
Die Quintessenz dürfte klar geworden sein: Mach langsam mit Deinem Wiedereinstieg in Deinen Sport, vor allem nach einer Verletzung.
Wenn Du es richtig anstellst, wirst Du relativ schnell wieder an Deine alte Leistungsfähigkeit herankommen und kannst diese im Idealfall sogar noch überflügeln. Läuft es perfekt, bist Du zusätzlich noch resilienter gegenüber Verletzungen, da Du Deine Technik (die vielleicht zu der Verletzung geführt hat) optimiert hast.
Auch wenn Du keine Verletzung hattest und aus einem anderen Grund heraus eine Sportpause eingelegt hast, kannst Du diese Tipps anwenden, um Deine alte Leistungsfähigkeit schnell zu übertrumpfen.
Quellen
(1) Eikelmeier, Chris (2023). Diagnose sportunfähig!? : der Ratgeber für evidenzbasierte Rehabilitations- und Ernährungsstrategien bei Verletzungen und Schmerzen. Anröchte : Chris Eikelmeier
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Wie Du vielleicht schon mitbekommen hast, ist mein Name Etienne Ries.
Ich bin Heilpraktiker, Osteopath und Physiotherapeut und schon von klein auf vom menschlichen Körper fasziniert. Nachdem ich mehrere Jahre als angestellter Physiotherapeut gearbeitet habe, habe ich mir 2021 den Traum der eigenen Praxis erfüllt und habe mich hier auf die Arbeit mit Schmerzpatienten und Sportlern spezialisiert. Wie Du im Blog merken wirst, sind das aber nicht meine ausschließlichen Behandlungsfelder. Zur Terminbuchung kommst Du übrigens bequem hier.
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