Ich glaube, es gibt kaum eine Behandlungsmethode, die so schlicht aussieht und gleichzeitig so schnell und effektiv funktionieren kann, wie Dry Needling. Eine feine Nadel, ein gezielter Stich – und plötzlich soll sich ein tief sitzender Schmerz verändern?

Für viele klingt das erstmal ungewöhnlich. Vielleicht hast Du selbst schon mal von Triggerpunkten gehört – kleinen, schmerzhaften Muskelverhärtungen, die Bewegung einschränken und Beschwerden auslösen können. Und vielleicht wurde Dir gesagt: „Da hilft nur Wärme, Massage, Ruhe oder Dehnen.“

Aber wusstest Du, dass eine gezielte Reizung dieser Punkte – mit einer Nadel, ganz ohne Medikamente – oft genau das Richtige sein kann, um den Teufelskreis aus Schmerz und Verspannung zu durchbrechen?

In diesem Artikel schauen wir uns gemeinsam an, was Dry Needling eigentlich ist, wie es funktioniert, warum es nicht mit Akupunktur verwechselt werden sollte – und für wen es wirklich sinnvoll sein kann. Außerdem erfährst Du, wer es anwenden darf, worauf Du achten solltest und was Du realistisch erwarten kannst.

Was ist Dry Needling? Alles zur Methode, Wirkung und Anwendung

Was ist Dry Needling?

Dry Needling ist eine moderne, evidenzbasierte Therapieform zur gezielten Behandlung von myofaszialen Triggerpunkten – das sind schmerzhafte Muskelverhärtungen, die Beschwerden im gesamten Bewegungsapparat auslösen können und häufig auch in andere Körperregionen ausstrahlen.

Mit einer sehr feinen, sterilen Akupunkturnadel wird der Triggerpunkt präzise angesteuert – ohne Medikamentenzugabe, daher der Begriff „dry“ (trocken). Spannend ist, dass Dry Needling sowohl kurz- als auch mittelfristig so effektiv zu sein scheint, wie Kortison. (1) Langfristig ist allerdings der Vorteil, dass Du nicht die Nebenwirkungen von Kortison in Kauf nehmen musst.

Im Gegensatz zur klassischen Akupunktur basiert Dry Needling nicht auf energetischen Konzepten, sondern auf funktionell-anatomischen Grundlagen. Es geht gezielt um die Behandlung gestörter Muskelareale, nicht um Meridiane oder Energieflüsse.

Die Methode ist besonders bei chronischen Muskel- und Gelenkbeschwerden wirkungsvoll und kann in vielen Fällen helfen, langanhaltende Schmerzen zu reduzieren oder sogar ganz zu beseitigen (2, 3). Oftmals ist die Methode vor allem dafür unglaublich effektiv, einen Einstieg in Aktivität und Bewegung zu ermöglichen. Hierüber kann dann ein Behandlungserfolg langfristig gesichert und ausgebaut werden.

Was sind eigentlich Triggerpunkte?

Triggerpunkte sind lokal begrenzte Muskelverhärtungen, die sowohl lokale Schmerzen als auch ausstrahlende Beschwerden verursachen können. Sie lassen sich oft als kleine, druckempfindliche Knoten oder Stränge im Muskelgewebe ertasten.

Diese Punkte entstehen häufig durch:

  • chronische Fehlhaltungen oder statische Belastungen
  • körperliche Überbelastung oder einseitige Bewegungsmuster
  • Unterkühlung
  • Gelenkveränderungen
  • emotionale Anspannung, Dauerstress oder Schlafmangel

Triggerpunkte blockieren normale Bewegungsabläufe, schwächen betroffene Muskelgruppen und können über längere Zeiträume chronische Schmerzsyndrome verursachen. Sie beeinflussen zudem nicht nur das Muskelgewebe selbst, sondern auch Gelenkfunktionen und das gesamte myofasziale Netzwerk (4, 5).

Wenn Du mehr über Triggerpunkte wissen möchtest, schau Dir gerne nochmal meinen separaten Blogartikel zum Thema an.

Wie wirkt Dry Needling?

Beim Einstechen in einen aktiven Triggerpunkt kommt es häufig zu einer lokalen Zuckungsreaktion (Twitch Response) – eine reflektorische Muskelkontraktion, die für einen Moment spürbar ist. Diese Reaktion gilt als Zeichen dafür, dass der Triggerpunkt präzise getroffen wurde und beginnt, sich zu entspannen. Allerdings muss es nicht immer zu einem Zucken kommen und dieses ist für den Behandlungserfolg auch nicht zwingend erforderlich.

Es gibt auch Ansätze, die versuchen, die Faszien, also die Hüllstrukturen der Muskulatur zu behandeln oder aber zum Beispiel auch Narben.

Die Nadelung führt zu:

  • Entspannung des betroffenen Muskelgewebes
  • verbesserter Mikrozirkulation und Durchblutung
  • Senkung der lokalen Schmerzempfindlichkeit und Reduktion nozizeptiver Reize
  • Veränderung von zentralnervösen Schmerzmustern

Diese Wirkung ist meist schnell spürbar – viele Patient:innen berichten bereits nach wenigen Minuten über eine deutliche Verbesserung der Beweglichkeit oder Schmerzreduktion. Die lokale Reizung kann zudem biochemische Prozesse in Gang setzen, die Heilung und Regeneration fördern (6, 7).

Mehr als Nadeln: Was macht die Therapie nachhaltig

Triggerpunkte sind oft Symptome, nicht die Ursache. Deshalb ist es entscheidend, Dry Needling nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil eines umfassenden Therapiekonzepts. Für eine nachhaltige Wirkung gehören immer auch Lebensstil- und Alltagsfaktoren in die Betrachtung:

  • gezielte Bewegungsübungen zur Reaktivierung der Muskulatur (deswegen kriegen meine Patienten von mir immer Übungen in Videoform an die Hand)
  • regelmäßige Bewegung zur Förderung des Stoffwechsels
  • Stressreduktion, Achtsamkeitstraining und Atemarbeit (auch hierzu gibt es verschiedene Übungen von mir in Videoform)
  • ausreichend Schlaf und eine nährstoffreiche Ernährung

Nur wenn wir die Hauptursachen für die Überlastung oder Verspannung erkennen und adressieren, kann sich der Therapieeffekt langfristig stabilisieren. Dry Needling gibt dem Körper den nötigen Impuls zur Selbstregulation – aber die nachhaltige Veränderung entsteht im Zusammenspiel mit Deinem aktiven Zutun (8, 9).

Kurz zur Geschichte

Die Methode des Dry Needling geht auf die Arbeiten von:

  • Dr. Janet G. Travell & Dr. David G. Simons zurück, die in den 1940er Jahren die myofaszialen Triggerpunkte systematisch beschrieben und ihre Schmerzprojektionen kartierten. Quasi die Begründer der Triggerpunktbehandlungen (10)
  • Dr. Karel Lewit, einem tschechischen Neurologen, der erkannte, dass auch eine trockene Nadelung ohne Medikamentenapplikation therapeutische Effekte haben kann (11)
  • Dr. Peter Baldry, der die Methode in Großbritannien weiter etablierte und klinisch verbreitete (12)

Seit den 1980er-Jahren hat sich Dry Needling kontinuierlich weiterentwickelt und ist heute Bestandteil vieler internationaler Schmerztherapie-Konzepte.

Wer darf Dry Needling anwenden?

In Deutschland ist die Rechtslage ziemlich eindeutig:

Nur Ärzte und Heilpraktiker dürfen Dry Needling anwenden, da es sich um eine invasive Maßnahme handelt, bei der die Haut verletzt wird. (13)

In anderen Ländern, wie zum Beispiel der Schweiz ist es auch Physiotherapeuten nach einer entsprechenden Ausbildung erlaubt, Dry Needling anzuwenden. Auch eine ganzheitliche Sichtweise und die Integration in ein umfassendes Therapiekonzept sind entscheidende Qualitätsmerkmale, auf die es sich zu achten lohnt.

Übrigens war das Kennenlernen von Dry Needling in einem Praktikum in der Schweiz während meines Physiotherapiestudiums ursprünglich mal einer der wichtigen Gründe, warum ich Heilpraktiker werden wollte.

Gibt es Risiken beim Dry Needling?

Grundsätzlich ist Dry Needling sehr sicher, wenn es von entsprechend geschulten Behandlern durchgeführt wird. Dennoch kann es – wie bei jeder körpernahen Maßnahme – zu leichten Nebenwirkungen kommen:

  • Muskelkaterähnliche Schmerzen an der behandelten Stelle (1–2 Tage), der auch bei manueller (händischer) Triggerpunktbehandlung oder Massagen auftreten kann
  • kleine Hämatome oder Blutergüsse
  • Gelegentlich: vegetative Reaktionen wie Schwindel, Frösteln oder kurzfristige Kreislaufreaktionen
  • In sehr seltenen Fällen: Infektionen oder Verletzungen tieferer Strukturen bei unsachgemäßer Anwendung (14, 15)

Ich bespreche vor jeder Sitzung genau, ob und in welchem Umfang Dry Needling bei Dir sinnvoll ist, und kläre Dich über die möglichen Reaktionen transparent auf. Deine Sicherheit steht immer im Vordergrund.

Fazit: Mehr als nur Nadeln

Dry Needling ist eine wirkungsvolle, präzise und wissenschaftlich anerkannte Methode, um myofasziale Schmerzen und funktionelle Bewegungseinschränkungen zu behandeln. Doch entscheidend ist: Nicht die Nadel allein heilt – sie ist ein Werkzeug, das gezielt Reize setzt.

Der langfristige Erfolg hängt davon ab, ob Du bereit bist, auch im Alltag etwas zu verändern: Deine Haltung, Deine Bewegungsmuster, Deinen Umgang mit Stress. Genau hier unterstütze ich Dich – mit individueller Beratung, funktionellem Training, Osteopathie und weiteren therapeutischen Bausteinen.

Neugierig? Melde dich gern!

Wenn du herausfinden möchtest, ob Dry Needling für deine Beschwerden sinnvoll ist, melde Dich einfach bei mir. Ich nehme mir Zeit für eine ausführliche Anamnese, beantworte Deine Fragen transparent und arbeite gemeinsam mit Dir an einer nachhaltigen Lösung – für ein Leben mit mehr Beweglichkeit, weniger Schmerzen und mehr Lebensqualität.

Quellen

  1. Griswold, D., Learman, K., Ickert, E., Clewley, D., Donaldson, M. B., Wilhelm, M., & Cleland, J. (2024). Comparing dry needling or local acupuncture to various wet needling injection types for musculoskeletal pain and disability. A systematic review of randomized clinical trials. Disability and rehabilitation46(3), 414–428. https://doi.org/10.1080/09638288.2023.2165731
  2. Cummings, T. M., & White, A. R. (2001). Needling therapies in the management of myofascial trigger point pain: A systematic review. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 82(7), 986–992.
  3. Dommerholt, J., & Fernández-de-Las-Peñas, C. (2013). Trigger point dry needling: An evidence and clinical-based approach. Elsevier Health Sciences.
  4. Simons, D. G., Travell, J. G., & Simons, L. S. (1999). Myofascial pain and dysfunction: The trigger point manual (Vol. 1). Williams & Wilkins.
  5. Gerwin, R. D. (2005). A review of myofascial pain and fibromyalgia—Factors that promote their persistence. Acupuncture in Medicine, 23(3), 121–134.
  6. Fernández-de-Las-Peñas, C., & Dommerholt, J. (2014). Dry needling for the treatment of myofascial pain syndrome. Journal of Manual & Manipulative Therapy, 22(4), 186–193.
  7. Shah, J. P., Phillips, T. M., Danoff, J. V., & Gerber, L. H. (2005). Biochemicals associated with pain and inflammation are elevated in sites near to and remote from active myofascial trigger points. Archives of Physical Medicine and Rehabilitation, 86(1), 131–138.
  8. Bendtsen, L., & Fernández-de-Las-Peñas, C. (2011). Myofascial trigger points and their role in headache disorders. Current Pain and Headache Reports, 15(5), 386–392.
  9. Clauw, D. J. (2014). Fibromyalgia: A clinical review. JAMA, 311(15), 1547–1555.
  10. Travell, J. G., & Simons, D. G. (1983). Myofascial pain and dysfunction: The trigger point manual (Vol. 1). Williams & Wilkins.
  11. Lewit, K. (1979). The needle effect in the relief of myofascial pain. Pain, 6(1), 83–90.
  12. Baldry, P. (1993). Acupuncture, trigger points and musculoskeletal pain (2nd ed.). Churchill Livingstone.
  13. Deutscher Verband für Osteopathie. (2022). Rechtlicher Rahmen für invasive Verfahren in Deutschland.
  14. Brady, S., McEvoy, J., & Dommerholt, J. (2014). Adverse events following trigger point dry needling: A prospective survey of chartered physiotherapists. Journal of Manual & Manipulative Therapy, 22(3), 134–140.
  15. Tough, E. A., White, A. R., Cummings, T. M., Richards, S. H., & Campbell, J. L. (2009). Acupuncture and dry needling in the management of myofascial trigger point pain: A systematic review and meta-analysis of randomized controlled trials. European Journal of Pain, 13(1), 3–10.

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